Trump, Musk, Milei Wie männlich ist die Kettensägenpolitik?
27.03.2025, 16:32 Uhr Artikel anhören
Sie denken nicht lange nach, sie machen einfach. Der Gestus, mit dem in den USA Präsident Trump und sein Berater Musk Politik machen, beeindruckt viele - auch in Europa. Aber sind das nicht einfach nur klassische männliche Posen?
Es ist 2015, als plötzlich alle über "Disruption" reden. Uber rollt gerade den Taximarkt auf - ohne eigene Taxis. Airbnb krempelt das Geschäft mit Ferienwohnungen und Hotels um. Junge Unternehmen zerrütten mit scheinbar nichts als einer genialen Idee ganze Branchen. Einreißen, Neubauen. So wird Disruption damals verstanden. Menschen mit Geld stecken viel davon in dieses Prinzip.
Nun, zehn Jahre später, hat die Disruption ihren Weg in den politischen Raum gefunden - mit Macht. Zerrüttet wird heutzutage mit der Kettensäge. Der argentinische Präsident Javier Milei hat sie eingeführt - als Symbol für die Beschneidung des Sozialstaates, der Staatsausgaben, der Bürokratie. Auch Elon Musk schwang zuletzt auf US-Bühnen demonstrativ die Kettensäge.
Diese "Geste der Tatkraft und der Entschlossenheit" sei hochattraktiv, sagt der Kulturwissenschaftler Lars Koch im Gespräch mit ntv.de - gerade für Menschen, die um ihre Privilegien fürchteten: insbesondere weiße Männer. Koch ist Mitherausgeber eines 2019 erschienenen Forschungsbandes über den US-Präsidenten Donald Trump und dessen Medienstrategien. Das Buch heißt "The Great Disruptor" und wurde 2023 neu aufgelegt.
"Inszenierung eines Befreiungsschlages"
Laut Koch richten sich Symbole wie die Kettensäge an Menschen, die die Welt nicht mehr verstünden, denen die Gegenwart zu komplex und undurchsichtig geworden sei: Die Kettensäge verspreche, mit den verschlungenen Komplexitäten aufzuräumen: "Und das ist dann die Disruption, die Inszenierung eines Befreiungsschlages."
Warum aber begeistert diese Androhung radikaler Zerstörung so viele Menschen? Einen Teil der Attraktivität von Disruption machten männliche Dominanzgesten aus, sagt Koch - der zur Schau gestellte Mut zum Handeln. Musk und Trump produzierten mit Kettensäge und Abschiebeflügen starke Bilder.
"Auf eine völlig komplexitätsreduzierte Art und Weise", so Koch, machten sie ihrem Publikum klar: Wir tun etwas. Gegen die überbordende Bürokratie, gegen die korrupten Eliten und die bedrohlichen Migranten. Das spricht Männer mehr an als Frauen, dennoch haben bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen 45 Prozent der Frauen Trump gewählt. Das sind immerhin rund 34 Millionen Menschen.
Vorstellungen männlicher Wehrhaftigkeit
Möglicherweise sind eben nicht nur Männer empfänglich für überzeichnete Gesten männlicher Dominanz. Möglicherweise hat aber auch die Soziologin Jutta Allmendinger recht, wenn sie erwidert: "Dieses Auftreten ist als solches nichts ausschließlich Männliches." Im Gespräch mit ntv.de sagt Allmendinger, was Trump und Musk in den USA betrieben, sei vor allem die Verteidigung alter Werte.
Auch Koch sagt: "Neu sind die von Trump verbreiteten Bilder nicht." Wenn der US-Präsident über Migration rede, erinnere das an das rechtsextreme Angstszenario nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, so der Forscher. An die "vermeintlich wogenden Fluten aus dem Osten, die die Grenze Deutschlands bedrohen und mit Waffengewalt aufgehalten werden müssen". An übliche Vorstellungen männlicher Wehrhaftigkeit, die neu belebt und an die Situation angepasst worden seien.
