"Becoming Karl Lagerfeld" Brühl: "Mir hat er das persönlich nie gesagt"
06.06.2024, 15:33 Uhr Artikel anhören
Daniel Brühl schlüpft für Disney+ in die Rolle von Karl Lagerfeld.
(Foto: Disney+)
"Was würde der Karl wohl heute machen?" Wenn du dir diese Frage an einem drehfreien Tag stellst, dann weißt du, dass du in deiner Rolle als Karl Lagerfeld wirklich angekommen bist. Tatsächlich hat sich Schauspieler Daniel Brühl vor dem Dreh der Disney+-Serie "Becoming Karl Lagerfeld" (ab 7. Juni) so intensiv darauf vorbereitet, den Modezar zu spielen, dass dieser ihn auch nach Drehschluss manchmal nicht losgelassen hat. Im Interview mit ntv.de verrät der 45-Jährige, mit wie viel Liebe zum Detail er sich der Figur Karl Lagerfeld angenähert hat und warum die Liebesgeschichte zwischen dem Designer und dem jungen Adligen Jacques de Bascher zu dem Schönsten gehört, was er je drehen durfte.
ntv.de: Wie hast du dich auf deine Rolle als Karl Lagerfeld vorbereitet?
Daniel Brühl: Es war natürlich ein Riesen-Berg am Anfang - aber genau darauf hatte ich ja auch Lust. Etwas zu machen, was ich vorher noch nie gemacht habe. Das war erst einmal ganz viel Recherche. Ich habe drei verschiedene Biografien über ihn gelesen, die sich teilweise heftig widersprachen, weil Karl Lagerfeld ja auch immer wieder eigene Versionen über sein Leben entworfen hat. Da muss man dann seinen eigenen Zugang finden. Das fand ich spannend. Dann gab es zum Glück ganz viel Material über ihn als jungen Mann, weil er schon damals ein großer Self-Promoter war. Ich fand es irre, wie er aussah! Mit seinem dichten Haar und dem dunklen Bart. Wie ein Italiener und gar nicht mit dem gepuderten Pferdeschwanz und der verspiegelten Brille wie später. Seinen körperlichen Ausdruck und seine Sprache als junger Typ zu sehen, hat auf jeden Fall viel geholfen. Und dann natürlich Leute in Paris zu treffen, die ihn persönlich kannten. Das war mir besonders wichtig. Dann habe ich eine Zeichenlehrerin gehabt und ich habe ganz viel angefangen, selbst zu zeichnen, zum Schluss sogar meine eigene Kollektion. Davon habe ich drei Skizzen aufgehoben, die ich ganz besonders fantastisch finde. (lacht) Bei Chloé haben sie mir einen Crashkurs in Sachen Mode gegeben und ich durfte in jede Abteilung mal reinschnuppern.
Nach der theoretischen Vorbereitung kommt dann aber die Praxis, oder?
Irgendwann muss man das alles aber beiseiteschieben und sich reinbegeben. Man muss eine Körperlichkeit finden, einen richtigen Ausdruck, eine richtige Sprache. Französisch spreche ich zum Beispiel anders als Karl Lagerfeld. Ich habe das als Kind schon gelernt, wollte aber diese Abgehackte von ihm hinkriegen. Insgesamt war die Vorbereitung eine Menge Arbeit, die aber Spaß gemacht und mich auch persönlich bereichert hat, weil Karl Lagerfeld eine so spannende Figur ist. Ich habe mich mit ihm nie gelangweilt. In Paris, an meinen freien Tagen, habe ich mich immer gefragt: "Was würde der Karl wohl heute machen?"
Genau wie in deiner Rolle als Niki Lauda spielst du auch in "Becoming Karl Lagerfeld" jemanden, den viele Menschen noch persönlich erlebt haben. Was sind die Herausforderungen dabei?
Damals bei Niki Lauda habe ich schnell gemerkt, dass ich ihn kennenlernen muss, um ihn spielen zu können und um wirklich Zugang zu ihm zu finden. Zum Glück hat er aufgemacht - er war ja nicht der emotionalste Mensch. Wir sind auch bis zum Ende hin in Kontakt geblieben. Bei Lagerfeld war es wichtig, Leute zu treffen, die ihn in der Etappe, um die es in der Serie geht, kannten. Bei ihm fiel mir auf: Es gibt viele Karl-Experten. Doch bei näherem Nachfragen kam dann oft heraus, dass sie ihn gar nicht so gut kannten. Ich habe ihn ja auch nur einmal getroffen, das macht mich ja nicht zum Experten. Ich denke, er war gut darin, einem das Gefühl zu geben, dass er einen schnell in die Arme schließt. Da denkt man schnell: "Ach, ich kenne Karl so gut." Ich habe mir ganz genau ausgesucht, wen ich als Berater wollte. In meinem Fall war das Patrick Hourcade, der auch ein Buch über ihn geschrieben hat und ihn sehr eng mit Jacques de Bascher erlebt hat. Der war irre. Er hat mir wichtige Sachen mitgegeben.
