Umstrittene Neuinterpretation "The Crow" flattert wieder durchs Kino


In "The Crow" geht es 2024 ziemlich blutig zu.
(Foto: picture alliance / COLLECTION CHRISTOPHEL)
Noch heute wird der 30 Jahre alte Streifen "The Crow" als Kultfilm gefeiert, auch und gerade wegen des tragischen Tods seines Hauptdarstellers Brandon Lee. Regisseur Rupert Sanders interpretiert die Geschichte nun neu - und setzt sich damit bei Die-Hard-Fans in die Nesseln. Zu Recht?
Als Alec Baldwin vor knapp drei Jahren am Set des Westerns "Rust" versehentlich eine Kamerafrau erschoss, kam auch die Erinnerung an "The Crow" wieder hoch. Schließlich war Hauptdarsteller Brandon Lee 1993 unter ganz ähnlichen Umständen ums Leben gekommen. Auch er starb inmitten der Dreharbeiten durch einen Schuss, weil die Filmcrew unsachgemäß mit Patronen hantiert hatte. Der Film wurde im Jahr darauf - vor mittlerweile genau 30 Jahren - dennoch in die Kinos gebracht. Bei Szenen, die zum Zeitpunkt von Lees Tod noch nicht gedreht waren, wurde getrickst oder mit einem Double nachgeholfen.
Der mystische Hauch, der wegen des Tods des damals erst 28 Jahre alten Schauspielers den Film umgibt, dürfte einer der Gründe sein, weshalb der Streifen unter der Regie des Australiers Alex Proyas bis heute Kultstatus genießt. Hinzu kommt der Gothic-Charme, der bei vielen gut ankommt. Und ein phänomenaler Soundtrack mit Songs von Bands wie Rage Against The Machine, Stone Temple Pilots oder Nine Inch Nails mit einem Joy-Division-Cover.
Nicht wirklich zur Verehrung des Films von 1994, der auf einer Graphic Novel des US-Zeichners James O'Barr basiert, dürfte - oder sollte zumindest - hingegen die Erzählung an sich beitragen. Heute betrachtet, muss man leider feststellen, dass der Streifen in dieser Hinsicht nicht wirklich gut gealtert ist. Dazu trieft viel zu viel Pathos und Overacting aus nahezu jeder Ritze. Und wenngleich der Sohn von Martial-Arts-Legende Bruce Lee damals als hoffnungsvoller Nachwuchsstar galt, muten Brandon Lees schauspielerische Fähigkeiten in der Rückschau dann doch auch eher begrenzt an.
Von einem Remake kann keine Rede sein
So gesehen, war es eigentlich gar keine schlechte Idee, "The Crow" noch einmal in einem neuen, modernen und zeitgemäßen Gewand wiederzubeleben. Erste Ideen dazu soll es bereits 2007 gegeben haben. Bis es dann jedoch wirklich dazu kam, sollten noch viele Jahre, potenzielle Regisseure, mögliche Hauptdarsteller und Drehbuchvarianten verschlissen werden. Erst jetzt, 2024, ist aus der Neuninterpretation des Racheepos unter der Regie von Rupert Sanders und mit Bill Skarsgård in der Rolle des von den Toten auferstandenen Eric Draven Realität geworden.
Während sich Proyas und sein Team 1994 im Großen und Ganzen noch an der Original-Geschichte der Graphic Novel orientierten, macht sich Sanders von ihr weitgehend frei. Von einem Remake kann deshalb eigentlich auch keine Rede sein, schon eher von einer Art Reboot, wenn überhaupt. Der britische Regisseur verwendet (sehr!) viel Zeit darauf, die Liebesgeschichte zwischen Draven und seiner Seelenverwandten Shelly Webster, dargestellt von Popstar FKA Twigs, zu erzählen, ehe auch er den Racheengel endlich von der Leine lässt. Nachdem das Paar einem grausamen Mordanschlag zum Opfer gefallen ist, kehrt Draven aus dem Jenseits zurück, um Vergeltung an seinen und Shellys Peinigern zu üben und so Frieden mit seiner Geliebten zu finden …
Anders als im Comic und 90er-Jahre-Streifen heißt der Ober-Bösewicht nicht Top Dollar, sondern Vincent Roeg (Danny Huston). Auch dessen Schergen haben mit Figuren wie Fun Boy, Tin Tin oder T-Bird, mit denen es noch Brandon Lee zu tun bekommen hatte, nichts gemein. Dass sich Sanders inhaltlich nahezu vollständig von der Vorlage entkoppelt, mag man ihm vielleicht sogar noch verzeihen. Wirklich irritierend ist aber, dass sogar ursprünglich zentrale "The Crow"-Motive zur Randnotiz werden. Schon rein optisch gleicht Skarsgård dem Comic-Helden kaum. Sein Rache-Make-up legt er erst ganz zum Schluss auf. Und auch die Krähe kann sich noch nicht mal wirklich Nebenfigur schimpfen.
Proteste im Netz
Noch bevor eine erste Szene des neuen "The Crow"-Films überhaupt zu sehen war, regte sich unter Die-Hard-Fans des Originals heftiger Widerstand. Doch nicht nur im Netz wurde ordentlich Stimmung gegen den Streifen gemacht, sogar Alex Proyas meldete sich mit der Forderung zu Wort, nicht an Brandon Lees Vermächtnis zu rühren. Sanders hätte sie alle eines Besseren belehren können - ist daran aber leider kläglich gescheitert.
Tatsächlich will seine Vision von "The Crow" so gar nicht zünden - und das, obwohl sich zumindest sein Soundtrack mit Liedern von Foals, Gary Numan oder Joy Division höchstpersönlich ebenfalls hören lassen kann. Skarsgård - eigentlich Profi darin, Fieslinge und harte Hunde zu spielen - wirkt in seiner Rolle deplatziert. Sein Zusammenspiel mit FKA Twigs bleibt bei inhaltsleeren Dialogen schwach. Abgesehen von der Liebesgeschichte der beiden schrumpft "The Crow" auf ein reichlich banales Splatter-Movie mit viel Blut und ohne jedwede Aura zusammen. Der Versuch, das Ganze mit Dravens Ausflügen zum Ober-Guru Kronos (Sami Bouajila) in die Zwischenwelt irgendwie mythologisch aufzuladen, erweist sich ebenfalls als Flop.
Ist "The Crow", wie manche im Internet spotten, also tatsächlich der schlechteste Film des Jahres? Sagen wir mal so: Er zählt definitiv nicht zu den besten Filmen, die bisher gemacht wurden. Aber - auch wenn einige dagegen sicher empört protestieren werden - das tut der Originalfilm auch nicht. Über 100 Minuten Zeit zu investieren, lohnt sich leider in keinem der beiden Fälle so wirklich.
"The Crow" läuft ab sofort in den deutschen Kinos
Quelle: ntv.de