Spionage-Fall im EU-Parlament AfD-Politiker Krah macht Ermittlern Vorwürfe
29.04.2024, 14:37 Uhr Artikel anhören
Krah hält den Zeitpunkt der Spionage-Affäre in seinem Büro für fingiert.
(Foto: picture alliance/dpa)
Sein Mitarbeiter soll für China spioniert haben, ihm selbst wird auffällige Russlandnähe vorgeworfen: Maximilian Krah steht schwer unter Druck. Der Spitzenkandidat der AfD zur Europawahl aber wähnt sich als Opfer einer Intrige. Die Sicherheitsbehörden hätten sich "pflichtwidrig" verhalten.
Am Wochenende feierte die AfD in Donaueschingen den Auftakt ihres Europawahlkampfes ohne ihren Spitzenkandidaten. Doch Maximilian Krah will weiter auf Platz eins der Liste in das EU-Parlament einziehen und vermutet hinter der Festnahme seines unter Spionageverdacht stehenden Mitarbeiters Jian G. ein Komplott. "Mich haben die Sicherheitsbehörden pflichtwidrig zu keinem Zeitpunkt gewarnt oder informiert", sagte Krah dem "Stern" und RTL/ntv. Die Sicherheitsbehörden haben offensichtlich Kenntnisse gehabt, haben mich nicht informiert und lassen die Bombe kurz vor dem Wahltermin platzen. Das ist schon bemerkenswert."
Zeitpunkt und Art und Weise des Handelns seien "kein Zufall", sagte Krah. "Ich hoffe, dass man das auch dann glaubt, wenn man nicht AfD-affin ist." Welche Pflicht genau die Sicherheitsdienste ignoriert haben sollen, ließ Krah offen. Allerdings sind gegen ihn selbst wiederholt Vorwürfe auffälliger Nähe zu China und Russland laut geworden. Krah war in diesem Zusammenhang vom FBI befragt worden. Die Staatsanwaltschaft Dresden nahm zudem Vorermittlungen auf.
Den Vorwurf, der Zeitpunkt der Festnahme von Jian G. sei gezielte Wahlkampfeinmischung, hatten zuvor schon andere AfD-Vertreter erhoben. Dem widersprach Bundesjustizminister Marco Buschmann am Sonntag in der ARD. Die Justiz handele "nicht nach irgendwelchen politischen Erwägungen", sondern "ausschließlich auf der Basis von Recht und Gesetz", sagte der FDP-Politiker. Wenn ein Haftbefehl erlassen und Untersuchungshaft angeordnet werde, bestehe ein "sehr, sehr hoher Verdachtsgrad" und außerdem "die Gefahr, dass jemand ansonsten sich aus dem Staub macht oder Beweise beiseiteschafft".
Krah bietet Zusammenarbeit an
Krahs Mitarbeiter Jian G. sitzt wegen des Vorwurfs der Spionage für China in Untersuchungshaft. Ihm wird Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall vorgeworfen. Die Bundesanwaltschaft bezeichnete G. als "Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdiensts". Er soll im Januar 2024 wiederholt "Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europäischen Parlament an seinen nachrichtendienstlichen Auftraggeber" weitergegeben haben. Zudem wird ihm vorgeworfen, für den Geheimdienst chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht zu haben.
Im Gespräch mit dem "Stern" und RTL/ntv bot Krah den Behörden seine Zusammenarbeit an, um den Fall aufzuklären. "Ich werde von mir aus proaktiv den Kontakt zur Bundesanwaltschaft suchen. Zum einen, um aufzuklären, was ist. Aber auch, um ein Gespräch darüber zu führen, inwieweit ich bei der Aufklärung helfen kann", sagte der 47-Jährige. Krah betonte, von seinem Mitarbeiter schwer enttäuscht zu sein. "Ich muss zugeben, dass ich schockiert bin."
"Sensible" und "gesperrte" Dokumente abgerufen
Krahs Büro hat einem Bericht des "Spiegel" zufolge im Handelsausschuss des Europaparlaments in den vergangenen Jahren mehrfach geheime Dokumente über die EU-Außenwirtschaft abgerufen. Dies habe eine interne Untersuchung der Ausschussverwaltung über die Nutzung des sogenannten Sharepoints des Gremiums ergeben, schrieb der "Spiegel". Die Abgeordneten haben über den Sharepoint Zugang zu EU-Dokumenten.
In EU-Parlamentsausschüssen sind die Dokumente den Angaben zufolge in drei Vertraulichkeitsstufen eingeordnet. Der Auswertung der Ausschussverwaltung nach habe das Büro Krahs mehrfach Dokumente angefordert, die als "sensibel" oder "gesperrt" eingestuft waren. Dazu hätten etwa Analysen der Außenhandelsstrategien von Partnerstaaten oder Dokumente über den Verlauf von Handelsgesprächen gehört. Papiere, die als "vertraulich" gestempelt waren, habe Krahs Büro nicht angefordert. Ob der AfD-Politiker, der Spitzenkandidat für die Europawahl seiner Partei ist, persönlich oder seine Assistenten die Dokumente abgerufen haben, gehe aus der Analyse nicht hervor.
AfD-Chef hält sich alle Optionen offen
Krah antwortete dem "Spiegel" zufolge nicht auf eine Nachfrage, ob Jian G. als Mitarbeiter Zugang zum Sharepoint hatte. Auch Krahs Darstellung gegenüber "Stern" und RTL/ntv ist in dieser Frage nicht eindeutig: "Herr G. hatte keinen Zugang zu geheimen Dokumenten oder geschlossenen Runden. Und er hat auch nie danach gefragt. Das heißt, sein gesamtes Wissen erstreckt sich auf frei zugängliche Quellen und das, was er selbst aufgeschnappt hat im Rahmen unserer Bürogespräche oder öffentlicher Veranstaltungen." Mehrere Abgeordnete hatten dem "Spiegel" gesagt, dass der Zugang zum Sharepoint für die Mitarbeiter übliche Praxis im Parlament sei.
In Donaueschingen sprach AfD-Chef Tino Chrupalla am Samstag von einem "Sturmfeuer", dem die AfD ausgesetzt sei. Es sei "abenteuerlich, mit welchen Mitteln die Partei zersetzt werden" solle. Am Ende werde die AfD aber gestärkt aus diesem "Politthriller" hervorgehen, sagte Chrupalla. "Wir werden darauf achten, dass Meinungen und Positionen in der AfD niemals käuflich sein werden", sagte der Co-Vorsitzende neben Alice Weidel. "Wer nachweislich käuflich ist, der muss auch gehen", so Chrupalla, fügte aber hinzu: "Es muss auch bewiesen und nachgewiesen werden."
Quelle: ntv.de, shu/AFP