
Seine Konkurrenten hoffen, dass Wüst auch am Sonntag große Augen macht. Die Wahl in NRW dürfte eng werden. Diese schöne Aufnahme entstand übrigens bei einem Termin zur Cybersicherheit - auf die Union auch wegen des Kampfes gegen Kinderpornographie einen Schwerpunkt setzte.
(Foto: IMAGO/Bonnfilm)
Nach dem Wahl-Triumph der CDU in Schleswig-Holstein spürt die Partei auch Rückenwind in Nordrhein-Westfalen, wo am Sonntag Landtagswahl ist. Doch dort ist es ungleich spannender. Denn Wüst ist nicht Günther und die SPD in NRW ist ein echter Gegner.
Ein strahlender Daniel Günther, ein bedröppelter SPD-Kandidat, den kaum einer kannte - das war der Eindruck von der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am vergangenen Wochenende. Die CDU jubelte und hofft, dass es am kommenden Sonntag so weitergeht. Hendrik Wüst möchte in Nordrhein-Westfalen mit der CDU die Landtagswahl gewinnen und sich damit im Amt bestätigen lassen. Doch wer glaubt, die Sache sei wie in Schleswig-Holstein geritzt, der könnte sich wundern. Wahrscheinlicher ist, dass am Abend des 15. Mai die Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur am lautesten jubelt.
Auch wenn Günther und Wüst durchaus ähnliche Typen sind, beide heimatverbunden, zurückhaltend bis bescheiden im Auftreten und beide mittlerweile eher Vermittler als Haudrauf, steht der Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen vor einer ganz anderen Herausforderung als Günther. Während die SPD in Schleswig-Holstein wie ein versprengtes Grüppchen wirkte, das irgendwo unten an den Mauern der Kieler CDU-Festung herumkratzt, ist die SPD in NRW ein echter Gegner. In Umfragen rangiert sie nur knapp hinter der CDU, die in den vergangenen Wochen meist auf 30 bis 32 Prozent kam. Sie hat einen weiten Weg hinter sich - im ntv.de-Interview sagte Spitzenkandidat Thomas Kutschaty: "Die Leute wechseln nicht mehr die Straßenseite, wenn sie einen SPD-Stand sehen. Das war in früheren Jahren anders."
Für die beiden großen Parteien kommt es nach der Wahl aber vor allem darauf an, dass mögliche Koalitionspartner nicht die Straßenseite wechseln. Denn durch die wird die Sache spannend. Dabei haben die Grünen die besten Karten. An ihnen vorbei wird es keine Regierung geben - denn bevor es eine Große Koalition zwischen Rhein und Weser gibt, wird Schalke deutscher Meister. Im Landtag sitzen derzeit noch die FDP und die AfD. Mit den Rechtspopulisten will niemand zusammengehen, also werden Grünen-Spitzenkandidatin Neubaur und ihr FDP-Pendant Joachim Stamp zu möglichen Königsmachern. Derzeit regiert Wüst gemeinsam mit der FDP im Düsseldorfer Landtag - mit nur einer Stimme Mehrheit. Beide sagen, dass sie ihr Bündnis gern fortsetzen würden, doch wird das kaum möglich sein. In Umfragen liegen die Liberalen deutlich unter 10 Prozent, eher so bei 7. Schwarz-Gelb fortzusetzen, ist so gut wie aussichtslos.
Wüst muss auf Schwarz-Grün hoffen
Für Schwarz-Grün sieht es dagegen deutlich besser aus. Das ist Wüsts aussichtsreichste Option, eine neue Koalition bilden zu können. Und die ist realistisch: Die Grünen schneiden in Umfragen stark ab, stehen mal bei 16, mal bei 18 Prozent. Vielleicht knacken sie bei der Wahl sogar 20-Prozent-Marke. 45 Prozent plus x sind für beide Parteien zusammen drin und das könnte für Schwarz-Grün reichen.
Ob es inhaltlich passt, ist eine andere Frage. Das Thema Erneuerbare Energien könnte die Sache platzen lassen. Dabei geht es vor allem um die Abstandsregeln von Windkraftanlagen. Die Grünen wollen den bisherigen Mindestabstand von 1000 Metern reduzieren, um mehr Anlagen bauen zu können, Wüst und die CDU wollen es bei der bisherigen Regelung belassen. "Abstandsregeln schaffen Rechtssicherheit und Verlässlichkeit", sagt Wüst. Auch beim Thema Verkehr gibt es Differenzen. Die Grünen wollen mehr Schnellbusse und Bahnverbindungen, die CDU will mehr Geld in den Straßenausbau leiten.
Andererseits lobte Wüst im Interview mit ntv.de Wirtschaftsminister Robert Habeck, den Artenschutz zugunsten von Windrädern etwas lockern möchte. "Klimaschutz ist die größte Herausforderung unserer Generation", sagte er da auch - und dass er bis 2030 aus der Kohle aussteigen will. Ob das den Grünen reicht? Eine Basis für Gespräche gibt es jedenfalls. Wüst tritt außerdem so zurückhaltend auf, dass es auch menschlich klappen könnte. Und: Schwarz-Grün, das hätte auch den Charme des Neuen im Bundesland.
Inhaltlich und auch kulturell stehen sich SPD und Grüne viel näher. Schon unter Johannes Rau gab es in NRW ein rot-grünes Bündnis und auch SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft holte die Grünen an den Kabinettstisch. Umfragen zufolge könnte es auch für Rot-Grün reichen. Bei der TV-Debatte mit allen Spitzenkandidaten war vergangene Woche im WDR zu sehen, wie die Grüne Neubaur regelmäßig auf einer Linie mit SPD-Mann Kutschaty lag, während sich gleichzeitig Wüst und FDP-Partner Stamp unterharkten. Die alten Lager, in NRW gibt es sie noch.
Oder wie wäre es mit der Ampel?
Denkbar ist daher auch, dass es zwar für Schwarz-Grün reicht, die Grünen aber dennoch ein Bündnis mit der SPD schmieden und die FDP an Bord holen. Warum auch nicht? In Berlin praktizieren die drei Parteien ja auch schon die Ampel. Kutschaty hat bereits gesagt, dass er das versuchen würde. Die große Frage ist, ob die FDP sich darauf einließe. Stamp schließt das nicht aus, stellt aber Bedingungen in der Schulpolitik, die in NRW traditionell einem Schlachtfeld zwischen Konservativen und Linken gleicht. So könnte er seinen Wählern eine Regierungsbeteiligung als Vernunftentscheidung verkaufen. Motto: Das Schlimmste verhindern. Denn bei Schwarz-Grün würde die FDP in der Opposition landen.
Wenn es weder für Schwarz-Grün noch für Rot-Grün reicht, könnte sich die FDP die Partner aussuchen. Dann wäre auch eine Jamaika-Koalition (Schwarz-Grün-Gelb) denkbar, was der FDP lieber wäre als eine Ampel. Da sie für beide Bündnisse gebraucht würde, hätte sie eine starke Verhandlungsposition.
Kurzum: Nach der Wahl wird Wüst nicht so strahlen wie Daniel Günther in Kiel. Ein Weiter-So wie bisher ist nahezu ausgeschlossen. Vielmehr werden die Parteien nach Kräften sondieren, umschmeicheln und verhandeln. Spannend wird es auf alle Fälle im bevölkerungsreichsten Bundesland. Und: Das Ergebnis könnte auch in Berlin die Wände wackeln lassen - es ist nur die Frage, ob das eher im Konrad-Adenauer- oder im Willy-Brandt-Haus sein wird.
Quelle: ntv.de