"Befehl kam von ganz oben" Ex-Wagner-Kämpfer gestehen Morde an Zivilisten
18.04.2023, 16:36 Uhr Artikel anhören
In einem Video berichten zwei ehemalige Wagner-Söldner von eigenen Kriegsverbrechen. Sie hätten auf Anweisung Zivilisten getötet, sogar ein Kind. Der Befehl sei letztlich vom Chef der Gruppe, Prigoschin, gekommen. Die deutsche Politik und Human Rights Watch fordern Verfahren in Den Haag.
Am Montag taucht ein verstörendes Video in sozialen Medien auf, in dem sich zwei ehemalige Kämpfer der russischen Söldnergruppe Wagner zur Tötung von Zivilisten äußern. In dem insgesamt 77-minütigen Video interviewt Wladimir Osetschkin, Gründer der Menschenrechtsorganisation Gulagu.net, die zwei Männer. Sie sollen in Russland im Gefängnis gesessen haben und dort von Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin für die Invasion der Ukraine angeworben worden sein. Mittlerweile haben beide ihren Kriegsdienst absolviert und leben in Russland als freie Männer. Prigoschin hatte Häftlingen nach einem sechsmonatigen Einsatz in der Ukraine die Freiheit und vollständige Amnestie versprochen.
Der erste Ex-Wagner-Söldner, Asamat Uldarow, berichtet Osetschkin von einem kleinen weinenden Kind, er schätzt, es war fünf oder sechs Jahre alt. Er habe es erschossen. Er sollte niemanden davonkommen lassen. "Der Befehl war, eine Säuberung durchzuführen, das heißt jeden zu töten, auf den ich treffe", so Uldarow. Wer diese Befehle gab, will Osetschkin wissen. Uldarow antwortet, dass sie "von ganz oben" kamen. Er nennt einen Befehlshaber namens "Korscha" und weitere Namen, sagt aber, dass über ihnen Prigoschin steht, und letztlich diese Befehle von ihm kämen. "Niemand soll davonkommen", sagt Uldarow, "das heißt: alle töten".
Der zweite ehemalige Wagner-Kämpfer, Alexej Sawitschew, bestätigt die Aussagen von Uldarow. Er sagt Osetschkin, dass sie den Befehl hatten, ein Haus komplett zu säubern. Es sei keine Rede von "die Zivilisten freilassen" gewesen. Wer im Haus war, sei "scheißegal" gewesen. Auf die Nachfrage, ob niemand in dem Haus eine Überlebenschance gehabt habe, sagt Sawitschew: "niemand".
Strack-Zimmermann will Prozess in Den Haag
Die Reaktionen auf das Video fallen international entsprechend deutlich aus. So fordert die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag nun Ermittlungen gegen die Verantwortlichen durch den Internationalen Strafgerichtshof (ICC). "Das muss in Den Haag auf den Tisch", sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu RTL/ntv. "Diese Leute, diese Typen fühlen sich ja sicher. Sie müssen wissen, dass wenn sie angeklagt werden, dass wenn sie ihr Land verlassen und in ein freies Land einreisen, dass das das Ende ihres zivilen Lebens ist."
"Ich glaube, es ist nicht einfach, das lückenlos nachzuweisen", so Strack-Zimmermann weiter. "Das heißt für uns, dass diese Namen, wenn sie denn bekannt sind, in Den Haag entsprechend wahrgenommen werden, dass Zeugenaussagen, dass Beweise gesammelt werden. Und wenn einer von denen einen Fuß in unser Land setzt, dann müssen sie sofort festgenommen werden."
Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) fordert ein härteres Vorgehen gegen die Gruppe Wagner. "Die Fakten sind da", sagte Deutschland-Direktor Wenzel Michalski zu RTL/ntv. "Sie müssen jetzt noch gerichtsfest untersucht werden. International, aber auch national, auch in Deutschland." Für HRW kommt den deutschen Strafermittlungsbehörden eine zentrale Rolle dabei zu. "Es müssten Gerichtsverfahren eingeleitet werden, zum Beispiel in Deutschland. Da müssen jetzt die Anstrengungen der Generalbundesanwaltschaft hingehen."
Als Vorbild könnten Prozesse gegen die Hintermänner des Krieges in Syrien dienen, so Michalski. "Möglichkeiten gibt es in Deutschland, wo zum Beispiel Anfang letzten Jahres in Koblenz syrische Folterknechte vor Gericht standen, die in Deutschland festgenommen worden sind."
Quelle: ntv.de, als