Politik

Mehrheit für Rot-Grün-Rot SPD schwer abgestraft, aber Giffey will weiterregieren

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Dass Giffey schwer enttäuscht ist vom Wahlergebnis, ist ihr am Abend anzumerken.

(Foto: REUTERS)

Bei der Abgeordnetenhauswahl droht für die SPD der schlimmstmögliche Fall: Sie fällt deutlich hinter die Union zurück. Es droht sogar der dritte Platz hinter den Grünen. Doch trotz herber Verluste macht Franziska Giffey deutlich: Sie will Regierende Bürgermeisterin bleiben.

Wer will, kann ein wenig Verbitterung über ihr Schicksal heraushören, als Franziska Giffey am Abend vor ihre Partei tritt: "Wir haben nur ein Jahr Zeit gehabt, um auch Weichen zu stellen, damit Dinge anders werden können", sagt die sichtlich bewegte 44-Jährige über die offenkundige Unzufriedenheit der Wähler mit dem Zustand Berlins. Ihre Partei ist da gerade laut Prognosen auf unter 20 Prozent gerutscht. "Und ein Jahr ist kurz, wenn man drei Krisen gleichzeitig bewältigt und eine Wahlwiederholung hat", sagt Giffey. Es fällt schließlich nicht in ihre Verantwortung, dass die Wahl wiederholt werden musste, aus der sie vor eineinhalb Jahren als Siegerin hervorgegangen war. Doch trotz herber Verluste und einem deutlich Sieg der CDU macht Giffey in ihrer ersten Stellungnahme auch klar: Freiwillig will sie ihr Amt als Regierende Bürgermeisterin nicht aufgeben.

"Wir wissen noch nicht, ob es Platz zwei geworden ist", sagt Giffey mit Blick auf die Prognosen, die Grüne und Sozialdemokraten nach 18 Uhr gleichauf sehen. Man müsse den Wahlabend abwarten, schließlich haben die Grünen auch am Wahlabend 2021 zwischenzeitlich mit der SPD gleichgezogen und fielen dann doch zurück. Sollte die SPD zweitstärkste Kraft werden, könnte Giffey die bisherige rot-grün-rote Koalition fortsetzen. "Unser Ziel war und ist es, führende Kraft in dieser Landesregierung zu werden", sagt Giffey. Und wer regieren wolle, "muss es schaffen, eine stabile politische Mehrheit zu organisieren". Da hätte die SPD als zweitstärkste Kraft mehr Optionen als der Wahlsieger CDU, mit der weder SPD noch Grüne können.

SPD-Spitze fest an Giffeys Seite

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"Uns ist wichtig, dass wir eine stabile politische Mehrheit für ein Regierungsbündnis schaffen können unter SPD- Führung", bekräftigt Giffey später auch in der ARD. "Diese Möglichkeit ist noch nicht vorbei." Daran erinnert auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in einer ersten Reaktion auf die Prognosen. "Kai Wegner und die CDU haben einen Wahlkampf geführt, der sehr stark auf Trennendes gesetzt hat", sagte Kühnert. Giffey könne dagegen politische Kräfte zusammenführen und regieren. "Wir wünschen uns in der SPD, dass sie das weiterhin tun kann."

"Ich bin seit 13 Monaten im Amt", sagt Giffey noch einmal in der ARD und zählt auf, wie schwierig das Jahr mit Pandemie, Inflation und Flüchtlingskrise gewesen sei. Sie habe dennoch vieles angepackt, werde aber nun für sämtliche Verfehlungen der seit 2001 regierenden SPD bestraft: "Die Politik der letzten 20 Jahre wird jetzt ein Stück weit mir angelastet." Der Eindruck der Verbitterung verfestigt sich. Giffey findet, dass ihr eine große Ungerechtigkeit widerfährt. Sie hätte sich so gerne in dem Amt bewiesen und war nicht in politischer Verantwortung, als die letztlich vergeigte Wahl 2021 organisiert wurde. Ihre Partei aber war es sehr wohl.

"Franziska Giffey ist ja in der Tat erst ein Jahr im Amt", betont auch der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil. "Sie hatte gar nicht richtig viel Zeit, die Dinge anzupacken." Jetzt gehe es um die Frage, wie politische Mehrheiten aussehen könnten. Doch egal, ob es am Ende für Giffey reicht: Das Ergebnis markiert eine Zäsur nach mehr als 20 Jahren mit der SPD als stärkste Kraft in Berlin. "Da muss man nicht drum herum reden, das ist kein schönes Ergebnis", sagt Klingbeil. Auch andere Sozialdemokraten bekräftigen Giffeys Option, weiterzumachen und widersprechen damit etwa dem CDU-Generalsekretär, der gesagt hatte: "Jeder Anstand verbietet es, dass diese Regierung in dieser Koalition in dieser Form weiter Verantwortung übernehmen wollte." Der Rückstand der SPD auf die CDU beträgt voraussichtlich zehn Punkte.

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Grüne und Linke signalisieren Bereitschaft

Auch Grüne und Linkspartei signalisieren unmittelbar nach Bekanntwerden der Prognosen ihre Bereitschaft, die bisherige Regierungskoalition fortzusetzen. "Wir werden mit unseren bisherigen Koalitionspartnern erstmal sprechen, mit der SPD, mit den Linken, mit denen wir insgesamt gut zusammengearbeitet haben, und werden schauen, ob wir eine Koalition bilden können", sagt Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch. Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer sagt in der ARD, "es hängt davon ab, ob hier progressive Mehrheiten zustande kommen". Das Dreierbündnis ist die einzige Machtoption der Linkspartei.

Sollte Giffey die bisherige Koalition weiter anführen können, will sie dennoch auf das Wahlergebnis reagieren: "Weitergehen wie bisher, kann es nicht", sagt sie. Doch ein mittigerer Kurs, der auch Menschen abholt, die diesmal CDU gewählt haben, wird mit Grünen und Linken schwer möglich sein. Giffey steht damit vor einem Dilemma: Das "Weiter so" ist eigentlich ihre einzige Machtoption, will sie die SPD nicht als Juniorpartnerin der CDU in die Regierung führen. Ob ihre Landespartei sie in diesem Szenario Senatorin werden ließe, ist zudem unklar. Giffey war im vergangenen Jahr mit schwachen 58 Prozent an der Parteispitze bestätigt worden, weil Teile der eigenen Partei unzufrieden sind mit ihr.

Sollte es der Regierenden Bürgermeisterin nicht gelingen, ihrer Partei das Rote Rathaus zu sichern, wird ein Verbleib an der SPD-Landesspitze schwierig. Die Regierende Bürgermeisterin, ehemalige Bundesministerin und einstige Bürgermeisterin von Neukölln, kämpft in den kommenden Tagen um ihr politisches Überleben. Immer vorausgesetzt: die SPD wird zumindest doch noch zweite Kraft.

Quelle: ntv.de

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