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Krahs Werk und Höckes Beitrag Und plötzlich hat die AfD-Führung ein Problem

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Damals noch Arm in Arm: Krah, Chrupalla und Weidel auf dem Europaparteitag in Magdeburg.

Damals noch Arm in Arm: Krah, Chrupalla und Weidel auf dem Europaparteitag in Magdeburg.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der AfD-Europaspitzenkandidat Maximilian Krah bleibt auf Listenplatz eins, ist aber erstmal raus aus dem Wahlkampf. Der gewählte Mittelweg angesichts der Spionage-Vorwürfe gegen Krahs Mitarbeiter rückt die beiden Vorsitzenden Chrupalla und Weidel in den Fokus: Krah war auch ihr Kandidat - trotz Warnungen.

Immer, wenn es in der AfD um richtig was geht, meldet sich auch der Mann vom Rittergut Schnellroda zu Wort: Götz Kubitschek. Der Vordenker der völkisch-nationalistischen Szene, Netzwerker und Vertraute des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke hat zu den Vorgängen um den Spitzenkandidaten der Rechtsradikalen für die Europawahl eine klare Meinung: "Es geht darum, die einzige Opposition in Deutschland an der Machtbeteiligung zu hindern, ihren Erfolg zu verhindern", schreibt der Leiter des vom Verfassungsschutz beobachteten Instituts für Staatspolitik auf seinem Blog. Die Lehre aus den Vorwürfen gegen Maximilian Krah laute: "Vor allem sollte sich kein AfD-Politiker von irgendjemandem, der außerhalb der Partei steht, in eine Abgrenzung zu denjenigen Parteifreunden treiben lassen, die in zwei und in vier Monaten als Spitzenkandidaten zur Wahl stehen."

Die Intervention aus Schnellroda aber verhallt: Am Tag nach Kubitscheks Wortbeitrag gibt die AfD bekannt, dass sie den Europawahlkampf erst einmal ohne Krah bestreiten werde. Der soll in die zweite oder dritte Reihe rücken. Krah bleibt zwar formal Spitzenkandidat. Die Ermittlungen gegen seinen Mitarbeiter wegen Spionage für China sowie Krahs persönliche China-Nähe sollen aber die Erfolgsaussichten am 9. Juni nicht weiter gefährden. Zwischen Krah und der Parteidoppelspitze aus Alice Weidel und Tino Chrupalla soll es sogar richtig gekracht haben. Dennoch scheint die Distanzierung vor allem taktischer Natur zu sein: Zu einem Verzicht auf seine Kandidatur haben die Parteivorsitzenden Krah nicht gedrängt.

Die Erzählung von der BND-Falle

Vielmehr dringt aus der AfD eine Erzählung, die sich in die ewige Selbstdarstellung der Partei als verfolgte Unschuld einreiht: Krah sei demnach von den politisch gesteuerten Sicherheitsbehörden eine Falle gestellt worden, die nun kurz vor der Europawahl zuschnappte. In den Worten Kubitscheks: "Wenn ein Chinese, der Mitarbeiter des Spitzenkandidaten der Opposition ist, als eine Art 'Schläfer' nach jahrelanger BND-Observation zwei Monate vor einer Wahl als Spion enttarnt wird, dann ist das ein durchsichtiges Manöver."

Aus der Partei dringt die Frage, warum der Bundesnachrichtendienst (BND) Krah nicht früher über den schwerwiegenden Verdacht gegen dessen Assistenten Jian G. gewarnt habe? Das sei in anderen Fällen so geschehen. Doch angesichts von Krahs China-Lobbyismus ist es durchaus plausibel, dass die Sicherheitsbehörden den AfD-Rechtsaußen nicht eingeweiht haben. Schließlich gehen sowohl Sicherheitsexperten als auch Politiker anderer Parteien davon aus, dass die bekannt gewordenen Fälle zu großer Nähe zwischen AfD-Vertretern einerseits und Russland und China andererseits nur die "Spitze des Eisbergs" darstellen. Denkbar, dass auch Krah selbst sowie andere Parteimitglieder unter Verdacht standen, bei ihrer Nähe zu den autoritären Staaten die Grenze des Erlaubten überschritten zu haben.

Die Geschassten sehen sich bestätigt

Für die AfD ist der Vorgang heikel, insbesondere für ihre Führung. Innerparteiliche Kritik wird bislang vor allem von jenen laut, deren Karriere in der AfD aus unterschiedlichen Gründen am Ende ist, etwa von den Europaabgeordneten Nicolaus Fest und Sylvia Limmer. Fest und andere wollen die Parteichefs Chrupalla und Weidel wiederholt vor Krah gewarnt haben. Dessen auffällige China-Nähe war im Europaparlament und auch in Teilen der AfD-Bundestagsfraktion ein offenes Geheimnis. "Sie wurden mehrfach darauf hingewiesen, dass dies ein, ich sag mal: Blindgänger ist, der jederzeit hochgehen kann", sagte Fest im RTL-"Nachtjournal". Die beiden Parteivorsitzenden hätten sich aber über alle Warnungen hinweggesetzt.

