Kaum Aufmerksamkeit, kaum Hilfe Afrika Spitzenreiter bei vernachlässigten Krisen
03.06.2024, 06:20 Uhr Artikel anhören
Nach einem Putsch 2022 wird Burkina Faso von einer Militärjunta regiert.
(Foto: dpa)
Jedes Jahr veröffentlicht der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) eine Liste der am meisten vernachlässigten Krisen der Welt. Es sind Krisen, in denen es an Geld zu ihrer Bewältigung mangelt, aber auch an Aufmerksamkeit der Medien und vor allem am Willen zu ihrer Lösung.
Das zweite Jahr in Folge ist Burkina Faso die international am meisten vernachlässigte Vertreibungskrise. Zu diesem Ergebnis kommt der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) in seinem jährlichen Bericht zu den vergessenen Krisen der Welt.
Die Liste der Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Oslo basiert auf drei Kriterien: Mangel an humanitärer Finanzierung, Mangel an Medienaufmerksamkeit und Mangel an internationalen politischen und diplomatischen Initiativen im Vergleich zur Anzahl der Menschen in Not.
"Die völlige Vernachlässigung von Vertriebenen ist zur neuen Normalität geworden", sagte Jan Egeland, Generalsekretär des NRC laut der Mitteilung. "Die politischen und militärischen Eliten vor Ort ignorieren das von ihnen verursachte Leid, und die Welt ist weder schockiert noch zum Handeln gezwungen angesichts von Geschichten der Verzweiflung und rekordverdächtigen Statistiken."
Keine Sicherheit, keine Schulen
Im seit 2019 von Konflikten heimgesuchte Burkina Faso setzte sich demnach die humanitäre Krise mit einer Rekordzahl von 707.000 neuen Vertriebenen innerhalb der Landesgrenzen im Jahr 2023 unvermindert fort. Die Zahl der Geflüchteten, die in den Nachbarländern Schutz suchten, hat sich den Angaben zufolge fast verdreifacht und liegt nach Angaben des UNHCR insgesamt bei 148.317. Die Zahl der gewaltsam getöteten Menschen habe sich im letzten Jahr auf über 8400 Tote verdoppelt.
Eine noch nie dagewesene Zahl von 42.000 Menschen litten in dem Land unter katastrophaler Ernährungsunsicherheit. Hunderttausende Menschen seien zudem von humanitärer Hilfe abgeschnitten. Bis zu zwei Millionen Zivilisten sind dem NRC zufolge in 39 abgeriegelten Städten im ganzen Land regelrecht gefangen, weil bewaffnete Gruppen Bewegungsverbote verhängten.
Bis zum Frühjahr 2023 wurden in Burkina Faso mehr als 6100 Schulen und bis zu 400 Gesundheitseinrichtungen geschlossen. 3,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner sind damit inzwischen ohne Zugang zur Gesundheitsversorgung - ein Anstieg um 70 Prozent gegenüber 2022.
Nur ein nichtafrikanisches Land
Die Krise in Kamerun steht an zweiter Stelle und ist seit 2018 jedes Jahr auf der Liste zu finden. Es folgen die Demokratische Republik Kongo, Mali und Niger, was bedeutet, dass zum ersten Mal alle drei Länder der zentralen Sahelzone unter den fünf am meisten vernachlässigten Krisen sind.
Als einziges nichtafrikanisches Land ist Honduras auf Platz 6 vertreten, das 2023 mit einer sehr komplexen Krise konfrontiert war. Die Menschen in dem Land leiden unter organisierter Kriminalität und Banden sowie den Auswirkungen von Klimafolgen, verfestigter Armut und Hunger. Im Jahr 2023 waren demnach 3,2 Millionen Menschen in Honduras auf humanitäre Hilfe angewiesen. Als schockierend bezeichnet der NRC die hohe Rate an Frauenmorden. Fast jeden Tag werde eine Frau getötet.
Die Weltgemeinschaft befinde sich in einem Zustand der Krisenmüdigkeit, konstatiert die Organisation. Erschütternde Bilder würden einfach "überblättert oder weggeklickt". Der NRC warnt jedoch davor, "die weltweit vernachlässigten Vertreibungskrisen als neue Normalität zu akzeptieren" und fordert stattdessen einen "Neustart des globalen Mitgefühls" und eine Ausrichtung auf die größten Nöte.
Quelle: ntv.de, sba