Politik

Freunde werden sie nicht mehr Habeck und Merz verbeißen sich bei Illner

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Bei Illner schenkten sie sich nichts: Habeck und Merz.

Bei Illner schenkten sie sich nichts: Habeck und Merz.

(Foto: picture alliance/dpa)

Es gab schon freundlichere Phasen im Verhältnis zwischen CDU und Grünen. Die Union will den Wirtschaftsminister mit einem Untersuchungsausschuss quälen, der fährt eine Gegenattacke. Am Abend treffen beide bei Illner aufeinander. Und enttäuschen nicht.

Das alte Bild vom Karren im Dreck, darum geht es an diesem Abend. "Diese Regierung ist dabei, den Karren aus dem Dreck zu ziehen", sagt Robert Habeck im ZDF bei Maybritt Illner. Doch Friedrich Merz sieht das anders: "Sie fahren ihn gerade richtig rein!", schleudert der CDU-Chef dem Wirtschaftsminister von den Grünen entgegen.

Die beiden sind die einzigen Gäste im Studio am späten Donnerstagabend. Falls man sich nach Unterscheidbarkeit von Politikern sehnt, hier bekommt man sie. Merz gegen Habeck, das ist wie AKW gegen Windkraft, wie Mercedes gegen Lastenrad. Subventionen gegen "Das regelt schon der Markt". Eben Schwarz gegen Grün im Frühsommer 2024.

Drei Tage vor der Europawahl kommt die EU nur am Rande vor. Wie Wahlkampf fühlt sich das Duell dennoch an. Nur eben für die Bundestagswahl in anderthalb Jahren. Aber wer weiß, so sagt es Merz gern, wie lange die Ampel-Koalition überhaupt noch hält. Gerade verhandelt sie über einen neuen Haushalt. Auch ein spannendes Thema, doch Illner setzt andere Schwerpunkte: Energiepolitik, Ukraine, Migration und Wirtschaft.

Bei Ukraine und Migration sind sich die beiden allerdings mehr oder weniger einig. Die Freiheit Europas steht auf dem Spiel, es sei im deutschen Interesse, den Ukrainern zu helfen. Mörder wie der Attentäter von Mannheim müssen abgeschoben werden können - das sagt auch Habeck sehr deutlich.

"Es wird sich herausstellen, wer da die Wahrheit gesagt hat"

Bei Energie und Wirtschaft rasseln Merz und Habeck dagegen richtig aneinander. Gerade hat die CDU einen Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg 2023 angekündigt. Ihr Verdacht: Da ging es nicht mit rechten Dingen zu. "Sie haben gesagt, Sie prüfen offen transparent und vorbehaltlos einen Weiterbetrieb", hält Merz Habeck kühl vor. Denn genau daran hat die CDU Zweifel. Experten im Ministerium sahen durchaus Möglichkeiten, die drei verbliebenen Atomkraftwerke weiterzubetreiben. Das zeigen mittlerweile offengelegte Akten.

Es gehe auch um den möglichen Einfluss der Grünen-Bundestagsfraktion auf die Entscheidung. "Und ist es richtig, was Sie behauptet haben, dass die Betreiber die Kernkraftwerke nicht weiter betreiben konnten und wollten", sagt er im Tonfall eines Richters. "Es wird sich herausstellen, wer da die Wahrheit gesagt hat. Einer hat sie nicht gesagt, und der andere hat sie gesagt, und das klären wir jetzt auf."

Habecks Entgegnungen gleichen einem verbalen Augenrollen. Er habe nun zum ersten Mal verstanden, was das Missverständnis bei der Union sein könnte, sagt er. "Natürlich wäre über das Jahr 2023 hinaus ein Weiterbetrieb mit neuen Brennelementen immer möglich gewesen. Das ist ja unstrittig", sagt er. Tatsächlich sei es aber um eine ganz andere Frage gegangen: Ob die Atomkraftwerke geholfen hätten, den Gasverbrauch zu reduzieren. Also Gasverstromung zu ersetzen. Und das sei eben nicht der Fall gewesen. Auch, weil aus den Brennstäben in den Kernkraftwerken nicht mehr viel Strom herauszuholen gewesen sei.