Limmer warf den Vorsitzenden vor, sich wegzuducken, statt eine klare Entscheidung gegen Krah zu treffen. "Das ist insoweit verstörend, weil die Vorwürfe oder die Ungereimtheiten um die Person Maximilian Krah dem Bundesvorstand in Gänze bekannt waren", sagte sie dem Deutschlandfunk. Die aus der AfD ausgetretene Bundestagsabgeordnete erinnerte auf Twitter an ihre Austrittserklärung: "Die Anbiederung der AfD an die diktatorischen und menschenverachtenden Regime in Russland, China und jetzt auch den Iran sind einer aufrechten patriotischen Partei unwürdig. Zu oft habe ich in den letzten Jahren mitbekommen, wie führende Funktionäre gerade für diese Länder Lobbypolitik gemacht haben", schrieb Joana Cotar, die in der AfD verschiedene Spitzenämter innehatte, bereits im November 2022.

Wer dagegen nicht im Abseits steht, schweigt dieser Tage auffällig. Kubitscheks Diktum, sich nicht in eine Distanzierung von den eigenen Leuten treiben zu lassen, wird unterhalb der Parteiführung weitgehend beherzigt - und sei es nur abwartend, wie sich die Vorwürfe entwickeln. Doch in der Bundestagsfraktion rumort es nach Informationen von ntv durchaus. Die Gegner von Weidel und Chrupalla sehen sich durch die halbgare Loslösung von Krah in ihren Vorbehalten bestätigt, wenn man sich damit auch nicht zitieren lassen möchte. Möglich, dass dieser Frust dennoch bald nach außen dringt.

Nicht alle wollten Krah

Das Muster, wie Chrupalla und Weidel mit Vorwürfen gegen ihre eigenen Leute umgehen, war am Sonntag in der Sendung von Caren Miosga zu beobachten. "Kenne ich nicht, weiß ich nicht, wäre nicht meine Wortwahl", lassen sich Chrupallas Antworten zusammenfassen, als Miosga ihn mit verschiedenen Äußerungen des Kandidaten Krah konfrontierte. Dass das Spitzenduo aber nicht gewusst habe, wer da zur Europawahl das Gesicht der AfD sein würde, ist wenig glaubwürdig. Beide hätten Krah als Spitzenkandidaten gewollt, heißt es aus Parteikreisen. Umso heftiger fällt für AfD-Verhältnisse nun die öffentliche Distanzierung der Vorsitzenden von Krah aus. Wie dauerhaft dieser Abstand ist, hängt wohl ganz wesentlich davon ab, ob Krah durch Justiz und Medien noch weiter belastet wird.

Einer, der sich bisher nicht zur Causa zu Wort gemeldet hat, ist Krahs Verbündeter Björn Höcke. Der hat nämlich mit der Öffentlichkeitsarbeit zu seinem eigenen Verfahren wegen des wiederholten Ausrufens der NS-Parole "Alles für Deutschland" alle Hände voll zu tun. Dabei wäre Krah ohne die Unterstützung des einflussreichen Rechtsaußen aus Thüringen kaum Spitzenkandidat geworden. 65,7 Prozent sind kein starkes Wahlergebnis. 25 Prozent der Delegierten zogen einen auch innerparteilich völlig unbekannten Bezirksvorsitzenden, der überraschend als Gegenkandidat angetreten war, Krah vor. Der Rest der Delegierten stimmte für keinen der beiden. Die ehemalige Flügel-Strömung um Höcke hatte Krah hingegen hinter sich, genauso wie beiden Vorsitzenden Weidel und Chrupalla.

"Erotische Spannung" zwischen Krah und Höcke

Wie eng die beiden sind, ideologisch wie persönlich, zeigt sich auch in einem fast einstündigen Gespräch von Höcke und Krah auf Youtube vom Januar letzten Jahres. Kommentatoren spotten über die "erotische Spannung", die zwischen Krah und Höcke knistere. Die ideologische Nähe ist auch mit Blick auf Krahs China-Lobbyismus augenfällig: Höcke und Krah sind gleichermaßen Befürworter eines eurasischen Projekts: Deutschland brauche eine strategische Nähe zu Russland und China, um sich von den USA unabhängiger machen zu können. Aus Sicht beider Politiker steht Deutschland unter einem Joch Washingtons, genieße keine volle Souveränität. In ihrer entschiedenen Ablehnung der Europäischen Union stimmen sie genauso überein wie in ihrem Antiamerikanismus.

Auch machte Höcke keinen Hehl daraus, was er sich von den künftigen AfD-Europaabgeordneten erwartet: Diese sollten die Ressourcen der Europafraktion stärker für die Aktivitäten der Partei in Deutschland zur Verfügung stellen, etwa Ressourcen für die Medienarbeit der AfD, sprich Geld. Der Kampfauftrag von Höckes Europakandidaten gilt Deutschland - und das dürfte ganz im Sinne der beiden Vorsitzenden Weidel und Chrupalla sein. Das Trio hat deshalb gemeinsam auf Leute wie Krah und den Zweitplatzierten Petr Bystron gesetzt, der sich nun des Vorwurfs der Bestechung durch russische Vertreter erwehren muss. Für den Fall, dass einer oder gar beide ihr Mandat doch nicht antreten können, ist Höcke aber abgesichert. Der Drittplatzierte auf der Europawahlliste der AfD ist der junge Thüringer Abgeordnete René Aust - ein besonders enger Vertrauter von Björn Höcke.

Quelle: ntv.de, Mitarbeit: Tom Kollmar

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