Inwieweit haben die tollen Kostüme bei "Becoming Karl Lagerfeld" dabei geholfen, in seine Rolle zu schlüpfen?
Bei einer Serie über Mode ist es natürlich fundamental wichtig, dass das Kostüm auch stimmt. Und da haben wir mit Pascaline Chavanne die beste Kostümdesignerin gehabt. Es waren Tausende von Kostümen. Teilweise Originale, teilweise detailgetreu nachgeschneidert. Aber auch da die Rückfälle: Als ich das erste Mal die roten Stiefel anhatte und mich im Spiegel gesehen habe, habe ich erst mal an Kölner Karneval gedacht und zu mir gesagt: "Ich glaube mir das null!" Ich sah aus wie verkleidet. Aber auch da musste man reinwachsen. Und später, als wir in Paris gedreht haben und die Leute irritiert guckten, wie wir da alle in unseren 70s-Klamotten an ihnen vorbeiliefen, da war es irgendwann cool. Da habe ich auch die roten Stiefel mit Würde getragen.
Hast du etwas vom Set behalten?

Alles "too much", aber einen Fächer nahm Daniel Brühl vom "Becoming Karl Lagerfeld"-Set mit.
(Foto: Disney+)
Am Schluss, nachdem wir diese lange Reise zusammen genossen haben, wurde ich von Pascaline gefragt: "Und, was willst du denn jetzt von den Kostümen behalten?" Und ich habe gesagt: "Pascaline, ganz ehrlich – kein einziges Stück." Alles wäre too much. Am Ende habe ich dann einen Fächer geklaut.
Du hast Lagerfeld vor Jahren mal getroffen. Wie glaubst du, hätte ihm die Serie gefallen?
Wahrscheinlich würde er einen ironischen Kommentar abgeben. Es war ihm ja auch nie Recht, so viel Aufhebens um seine Person zu machen. Diese Frage habe ich daher schnell beiseitegeschoben. Mir wurde aber nach unserem Treffen vor 20 Jahren bei einem Fotoshooting gesagt, dass er mich wohl ganz nett fand. Mir hat er das persönlich nie gesagt, ich habe es jetzt erst erfahren. Und ich habe auch jetzt erst das Bild bekommen, das er damals von mir gemacht hat. Im Netz war es nirgends zu finden. Aber es wird mir jetzt geschickt. Ich will es unbedingt als Souvenir haben.
In "Becoming Karl Lagerfeld" steht die komplizierte Beziehung des Modezaren mit dem jungen Adligen Jacques de Bascher im Mittelpunkt. Warum denkst du, war Lagerfeld auf Gefühlsebene so reserviert und konnte diese Liebe nicht ausleben?

Hier stimmte die Chemie: Daniel Brühl als Karl Lagerfeld und Théodore Chouinard Pellerin als Jacques de Bascher.
(Foto: Disney+)
Ich denke, er hatte viele innere Konflikte. Eine wahnsinnig komplizierte Biografie. Ein Leben voller Widerstände. Er war ein deutsches Kriegskind. In den 50ern war es nicht besonders populär in Paris, Deutscher zu sein. Dann seine Homosexualität. Die strenge Erziehung der Mutter, die einerseits beschützend war, dann aber auch wieder sehr wertend und hart. Da war viel los. Mir war es wichtig, am Anfang einen großen Romantiker zu zeigen, bevor er sich selbst auch immer weiter schützte, auch durch diese Figur, die er da erfunden hat. Diesen Harnisch mit den Handschuhen, der verspiegelten Brille, diesem sich Abkapseln. Ich wollte einen durchlässigen, verletzlichen und unsicheren Menschen zeigen. Das war mir für die erste Etappe ganz wichtig. Weil er ganz sicher ein großer Romantiker war. Diese Liebesgeschichte mit Jacques war für mich als Schauspieler eine der schönsten Sachen, die ich je machen durfte. Die Chemie mit Théodore Chouinard Pellerin, der ihn spielt, war einzigartig. Da sind wahnsinnig schöne und wahrhaftige Momente entstanden, sicher die schönsten, die ich je drehen durfte.
Das bedeutet, du hast Lust auf eine zweite Staffel?
Die Anfrage war ja ursprünglich, dass ich mich für zwei Staffeln bereit erklärt habe. Man weiß es natürlich jetzt noch nicht, aber wenn es weitergeht, hatte ich immer im Kopf, dass man dann diesen interessanten Weg zu der Figur hingeht, die ich dann ja auch kennengelernt habe. Das wird schauspielerisch wieder eine schöne Herausforderung.
Mit Daniel Brühl sprach Claudia Spitzkowski
Quelle: ntv.de