Kurswechsel der Innenministerin Faeser schließt stationäre Kontrollen an Grenze nicht mehr aus
22.09.2023, 19:55 Uhr Artikel anhören
An den Grenzen zu Polen und Tschechien will Innenministerin Faeser nun doch stationäre Kontrollen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge steigt deutlich. Die Kommunen sehen sich am Limit. Im Kampf gegen Schleuser will Innenministerin Faeser nach langer Weigerung nun offenbar auf eine Forderung der Union eingehen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser schließt an den Grenzen zu Polen und Tschechien stationäre Kontrollen nicht mehr aus. "Aus meiner Sicht ist das eine Möglichkeit, Schleuserkriminalität härter zu bekämpfen", sagte sie der "Welt am Sonntag". Weiter sagte sie: "Solche zusätzlichen Kontrollen müssen mit der Überwachung des gesamten Grenzgebiets durch die Schleierfahndung gut zusammengreifen." Allerdings sollte man "nicht suggerieren, dass keine Asylbewerber mehr kommen, sobald es stationäre Grenzkontrollen gibt". Wenn eine Person an der Grenze um Asyl bitte, dann müsse der Antrag in Deutschland geprüft werden. Entscheidend bleibe der Schutz der EU-Außengrenzen, "den wir mit dem gemeinsamen Asylsystem erreichen". Die Einrichtung stationärer Kontrollen fordert seit einiger Zeit auch die Union. Hintergrund sind die massiv gestiegenen Flüchtlingszahlen.
Faeser hatte derartige Kontrollen bereits in der Bundestagdebatte über die Migrationspolitik angedeutet. So sagte sie, dass es zur Schleuserbekämpfung "auch partiell notwendig" sein könne, "stationäre Grenzkontrollen durchzuführen". Die hohen Flüchtlingszahlen zeigten, "wir sind auf allen Wegen gefordert, irreguläre Migration einzuschränken".
Noch vor kurzem hatte Faeser die Unionsforderung nach stationären Grenzkontrollen mehrfach abgelehnt. Sie bänden zu viel Personal und wären "reine Symbolpolitik, auch angesichts der hohen Umfragewerte der AfD", hatte sie gesagt. Es sei besser, "überall in den Grenzgebieten präsent zu sein - mit Teams der Bundespolizei und der anderen Grenzpolizeien".
Bundespolizei in Tschechien
Die SPD-Politikerin will zudem Bundespolizisten auf dem Staatsgebiet des Nachbarn Tschechien einsetzen. Als Vorbild diene dabei eine vergleichbare Kooperation mit der Schweiz. Dort dürfen Bundespolizisten in enger Abstimmung mit Schweizer Behörden auch auf Schweizer Staatsgebiet kontrollieren und unerlaubte Einreisen verhindern, hieß es. "Absprachen mit Tschechien laufen bereits", sagte sie der Zeitung weiter.
Schließlich will die Ressortchefin das EU-Türkei-Abkommen aktualisieren. "Das braucht es. Im Moment funktioniert die EU-Vereinbarung mit der Türkei nicht gut genug", sagte sie und Sprach von einem "Update".
Die Bundespolizei vermeldete derweil einen weiteren deutlichen Anstieg unerlaubter Einreisen. Demnach wurden im August 14.701 solcher Grenzübertritte registriert. Dies waren 66 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Für die ersten acht Monate des Jahres wurden damit insgesamt 70.753 illegale Einreisen verzeichnet. Im gleichen Zeitraum 2022 waren es knapp 45.000.
Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben von Anfang Januar bis Ende August rund 204.000 Migranten erstmals einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Das sind rund 77 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im gesamten Jahr dürfte diese Zahl auf rund 350.000 steigen, schätzt der CDU-Politiker Thorsten Frei. Die Union hat ihre Forderung nach einer Obergrenze von 200.000 Migranten jährlich reaktiviert.
Faeser steht doppelt unter Druck. Seit Monaten beklagen die Kommunen, bei der Unterbringung der Flüchtlinge an ihre Kapazitätsgrenzen zu stoßen. Zudem tritt die Ministerin als SPD-Spitzenkandidatin im hessischen Landtagswahlkampf an, liegt in Umfragen derzeit aber deutlich hinter CDU-Amtsinhaber Boris Rhein. Darüber hinaus hatten mehrere Ministerpräsidenten der Union Verhandlungen beim Migration zur Bedingung gemacht, um mit Kanzler Olaf Scholz über dessen "Deutschland-Pakt" zur Revitalisierung des Landes zu sprechen.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/rts