Enquete-Kommission gefordert FDP will Pandemie-Politik aufarbeiten lassen


FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fordert eine Enquete-Kommission zur Corona-Politik.
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Im kommenden Herbst dürfte die Corona-Inzidenz wieder steigen, doch die Pandemie gilt als vorbei. Die FDP bringt nun ihre Forderung zurück auf die Agenda, die Politik der vergangenen Jahre unter die Lupe zu nehmen. Was steckt dahinter?
Die Corona-Pandemie ist im Rückspiegel, auch wenn in diesem Herbst die Inzidenz wieder steigen könnte. Thema bleibt sie aber dennoch in Berlin - die FDP wirft die Frage auf, ob all die Maßnahmen gegen das Virus wirklich angemessen waren. Der Generalsekretär der Partei, Bijan Djir-Sarai, fordert bei ntv.de eine Enquete-Kommission, um den Umgang der damaligen Bundesregierung zu untersuchen.
"Wir müssen die Fehler, die die Verantwortlichen in der Politik gemacht haben, klar benennen, transparent aufarbeiten und analysieren", erklärte er ntv.de. Dabei gehe es um "massive soziale und wirtschaftliche Verwerfungen", die mit einzelnen Entscheidungen verbunden gewesen seien. Schüler, Auszubildende und Studenten hätten enorm unter den strikten Maßnahmen zu leiden gehabt.
Auch das Verhältnis von Legislative und Exekutive solle von der Kommission untersucht werden. "Die Berücksichtigung und Einbindung der Parlamente war in der Pandemie vielfach mangelhaft bis nicht vorhanden, darauf haben wir Freie Demokraten immer wieder hingewiesen. Es geht auch um die Frage, welche Lehren für die Zukunft gezogen werden. Die Politik ist den Menschen in unserem Land eine sachliche Aufarbeitung schuldig", so Djir-Sarai weiter.
Betroffen wäre wohl vor allem das letzte Kabinett Merkel
Eine Enquete-Kommission wird vom Bundestag eingesetzt. Ein Viertel der Abgeordneten müsste dafür stimmen. Abgeordnete und Sachverständige bereiten "Entscheidungen zu umfangreichen und bedeutenden Themen vor". Eine solche Untersuchung würde in erster Linie das letzte Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel betreffen und damit die Regierung von CDU und SPD, die bis Ende 2021 im Amt war - sowie beispielsweise die Arbeit des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn. In diese Zeit fallen die schwerwiegendsten Maßnahmen wie die Lockdowns.
Im Frühjahr hatte die FDP dazu bereits ein Positionspapier vorgelegt. Passiert ist seitdem wenig bis nichts. Nun kommt wieder Bewegung in die Debatte. Erst am Donnerstag hatte sich Linken-Politiker Gregor Gysi für eine Enquete-Kommission ausgesprochen. "Eine Enquete-Kommission brauchen wir, in der wir mal alle Fragen im Zusammenhang mit Corona und Pandemie aufwerfen", sagte Gysi im MDR. Dabei soll es Gysi zufolge zum Beispiel um Impfschäden gehen.
Ziel sei zu sagen: "Also, das war richtig, das müsste man in einem solchen Falle wieder machen, das aber war falsch, das dürften wir nicht wiederholen." Die Bevölkerung habe Anspruch darauf, dass der Bundestag das aufgreife. "Den Fragen werde ich mich widmen." Dafür legte Gysi sogar sein Amt als außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion nieder, wie er in einem Podcast der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte. "Das wird mich voll in Anspruch nehmen, dann sollen andere mal Außenpolitik machen", so Gysi weiter. Er habe für die Kommission schon Zustimmungen von Politikern der CDU, CSU und der SPD erhalten. Nach ntv.de-Informationen treibt auch die SPD-Fraktion das Thema verstärkt um, eine wachsende Zahl von Abgeordneten kann sich so eine Kommission offenbar vorstellen.
Gegenüber ntv.de signalisierte auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, Zustimmung. "Als Union haben wir frühzeitig die Bereitschaft signalisiert, uns an einer Auswertung der Corona-Politik zu beteiligen. Eine Aufarbeitung kann aber nur dann Erfolg haben, wenn auch die aktuellen Regierungsfraktionen daran ein Interesse zeigen." Sorge: "Die Ampel ist am Zug." Offensichtlich hätten sich die Koalitionäre bislang nicht auf eine gemeinsame Position einigen können.
Da nur ein Viertel der Abgeordneten benötigt wird, um eine Enquete-Kommission zu gründen, könnte die Unionsfraktion diese auch allein beschließen. Es war aber in den vergangenen Jahrzehnten üblich, solche Kommissionen nur mit großer Mehrheit zu beauftragen. Sorge weiter: "Einer Enquete-Kommission würde nun mittlerweile die Zeit davonlaufen." Damit weist er darauf hin, dass diese bis zum Ende der Legislaturperiode 2025 einen Abschlussbericht vorlegen müsste. Allerdings wäre es möglich, dass nur ein Zwischenbericht erstellt würde und die Kommission im folgenden Bundestag ein neues Mandat erhielte.
Grüne dagegen
In der Unionsfraktion gibt es nach ntv.de-Informationen aber auch Überlegungen, statt einer Enquete-Kommission ein Bund-Länder-Gremium einzusetzen, da die Länder und die Ministerpräsidentenkonferenzen im Kampf gegen die Pandemie eine herausragende Rolle einnahmen.
Die Grünen stehen einer Enquete-Kommission kritisch gegenüber. Bereits im April lehnte der gesundheitspolitische Sprecher Janosch Dahmen diese ab. Er äußerte gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" die Befürchtung, dass es am Ende eher ein Kampf um Deutungshoheiten und nachträgliche Schuldzuweisungen wird und damit weiteres Vertrauen der Bevölkerung verloren geht." Dabei kritisierte er auch FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. Der habe während der Pandemie immer wieder "extreme Positionen" vertreten und "durch eine zum Teil AfD-nahe Rhetorik versucht, eine gesellschaftliche Spaltung herbeizureden."
Insbesondere in der Spätphase der Pandemie Ende 2021 und 2022 hatte sich die FDP für ein Ende der Corona-Maßnahmen ausgesprochen. Die FDP-Fraktion stimmte im April 2022 auch fast geschlossen gegen die allgemeine Impfpflicht, die die SPD- und Grünen-Fraktion in ihrer großen Mehrheit befürwortet hatten. Dadurch wurde die Impfpflicht verhindert.
Auch in den Bundesländern ist die Aufarbeitung der Pandemie Thema. So gibt es teils ebenfalls Überlegungen eine Enquete-Kommission einzusetzen, etwa in Sachsen-Anhalt. Insbesondere die AfD treibt das Thema voran und fordert sogar Untersuchungsausschüsse, in denen einzelnen Politikern Fehlverhalten nachgewiesen werden könnte. In Brandenburg gibt es bereits einen, in Thüringen kündigte AfD-Landeschef Björn Höcke an, einen Untersuchungsausschuss in der nächsten Legislatur einzusetzen. In Bayern arbeitete ein Untersuchungsausschuss die Affäre um Masken-Deals auf.
Quelle: ntv.de