"Sein eigenes Vermächtnis" "The Crow"-Regisseur rechtfertigt seinen Film
13.09.2024, 13:50 Uhr Artikel anhören
Die Hauptrolle des Eric Draven übernimmt in der Neuinterpretaton von "The Crow" Bill Skarsgård.
(Foto: Leonine Studios)
30 Jahre nach der Veröffentlichung des heute als Kultfilm gehandelten Streifens "The Crow" bringt Regisseur Rupert Sanders eine neue Version der Fantasy-Geschichte ins Kino. Fans des Originals sind davon wenig begeistert. Im ntv.de Interview zeigt sich Sanders davon jedoch unbeeindruckt.
ntv.de: Die Neuverfilmung von "The Crow" hat eine ziemlich lange Geschichte. Erste Ideen dazu gab es schon 2007. Wie und wann sind Sie zu dem Projekt gestoßen?
Rupert Sanders: Nun, in meinem Fall ging das tatsächlich sehr schnell. Vom ersten Treffen bis zur Produktion sind gerade mal zwölf Monate vergangen. Was vorher passiert ist, weiß ich nicht. Ich war jedenfalls sehr motiviert und inspiriert, als ich angefangen habe, daran zu arbeiten. Wir haben uns alle sehr dafür ins Zeug gelegt. Es ist eine deutsch-tschechisch-britische Koproduktion und so war auch das Team zusammengesetzt. Das ist kein Hollywood-Film mit einem großen Budget, sondern ein schmutziger, rauflustiger Indie-Film. So haben wir es auch geschafft, die kreative Kontrolle zu behalten.

Regisseur Rupert Sanders drehte auch die Filme "Snow White and the Huntsman" und "Ghost in the Shell".
(Foto: picture alliance / Sipa USA)
Der Film basiert ja auf einer Graphic Novel. Ihr vorheriger Streifen "Ghost in the Shell" war eine Manga-Verfilmung. Haben Sie ein Faible für solche Stoffe?
Ich glaube schon. Ich war als Kind kein großer Leser. Aber ich lese gerne Bilder. So gesehen, war es wohl eine natürliche Entwicklung. Ich mache auch gerne Filme, in denen ich die Bilder sprechen lasse. Meine Stärke liegt nicht in langen Monologen. Ich mag es, eine Geschichte so zu erzählen, dass die Menschen auf einer unterbewussten Ebene eine Verbindung zu ihr finden können - durch die Visualität und Metaphern des Films. "The Crow" hat mir eine großartige Möglichkeit gegeben, so mit Themen wie dem Leben und dem Tod, der Trauer und der Liebe zu spielen.
"The Crow" neu auf die Leinwand zu bringen, stellte sicher auch eine große Herausforderung dar. Schließlich hat die Verfilmung von 1994 mit Brandon Lee noch immer eine große Fangemeinde. Hat Ihnen das besonderen Respekt abverlangt?
Ich denke, dass man bei einem Projekt natürlich immer zurückblicken muss. Aber irgendwann muss man sich davon auch lösen und nach vorne schauen. Ich glaube nicht, dass Denis Villeneuve nachts weinend wach gelegen ist, weil er sich, als er "Dune" drehte, Sorgen um den vorangegangenen Kultfilm von David Lynch gemacht hat. Du akzeptierst, dass es das gibt und machst mit deiner Vision weiter. Ich wollte keinen Film von vor 30 Jahren neu verfilmen, sondern etwas für die nächsten 30 Jahre erschaffen. Man muss den früheren Film respektieren, darf sich von ihm aber nicht lähmen und in der Vorstellungskraft zügeln lassen.
Es gab jedoch eine große Diskussion im Netz. Fans des Films von 1994 haben gegen Ihr Werk protestiert, ohne es überhaupt gesehen zu haben. Auch Alex Proyas, der Regisseur des Films mit Brandon Lee, hat erklärt, man solle nicht an dessen Vermächtnis rühren. Was antworten Sie darauf?