Neu sei nur die "Intensität der Zirkulation" dieser Bilder. Trump und Musk fluten das Internet, TV-Sender und Zeitungen. Sie liefern Material, das besprochen, vervielfältigt und weiterverarbeitet wird. In diesem Wasserfall der Informationen funktionieren rationale, überprüfbare Argumente kaum. Es gehe um "Affektbilder", so nennt der Forscher die sofort verständlichen Gesten und sprachlichen Figuren, die nicht über durch das Hirn laufen, sondern durch das Herz.
"Angst wird in Furcht übersetzt und mit Hass angereichert"
"Angst ist ein sehr drängendes Gefühl, das aber keine spezifische Adresse hat", sagt Koch. Trump wandle erfolgreich diffuse Ängste in konkrete Furchtszenarien um. Aus Überforderung, aus Angst vor Globalisierung und um Privilegien werde so Furcht vor Überfremdung und Verweichlichung. Daran knüpfe Trump Handlungsversprechen: Ausgrenzung, Verfolgung, Zurückweisung. "So hat man im Prinzip eine Affektkaskade, die Angst einsammelt, in Furcht übersetzt und das dann mit Hass anreichert", so Koch.
Die gleichen Mechanismen beobachtet die Soziologin Allmendinger auch in Europa. Dafür verantwortlich seien in vielen Fällen Frauen: Marine Le Pen, Giorgia Meloni, Alice Weidel. AfD-Chefin Weidel hatte zuletzt ihren Tonfall noch einmal verschärft, bekannte sich unter Jubel zum Begriff "Remigration" und kündigte am Abend der Bundestagswahl an, die künftige Bundesregierung zu "jagen". Allmendinger sagt mit Bezug auf die Spitzenpolitikerinnen am rechten Rand: "Diese Frauen reden auch hart und sind dabei äußerst erfolgreich."
Für Allmendinger ist das nicht disruptiv, sondern einfach nur rechts und reaktionär. Die Soziologin sieht in Trumps und Musks Handeln ein "Verleugnen der Komplexität unserer Welt." Trump und seine Anhängerschaft verkröchen sich in "Trutzburgen, die es eigentlich überhaupt nicht mehr gibt".
Merz ganz im Stile Trumps
Das fasziniert offenbar auch Politiker der deutschen Unionsparteien: Kanzlerkandidat Friedrich Merz versprach nach dem Attentat von Aschaffenburg "ausnahmslose" Zurückweisungen Asylsuchender an der Grenze, am ersten Tag seiner Kanzlerschaft. Ganz im Stile Trumps, der am ersten Tag seiner Amtszeit medienwirksam Dutzende Dekrete unterzeichnete. CSU-Chef Markus Söder äußerte sich auf dem CDU- Parteitag, man könne über Trump sagen, was man wolle, aber beeindruckend sei der US-Präsident schon.
Die Trump-Faszination erklärt Kulturwissenschaftler Koch mit dem "gefühlten Moment der Ermächtigung", das die harten Ansagen, das Unbedingte und Rücksichtslose erzeugten - auch, wenn sie niemanden wirklich ermächtigten. Das Gefühl reicht erst einmal aus. "Die Eliten, die Wokeness, die Bürokratie, das fällt affektiv alles in eins", beschreibt Koch den ersten Teil dieses Gefühls.
Der zweite: "All das verhindert, dass die Nation wehrhaft den Feinden entgegentreten kann - den inneren und den äußeren Feinden." In Deutschland propagiere dieses Bild zum Beispiel der rechtsextreme AfD-Politiker Björn Höcke. "Das ist immer derselbe Sound", sagt Koch: "Moderne bedeutet Korruption, Korruption des Männlichkeitsethos und der Kriegsfähigkeit. Der Mann soll wieder mannhaft werden."
Quelle: ntv.de