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App-Entwicklung läuft bereits Drosten sieht Ausweg aus Kontaktsperre

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Drosten setzt große Hoffnungen auf die mobile Anwendung.

(Foto: imago images/MiS)

Eine Smartphone-App als Alternative zum Lockdown? Wenn es nach dem Virologen Drosten geht, sieht so ein Szenario für eine langsame Rückkehr in den gewohnten Alltag aus. Die Entwicklung ist komplex, läuft aber bereits. Die größte Herausforderung kommt aber erst noch.

Einfach eine App auf dem Smartphone installieren, die eigenen Daten eintragen und abwarten, bis die App sich meldet. In der Theorie könnte damit die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamt werden, die praktische Umsetzung aber ist deutlich schwieriger. Obwohl eine solche Anwendung derzeit noch nicht verfügbar ist, setzt Christian Drosten im Kampf gegen die Pandemie große Hoffnung in diese Technologie. Das sagte der Virologe der Berliner Charité im NDR-Podcast. Denn eine der größten Herausforderungen dabei, die Zahl der Neuinfektionen einzudämmen, ist Drosten zufolge, dass die "infektiöse Zeit" oft schon vor den ersten Symptomen beginne. Das heißt, eine infizierte Person kann bereits dann Menschen in ihrem Umfeld anstecken, bevor sie selbst ihre Infektion vermutet.

Wie soll die App funktionieren? Sie soll über die standardmäßig verbaute Funktechnik Bluetooth registrieren, wenn sich andere Mobiltelefone in räumlicher Nähe befinden. Ist dieser Kontakt nah genug für eine Infektion und dauert der Kontakt lange genug - also mehr als nur ein Aneinander-Vorbeigehen - soll er gespeichert werden. Natürlich anonymisiert, wie der Physiker Dirk Brockmann sagt, der für die Berliner Humboldt-Universität und das Robert-Koch-Institut arbeitet und dort Modellrechnungen und Prognosen für den Pandemie-Fall entwickelt: "Da gibt es sehr hohe technologische Hürden und datensicherheits-technische Hürden, die genommen werden müssen, aber technologisch ist so was möglich und so etwas wird auch entwickelt." Er war ebenfalls im Podcast zu Gast.

App verfolgt Kontakte anonymisiert zurück

Aktiv werden soll die App dann durch freiwillige Eingaben des Benutzers, wie der Virologe erklärt: "Was zunächst angedacht ist, ist, dass die App einen Diagnostik-Vorgang auslöst. Also wenn ich eingebe, ich habe Symptome, dann sagt die App: 'Bitte zum Labor gehen und einen Test machen.'" Einen Nutzungszwang lehnen sowohl Drosten als auch Brockmann ab.

Wenn das Ergebnis vorliegt, könne es ebenfalls dort eingegeben werden. Bei einem positiven Test "würde die App sagen: 'Jetzt wird zurückverfolgt'."

Die Software würde dann alle Kontakte, die potenziell infiziert sein könnten, informieren. Und zugleich bitten, sich in Quarantäne zu begeben. Dabei geht es nicht um Kontakte, wie sie im Adressbuch des Mobiltelefons gespeichert, sondern Kontakte, die die App registriert, ohne dass Rückschlüsse auf die Benutzer möglich sind. Brockmann erklärt: "Man muss bei solchen Apps natürlich darauf achten, dass die Daten sicher sind, dass das anonymisiert passiert."

Für Drosten biete eine solche Technologie gleich mehrere Vorteile: "Worum es ja vor allem geht, ist Geschwindigkeit zu gewinnen. Schneller zu sein als jemand, der sich im Gesundheitsamt hinter das Telefon klemmt. Dadurch verliert man einfach in diesem schnellen Übertragungsgeschehen, das wir hier offenbar haben, zu viel Zeit." Stattdessen würde die App automatisiert Benachrichtigungen verschicken.

Das Ziel: Viele Menschen vom Mitmachen überzeugen

Zugleich biete die Anwendung aber auch einen Ausweg aus den derzeit geltenden restriktiven Kontakteinschränkungen. "Diese Art von Fallverfolgung ist der Ausweg, den wir denken müssen, wenn wir aus diesem Lockdown raus wollen, aus diesen Kontaktsperre-Maßnahmen." Denn eine einfache Rückkehr zum Alltag vor der Pandemie sei undenkbar: "Dann muss man ein anderes Werkzeug haben", in diesem Fall die App.

Darüber hinaus sei es so möglich, wesentlich gezielter einzugreifen als mit städte-, landes- oder sogar bundesweiten Eingriffen und Ausgangssperren. Statt diese wie aktuell mit einem zeitlichen Rahmen zu erlassen, - derzeit gilt die Kontaktbeschränkung bis zum 19. April - ist es laut Drosten denkbar, dann dort einzugreifen, wo sich das Coronavirus gerade ausbreitet. Das könne dann ein Stadtteil sein, eine Siedlung, eine Häuserreihe oder ein Freundes- und Bekanntenkreis. Bei rein zeitlichen Rahmen sieht der Virologe die Gefahr, dass nach der Lockerung die Fallzahl wieder ansteigt und dann ein neuer Lockdown folgt. Daraus einen sich wiederholenden Kreislauf entstehen zu lassen, hält Drosten für nicht vermittelbar.

"Deswegen ist mein laienhaftes Verständnis, dass so eine Mobilfunk-App einfach hermuss und möglichst viele Leute überzeugt werden sollten, da mitzumachen", resümiert Drosten. Wie lange die Entwicklung dauert, kann aber auch der als Fachmann eingeladene Brockmann nicht beantworten. Die Technologie gebe es grundsätzlich, die Umsetzung sei aber kompliziert. Zumal er es für unabdingbar hält, die Bevölkerung umfassend zu informieren und von der Teilnahme zu überzeugen. Einerseits, weil diese freiwillig sein müsse und andererseits, weil die App, um ihren Zweck zu erfüllen, idealerweise von mehr als der Hälfte aller Menschen in Deutschland installiert und genutzt werden müsse: "Es geht darum, ein System zu schaffen, in dem Menschen sehr transparent informiert werden, wie das funktioniert."

Quelle: ntv.de, tsi

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