Ich habe nicht wirklich eine Antwort darauf. Jeder darf eine Meinung haben, nicht wahr? Würde ich den ganzen Tag damit zubringen, zu lesen, was 50-jährige Trolle über einen Film sagen, der sich an ein junges Publikum richtet, käme ich nicht mehr dazu, kreativ zu sein. Nur sehr wenige Filmemacher kommen auf die Idee, öffentlich andere Filme schlechtzureden. Ich habe noch keine Nachricht von Tarantino, Scorsese oder Ridley Scott bekommen: "Warum machst du 'The Crow'?" Wir alle sind kreative Menschen, machen Kunst und bewegen uns einfach vorwärts. Wichtig ist außerdem vor allem die Begeisterung für den Film beim jüngeren Publikum. Denn es sind die jungen Leute, die ins Kino gehen. Alles, was man tun kann, ist, zu machen, woran man glaubt und sich keine Sorgen darüber zu machen, was andere Leute sagen.
Tatsächlich hat Ihr Film mit dem Streifen von 1994 auch so gut wie gar nichts gemein. Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob man von einem Remake oder Reboot sprechen kann. Wie würden Sie Ihr Werk einordnen?
Als Neuinterpretation der "Crow"-Mythologie. Ich glaube, um einen Film dieser Größenordnung zu machen, der die Chance haben soll, ein Blockbuster zu werden, ist es wichtig, eine entsprechende Marke zu haben. Ohne den Begriff "The Crow" und einem Teil seiner Mythologie hätten wir diesen Film nicht gemacht. Für mich ist das ein Vehikel, um eine interessante Geschichte zu erzählen, die sich mit Themen beschäftigt, die mir viel bedeuten und die wir alle schon erfahren haben: Liebe, Verlust, Trauer.
War der Schöpfer der Graphic Novel, James O'Barr, in die Entstehung Ihres Films involviert?
Nein, nicht wirklich.
Ihr Film konzentriert sich am Anfang stark auf die romantische Beziehung zwischen Eric Draven alias "The Crow" und Shelly Webster. Gespielt werden sie von Bill Skarsgård und FKA Twigs. Wie war die Chemie zwischen den beiden?
Elektrisierend. Beide sind schon sehr magische Menschen. Im Film war mir wichtig, diese Liebesgeschichte zu erzählen, denn um Eric auf dieser Reise wirklich zu begleiten, muss man auch den Verlust mit ihm erleiden. Es geht in dem Film nicht um Rache. Es geht darum, ein Retter zu sein und sich für einen anderen zu opfern. Ich glaube, wir sind in unserer Instagram-Welt, in der sich alles um Selbstwertschätzung dreht, sehr egoistisch geworden. Da ist die Idee, sein Leben für jemand anderen zu geben, tatsächlich zutiefst romantisch.
Was in Ihrem Film ähnlich wie bei dem von 1994 ist: Es gibt einen sehr starken und teilweise den Film auch definierenden Soundtrack - mit Songs etwa von Joy Division, Gary Numan oder Foals. Wie wurden die Songs ausgewählt?
Zum Teil sind es persönliche Favoriten von mir. Aber mir war auch wichtig, dass sowohl ältere als auch neuere Musik dabei ist. Ich habe schon sehr früh eine Playlist erstellt, als ich noch für den Film recherchiert habe. Mir war der Vibe schon damals ziemlich klar. Das reicht vom Acid House im Nachtclub über Enya in späteren Szenen bis hin zu klassischer Musik in der Opern-Szene. Es sollte ein sehr eigener und bunter Mix an Musik sein - so eigen wie der Film eben auch.
Ihr Film lässt die Tür für eine Fortsetzung offen. Könnten Sie sich vorstellen, bei einem weiteren "The Crow"-Film Regie zu führen?
Puh, nun habe ich diesen ja gerade erst zur Welt gebracht. Ich glaube, ich brauche jetzt ein bisschen Zeit, um Urlaub zu machen, mich zu entspannen und darüber nachzudenken. Und natürlich müssen wir abwarten, wie es das Publikum sieht und ob es eine Nachfrage dafür gibt. Wir haben über das Vermächtnis von Filmen gesprochen - ich hoffe, dass dieser Film sein eigenes Vermächtnis haben wird.
Mit Rupert Sanders sprach Volker Probst
"The Crow" läuft aktuell in den deutschen Kinos
Quelle: ntv.de