Weimer will Abgabe noch 2026 Google und Co. sollen "Milliarden" in Deutschland abdrücken
21.10.2025, 06:01 Uhr Artikel anhören
Weimer zeigt sich entschlossen, es mit den Tech-Giganten aufzunehmen.
(Foto: picture alliance / SZ Photo)
Kulturstaatsminister Weimer treibt im Ringen mit den großen Digitalkonzernen aus den USA und China die Digitalabgabe voran. Gemeinsam mit NRW-Medienminister Liminski kündigt Weimer bei ntv.de seinen Zeitplan an. Deutschlands Medien- und Kreativwirtschaft soll die Abgabe "Milliarden" bescheren.
Unterstützt von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen will Kulturstaatsminister Wolfram Weimer die von ihm geforderte Digitalabgabe für eine Handvoll Internet-Giganten noch im Jahr 2026 durch den Bundestag bringen. "Wir wollen noch im November ein Eckpunkte-Papier in die parlamentarische Diskussion geben", sagte Weimer im Gespräch mit ntv.de. "So könnten wir Anfang des Jahres ins Gesetzgebungsverfahren kommen und 2026 am Ziel sein." Der für Medien zuständige Chef der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, Nathanael Liminski, stellte sich im Gespräch mit ntv.de hinter Weimers Pläne. Die Abgabe könne mehrere Milliarden Euro erwirtschaften, sagte er.
Schon im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: "Wir prüfen die Einführung einer Abgabe für Online-Plattformen, die Medieninhalte nutzen. Die Erlöse sollen dem Medienstandort zugutekommen." Diesen Passus hatte unter anderem CDU-Politiker Liminski verhandelt. Der parteilose Kulturstaatsminister Weimer hatte sich seither wiederholt für die Einführung der Abgabe starkgemacht, dabei aber unter anderem Widerstand aus der Union erfahren: Im Zollstreit mit den USA hatten Wirtschaftsministerin Katherina Reiche und Unionsfraktionschef Jens Spahn Zweifel angemeldet.
Vorbild Österreich
Weimer, der am Mittwoch bei den Münchener Medientagen zur Branche spricht, sagte ntv.de: "Die Abgabe soll wirklich nur Big Tech treffen, jene Unternehmen mit Monopolisierungsstrukturen." Vorbild sei das in Österreich praktizierte Modell. "So stelle ich es mir bei uns auch vor", sagte Weimer. Dort müssen Unternehmen mit einem weltweiten Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro und einem Umsatz in Österreich von mindestens 25 Millionen Euro mit Onlinewerbung eine Sondersteuer zahlen. Betroffen sind Google, Meta, Amazon und Tiktok. Im vergangenen Jahr betrugen die Steuereinnahmen 124 Millionen Euro.
Anders als in Österreich soll es in Deutschland keine Steuer, sondern eine Abgabe geben. So werde "ausgeschlossen, dass die Einnahmen ohne Zweckbindung irgendwo im Haushalt versickern", sagte Liminski. "Das Geld soll zielgerichtet an diejenigen gehen, die durch Journalismus oder kreative Arbeit Inhalte produzieren und geistige Werte schaffen." Zur Größenordnung sagte Liminski: "Ich denke hierbei in Milliarden, nicht in Millionen." Die Digitalabgabe müsse "zu einer Säule der Finanzierung der Kreativ- und Medienlandschaft werden", so Liminski weiter.
Neben NRW, wo die CDU mit den Grünen regiert, macht sich auch die schwarz-grüne Landesregierung in Schleswig-Holstein für die Digitalabgabe stark. Die Grünen im Bundestag fordern ebenfalls eine Digitalabgabe für Big Tech: Sie schlagen eine Abgabe in Höhe von 10 Prozent der Werbeumsätze der betroffenen Unternehmen vor.
Widerstand aus den USA kündigt sich an
Die Digitalabgabe stößt absehbar auf scharfen Widerspruch aus den USA. Der mit der Trump-Regierung eng verbundene frühere US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, schrieb in der vergangenen Woche auf X über Weimer: "Es ist ein massiver Angriff auf die gesamte US-amerikanische Digitalindustrie mit dem ultimativen Ziel, sie in Europa stillzulegen." Anlass war eine Rede auf der Frankfurter Buchmesse, bei der der Kulturstaatsminister und frühere Verleger den Umgang von KI-Unternehmen mit dem Urheberrecht als "digitalen Kolonialismus" bezeichnet hatte.
Im Gespräch mit ntv.de bekräftigte Weimer seine Kritik: "Zur Entwicklung dieser Large Language Models wird sich all das Wissen der Menschheit in einem systematischen, historischen Raubzug einverleibt. Technologisch ist das brillant, aber die KI-Unternehmen haben niemanden gefragt, ob sie das dürfen." NRW-Staatskanzleichef Liminski stimmte zu: "Die Plattformen haben über Jahre zig Milliarden damit verdient, die Leistungen anderer kostenfrei zu nutzen."
Weimer und Liminski geht es aber nicht allein um einen Ausgleich für Urheberrechtsverletzungen, sondern auch um ein Aufbrechen der wachsenden Marktmacht einzelner großer Plattformen. "Die Overviews haben das Internet revolutioniert. Alles konzentriert sich auf die Suchmaschine und darauf, was die KI als Ergebnis zeigt", sagte Weimer. Und weiter: "Durch die Digitalisierung stehen klassische Medien schon lange unter Druck, verlieren Hörer, Zuschauer und Leser - und vor allem Werbeeinnahmen. Diese Entwicklung hat sich mit der KI in den vergangenen 18 Monaten aber dramatisch beschleunigt."
"Es geht um das Überleben der liberalen Demokratie"
Einhellig und eindringlich warnten beide Politiker vor den Folgen einer schrumpfenden Medienvielfalt in Deutschland und der Dominanz ausländischer Plattformen mit grundlegend anderem Verständnis von Freiheit und Verantwortung. "Es geht dabei nicht nur um das Überleben der Medienbranche. Es geht um das Überleben der liberalen Demokratie", sagte Liminski. Denn: "Wenn sich aber eine demokratische Gesellschaft nicht mehr auf Fakten verständigen kann, droht ihr der Garaus."
Von einem "definierenden Moment unserer Demokratie" sprach Weimer. "Es geht um unsere Zukunft. Die entstandene Architektur unserer Informationsgesellschaft ist mit dem Überleben unserer Demokratie nicht vereinbar." Der Kulturstaatsminister warnte vor Echokammern, in denen sich radikale Meinungen immer weiter verstärkten. Das leiste dem "Trend zum autokratischen Denken" Vorschub, warnte Weimer.
"Wenn in einem Land nach dem anderen die politische Kultur nach rechts abrutscht, hat das natürlich unmittelbar mit den digitalen Echokammern, also Social Media, zu tun." Weimer und Liminski forderten vor diesem Hintergrund, deutsche und europäische Regulierung auch gegen Internetgiganten durchzusetzen - und dafür im Ringen mit den USA notfalls auch wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen.
Das ausführliche Interview mit Nathanael Liminski und Wolfram Weimer erscheint am Dienstagabend, 18 Uhr bei ntv.de
Quelle: ntv.de