Politik

Geld, Unterbringung, Abschiebung Das sind die größten Baustellen im Migrationsstreit

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Viele Kommunen fühlen sich mit der Versorgung von Geflüchteten überfordert. Die Länder erhoffen sich vom kommenden Migrationsgipfel daher mehr Hilfe aus Berlin.

(Foto: picture alliance/dpa)

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Vor dem Migrationsgipfel am kommenden Mittwoch herrscht Frust: Während sich Kommunen überfordert und die Länder im Stich gelassen fühlen, verweist der Bund auf Milliardenzuwendungen aus der Vergangenheit. Zündstoff bietet jedoch nicht nur das Thema Geld.

In vielen Politikfeldern sorgen gemischte Zuständigkeiten von Kommunen, Ländern, Bund und EU für zeitraubende Abstimmungsverfahren. Besonders gravierend ist dies aber in der Migrationspolitik, was sich derzeit in den Verhandlungen von Bund und Ländern zeigt. Denn viele Entscheidungen können nur im Zusammenspiel getroffen werden - wobei die verschiedenen Ebenen oft völlig unterschiedliche Interessen haben. Das Problem der 16 Länder: Abgesehen von der Geld-Forderung an den Bund sind nicht einmal sie untereinander einig.

Wer zahlt?

Reflexhaft enden Spitzengespräche zwischen Bund und Ländern immer bei der Frage des Geldes. Auch jetzt fordern Ministerpräsidenten wegen der steigenden Zahl ankommender Migranten und Flüchtlinge mehr Geld vom Bund. Dieser weist dies mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit von Ländern und Kommunen und freiwilligen Leistungen von 15,6 Milliarden Euro in diesem Jahr zurück. Die Hilfe für die ukrainischen Kriegsflüchtlinge hat der Bund ohnehin zum größten Teil übernommen - aber die Länder wollen nun zusätzliche Hilfe für die Beschulung der ukrainischen Kinder.

Tatsächlich haben sich seit 2015 die Leistungen des Bundes für Flüchtlinge schrittweise erhöht. Solange die Steuereinahmen im Bund sprudelten, "erkaufte" die Regierung eine Einigung jeweils durch höhere Zuweisungen. So ist der Bundesanteil am Umsatzsteueraufkommen von 65 Prozent 1991 auf 45,1 Prozent 2021 gesunken. Damit muss nach Angaben des Kanzleramts und der Ampel-Haushälter jetzt aber mit Blick auf die riesigen Aufgaben etwa bei Verteidigung oder der Energiewende Schluss sein. Der Vorwurf an die Länder: Sie würden nicht einmal die Milliardenzuwendungen an die Kommunen weitergeben - die wiederum vom Bund nicht direkt gefördert werden dürfen.

Streit ums Geld: die Fallpauschalen

Erst 2022 hatten Bund und Länder ein seit 2016 geltendes System geändert, dass der Bund pro Geflüchtetem von der Registrierung bis zum Abschluss des Verfahrens 670 Euro pro Monat zahlt. Dies wurde mit Einverständnis der Länder abgelöst durch eine Pauschalsumme. Wegen der stark steigenden Zahlen an Asylbewerbern (ohne Ukraine-Kriegsflüchtlinge) fordern die Länder nun aber eine Rückkehr zur Fallpauschale - was der Bund mit dem Argument ablehnt, dass man den Ländern nun gerade Geld auf anderen Wegen versprochen habe und nicht doppelt zahlen könne.

Unterbringung

Kommen sehr viele Menschen neu an, geraten Kommunen gerade in Zeiten eines oft ohnehin schon überforderten Wohnungsmarktes in Probleme. Der Bund argumentiert, dass viele zur Verfügung stehende Fördertöpfe gar nicht genutzt würden. Länder und Kommunen wiederum verlangen vom Bund dagegen mehr Liegenschaften - und einige haben dies mit der Forderung verbunden, dass der Bund sie gleich renoviert übergeben sollte. Aber dies löst schon deshalb nicht alle Probleme, weil etwa große, nicht mehr genutzte Kasernen in kleinen Orten nicht plötzlich mit Hunderten Flüchtlingen belegt werden können.

Asylverfahren und Abschiebungen - die Länder

Zuständig sind eigentlich die Länder, die aber - je nach politischer Couleur der Landesregierungen - sehr unterschiedlich etwa abgelehnte Asylbewerber abschieben. Dies trägt zur hohen Zahl von Menschen bei, die versorgt werden müssen. Der Bund wirft den Ländern zudem vor, nicht genug Personal für die Bearbeitung der Asylanträge und Klagen gegen Bescheide einzusetzen, weshalb die Verfahren teilweise bis zu 43 Monate dauerten. Zudem hätten viele Kommunen Geld, das für die Digitalisierung gedacht ist, nicht für die verabredete Modernisierung der Ausländerbehörden genutzt. Daneben hat der Bundesrat wegen des Widerstands der Länder mit grüner Regierungsbeteiligung die Ausweitung sogenannter sicherer Herkunftsländer abgelehnt, die Verfahren für Menschen aus diesen Staaten deutlich verkürzen würden.

Abschiebungen - der Bund und die EU

Einige Länder argumentieren, dass sie zu mehr Abschiebungen bereit seien, aber die Menschen nicht abschieben könnten. Grund ist zum einen die Weigerung der Herkunftsländer, die Menschen wieder zurückzunehmen. Dafür will der Bund nun Migrationsabkommen aushandeln, die es aber bisher nur für Indien gibt. Zum anderen können nicht einmal die Regeln des sogenannten Dublin-Abkommens umgesetzt werden, nach denen die EU-Außengrenzländer wie Italien oder Griechenland diejenigen Menschen zurücknehmen müssen, die sich dort als Asylbewerber hatten registrieren lassen, dann aber etwa nach Deutschland weiterzogen. Der Grund: Italiens Rechts-Regierung weigerte sich 2023 Personen zurückzunehmen. Und deutsche Gerichte untersagen die Rückführung nach Griechenland, weil es dort keine Sozialleistungen für Asylbewerber gebe.

Schutz der Außengrenzen

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Im Prinzip sind sich fast alle einig: Ein wichtiger Schritt wäre, die EU-Außengrenzen besser zu schützen und den Grenzeintritt in den passfreien Schengen-Raum zu kontrollieren. Doch dies klappt nicht. Zwar haben einige EU-Grenzstaaten längst Zäune oder größere Befestigungsanlagen an den Außengrenzen gebaut. Aber dies ist nicht durchgehend der Fall. Außerdem kommen viele Menschen über das Mittelmeer in die EU. Die Zusammenarbeit mit Transit- oder Herkunftsländern gibt es nur mit der Türkei, aber nun kommen mehr Menschen etwa aus und über Tunesien, früher über Libyen.

Länder und Kommunen drängen, dass der Bund hier handeln müsse. Aber der wiederum ist von der Kooperation der EU-Partner oder von Drittstaaten abhängig. Dass die angestrebten Migrationsabkommen - eine fast 20 Jahre alte Idee der EU - schnelle Abhilfe schaffen könnten, ist unsicher. Als Notlösung gelten Grenzkontrollen oder Schleierfahndungen an EU-Binnengrenzen wie etwa der deutsch-österreichischen Grenze. Diese ermöglichen aber nur, dass man mehr Wissen hat, wer ins Land kommt. Versorgt werden müssen die Menschen dennoch.

Quelle: ntv.de, spl/rts

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