Politik

Triumphaler Erfolg in Berlin CDU bejubelt Wegner - aber reicht es wirklich?

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner ist der klare Wahlsieger - was der Spandauer eher nicht seinem Charisma verdankt.

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner ist der klare Wahlsieger - was der Spandauer eher nicht seinem Charisma verdankt.

(Foto: REUTERS)

Zwei Jahrzehnte lang zeigt Berlin der CDU die kalte Schulter, doch nun gibt die Stadt ihr eine neue Chance. Auf einer Welle des Frustes reitet Spitzenkandidat Wegner zum Sieg in der Wiederholungswahl. Er will Regierender Bürgermeister werden. Aber der Weg ins Rote Rathaus ist noch weit.

Als Spitzenkandidat Kai Wegner kurz nach 18 Uhr zur Wahlparty der Berliner CDU stößt, scheint er es selbst kaum fassen zu können. "Überwältigend, Wahnsinn!", ruft er seinen Parteifreunden zu. Seine Partei hat die Wahl gewonnen - und das klarer, als es die meisten Umfragen vorausgesagt haben. Knapp 10 Prozent Plus feiert die CDU, während die SPD der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey unter die 20-Prozent-Marke fällt. Auch Grüne und Linke verlieren, der aktuelle rot-grün-rote Senat ist abgestraft.

"Mir fehlen ein Stück weit die Worte", sagt Wegner in den Jubel und Applaus hinein. Und findet dann doch welche: "Es ist phänomenal und ich kann nur sagen: Berlin hat den Wechsel gewählt." Natürlich sagt er auch, dass die CDU jetzt den Regierungsauftrag habe. Das mit dem Wechsel ist allerdings so eine Sache. Denn damit Wegner es tatsächlich auf den Chefsessel schafft, müssten Grüne oder SPD mit ihm zusammengehen. Ein Teil des alten Senats wäre also weiter mit an Bord.

Dennoch: Ein Phänomen ist der CDU-Erfolg tatsächlich. 20 Jahre lang sah die Union in der Hauptstadt kein Land, die SPD konnte den Sieg bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus fest einplanen. Dass es diesmal anders werden könnte, ist aber keine Überraschung. Schon seit Jahren fahren die Sozialdemokraten immer schwächere Ergebnisse ein. Umfragen zeigten die Union dagegen seit Wochen im Höhenflug.

Sein Charisma war es nicht

Hinzu kam, dass Giffey und Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sich nicht erst im Wahlkampf herzhaft stritten - darum, ob man Wohnungskonzerne enteignen, Parkplätze zusammenstreichen oder auch die berühmte Friedrichstraße teilweise zur Fußgängerzone machen sollte. Nach Geschlossenheit sah das nicht aus. Genau die ist aber einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren, wenn man Wahlen gewinnen will.

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Dass die Berliner ihre konservative Seite (wieder-)entdecken, hat viel mit Frust zu tun. Nicht nur, aber auch darüber, dass diese Wahl überhaupt wiederholt werden musste - es war das erste Mal, dass das in der Bundesrepublik geschah und war damit vor allem eines: peinlich. Aber da war noch mehr. Die rasant steigenden Mieten, die natürlich auch dieser Senat nicht innerhalb eines Jahres in den Griff bekam. Dann die überlastete Verwaltung oder auch der Lehrerinnen- und Erzieher-Mangel. Es sind die Probleme einer rasant wachsenden Metropole, denen die Politik nur hinterherhechelt.

Auf dieser Frustwelle ritt Kai Wegner zum Erfolg - sein Charisma war es weniger. Auch 2021 war er Spitzenkandidat und vermochte die Berliner nicht zu begeistern. Damals wurde er farbloser Dritter. Der 50-Jährige aus Spandau versprach nun aber etwas, das dringend in der Hauptstadt gebraucht wird: die Grundtugenden. Berlin sollte wieder funktionieren, forderte er. Und traf damit ins Schwarze.

Silvester und die Folgen

Wobei, da war noch etwas anders. Erst seit den Krawallen der Silvesternacht erlebte die CDU einen ungeahnten Umfrage-Aufstieg - innere Sicherheit gehört schließlich zu ihrem Markenkern. Bemerkenswert ist, dass es der Partei nicht schadete, dass sie eine Liste der Vornamen der Tatverdächtigen angefordert hatte. Flankiert wurde das von der "Pascha"-Debatte, mit der CDU-Chef Friedrich Merz Schlagzeilen machte. All das nahmen viele Wahlberechtigte Wegner nicht übel. Eher das Gegenteil dürfte der Fall gewesen sein, auch wenn es Rassismus-Vorwürfe nicht nur von den Grünen hagelte. Immerhin: Wegner bemühte sich anschließend, den Ball flach zu halten, nicht nachzulegen. Er sprach viel davon, dass er die Jugendlichen in den Brennpunkten einfach nur erreichen wolle. Dass es egal sei, ob jemand Mehmet oder Michael heißt.

Das konnte man auch als Signal an die Grünen verstehen. Denn die sind einer der beiden möglichen Koalitionspartner. Eine Zusammenarbeit mit Linken und AfD schloss Wegner aus, die FDP hat den Wiedereinzug verpasst. Für Zweierbündnisse mit Grünen und SPD würde es dagegen reichen. Ob es dazu kommt, ist aber noch völlig offen.

Giffey und Jarasch betonten beide, dass es nun darum gehe, ein Bündnis mit einer Mehrheit zu schmieden. Die hätte auch Rot-Grün-Rot oder auch Grün-Rot-Rot. Jarasch sagte, das sei ihre erste Wahl - kein Wunder, denn sie könnte so selbst Chefin werden statt Juniorpartnerin bei Wegner.

Nackensteak oder Veggie-Burger?

Inhaltlich sind die Gräben zwischen CDU und Grünen tief - Streitpunkt ist neben dem Silvesterstreit vor allem die Verkehrspolitik und damit die Frage: Auto - ja oder nein? Auch kulturell ist es ein weiter Weg. Die Berliner CDU hat ihre Basis in den ruhigeren Randbezirken, die Grünen in Mitte und Umgebung. Wenn man so will, steht Nackensteak gegen Veggie-Burger. Aber ausgeschlossen ist nichts - vor allem, wenn die Grünen am Ende auf Rang drei landen. Dann würden ihnen in einem Bündnis mit der CDU zumindest mehr Posten winken.

Und die SPD? Dass sie Wegners Wunschpartner ist, hat er zwar nie ausdrücklich gesagt, aber immer wieder durchblicken lassen. Doch soll Giffey nun ihren Kontrahenten zu ihrem Chef machen? Oder wird sie nach dem miserablen Ergebnis gar aus den eigenen Reihen abgesägt? Eine Liebesheirat wäre Schwarz-Rot jedenfalls nicht. Wegner wird einiges auf den Tisch legen müssen. Sonst könnte der Sieger am Ende doch noch als Verlierer dastehen.

Quelle: ntv.de

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