Damit hat Habeck nicht Unrecht - doch ein wichtiger Aspekt fällt unter den Tisch: der Strompreis. Immerhin sechs Prozent trugen die AKW noch zum Strommix bei. Zwar sank der Strompreis seit dem endgültigen Atomausstieg und explodierte nicht etwa. Doch möglicherweise wäre er heute eben noch niedriger, wenn die AKW am Netz geblieben wären. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm ist sich jedenfalls sicher, dass es so gewesen wäre.

Wunder Punkt der CDU

Dass Merz und die Union einen Untersuchungsausschuss anstrengen, ist ein Frontalangriff. Doch der Grünen-Gegenschlag läuft bereits. Und der wummst auf einen wunden Punkt der CDU nieder: die Energiepolitik unter Kanzlerin Angela Merkel. Die Abhängigkeit von russischem Gas wurde immer größer, mit Nord Stream 2 hätte sie sich noch einmal gesteigert. "Wäre Nord Stream 2 ein Jahr früher ans Netz gegangen, wir hätten wahrscheinlich das Jahr 2022 ökonomisch und auch gesellschaftlich nicht überstanden", sagt Habeck. Wenn es ein Aufklärungsinteresse gebe, dann könnte man auch danach fragen, wie es zu diesen "gravierenden Fehleinschätzungen kommen konnte". Dazu zählt er auch die Gasspeicher, die an Russland verkauft wurden.

Womit Habeck endgültig beim Karren angekommen ist, der im Dreck steckt. Denn er stellt die Regierungsübernahme der Ampel als das Zusammenkehren eines Scherbenhaufens dar, den die Union ihr hinterlassen hat. Sein Abschalten der AKW habe dagegen keinen Schaden hinterlassen. Anders als die Abhängigkeit von russischem Gas. Denn als das nicht mehr kam, explodierten die Energiekosten. Industrie, Mittelstand und Handwerk stürzten in eine Krise.

Für Habeck ist das die Wurzel des Übels. Die hohen Energiepreise schlugen auf die Lebensmittel durch, alles wurde teurer, daraufhin brach der Konsum ein. Dann erhöhte die Europäische Zentralbank die Zinsen, um die Inflation wieder herunterzubringen. Das aber machte Kredite teuer und ließ Investitionen einbrechen. Aus Sicht des Ministers führen alle Wege zurück zur CDU und der Liebe zum russischen Gas. Treibende Kraft waren dabei zwar auch die SPD und das Netzwerk Gerhard Schröders. Aber das lässt Habeck weg.

Paradedisziplin: Standpauke

Gerade hat der Minister die Krise schön wegerklärt, da holt Merz zu seiner Paradedisziplin aus, der Standpauke: "Die Lage ist so dramatisch schlecht, dass sie dem Finanzminister peinlich ist. Der Bundeskanzler sagt: Alles prima. Sie haben in dieser Koalition keinen Konsens in den zentralen wirtschaftspolitischen Fragen. Sie wissen in dieser Koalition weder ein noch aus. Sie haben keine Wirtschaftspolitik."

Merz stellt damit die Schwäche der Regierung bloß: Ob man nun für oder gegen Habecks Subventionspolitik ist - in der Ampel selbst gibt es auch Streit darüber. "Da machen Sie ein Heizungsgesetz und belästigen die Regierung und das ganze Land über Monate mit diesem verkorksten Gesetz", schimpft er. Im vorletzten Jahr seien 125 Milliarden Euro Kapital aus Deutschland abgeflossen, so viel wie noch nie. "Was sie in der Wirtschaftspolitik machen, wenn man überhaupt von Wirtschaftspolitik sprechen kann, ist ein einziges Desaster."

Dann wirft er ihm noch vor, zu wenig in Brüssel präsent zu sein, geißelt das Bürgergeld und kritisiert Habecks Subventionspolitik. Stattdessen sollte man günstige Rahmenbedingungen für die gesamte Wirtschaft schaffen. Habeck widerspricht energisch, stellt Merz und sein Denken als von gestern dar. China sei ein systemischer Rivale, da brauche man beispielsweise eine Halbleiterproduktion in Deutschland oder Europa. Und die müsse gefördert werden.

Einig waren sich Merz und Habeck eben nur darin, dass der Karren im Dreck steckt. Nach der teils hitzigen Debatte scheint das nicht nur für die Wirtschaft zu gelten. Sondern auch, zumindest heute, für alle Fantasien, in der es um eine schwarz-grüne Koalition geht. Die gegenseitigen Sympathien scheinen jedenfalls sehr überschaubar zu sein.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen