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"Grüne Anti-Atom-Ideologie" Union will U-Ausschuss zu Atom-Entscheidungen

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Merz geht davon aus, dass der Ausschuss bereits kommende Woche eingesetzt werden könnte. Es müsse geklärt werden, ob es bei der Entscheidung "wirklich eine vorurteilsfreie Prüfung gegeben" habe.

Merz geht davon aus, dass der Ausschuss bereits kommende Woche eingesetzt werden könnte. Es müsse geklärt werden, ob es bei der Entscheidung "wirklich eine vorurteilsfreie Prüfung gegeben" habe.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Frage, wie es 2022 zur Atom-Entscheidung der Ampel-Regierung gekommen ist, will die Union einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Sie moniert, dass die nationale Energiesicherheit "ausschließlich nach der Logik grüner Parteipolitik" erfolgt sei. Die verantwortlichen Minister Habeck und Lemke geben sich betont gelassen.

Der Bundestag wird sich aller Voraussicht nach in einem Untersuchungsausschuss mit der Frage befassen, wie die Ampel-Regierung vor zwei Jahren zur Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken gekommen ist. Die Unionsfraktion brachte dazu nach Informationen aus Teilnehmerkreisen am Nachmittag die Einsetzung eines solchen Bundestagsgremiums mit einem entsprechenden Antrag auf den Weg. Dazu reichen im Parlament die Stimmen der größten Oppositionsfraktion aus.

Es dränge sich die Schlussfolgerung auf, dass die Bundesregierung "in einer entscheidenden Frage unserer nationalen Energiesicherheit" nicht zum Wohle Deutschlands, "sondern ausschließlich nach der Logik grüner Parteipolitik" entschieden habe, hieß es in einem Schreiben an die Unions-Parlamentarier von Unionsfraktionschef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Zugesagte Unterlagen zur Aufklärung seien "allenfalls lückenhaft übersandt" worden.

Untersuchungsausschuss könnte schon bald eingesetzt werden

Merz betonte, er gehe davon aus, dass der Ausschuss bereits kommende Woche eingesetzt werden könnte. Er könnte dann noch vor der Sommerpause mit der Arbeit beginnen. Es müsse geklärt werden, ob es bei der Entscheidung "wirklich eine vorurteilsfreie Prüfung gegeben" habe oder ob es eine parteipolitische Festlegung gegeben habe, "die nur noch mit vordergründigen Argumenten unterlegt werden musste aus den jeweiligen Behörden". Dies betreffe die Ministerien, die nachgelagerten Behörden und auch das Kanzleramt.

Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sind laut Artikel 44 Grundgesetz mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestages nötig. Bei 733 Abgeordneten bedeutet das, dass mindestens 184 Parlamentarier für das Gremium stimmen müssen. Die Unionsfraktion als größte Oppositionskraft im Bundestag kann ein solches Gremium mit ihren 195 Abgeordneten damit also im Alleingang einberufen.

Interne Bedenken in den Ministerien seien unterdrückt worden

Die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke waren nach einem Bericht des Magazins "Cicero" unter Druck geraten, wonach sowohl im Wirtschafts- als auch im Umweltministerium im Frühjahr 2022 interne Bedenken zum damals noch für den folgenden Jahreswechsel geplanten Atomausstieg unterdrückt worden sein sollen. Das Magazin berichtete, dass "Netzwerke der Grünen" die Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke "manipuliert" hätten. Hinweise von Fachleuten seien demnach nicht zu Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck durchgedrungen. Beide Ministerien bestreiten dies.

Eigentlich hätten die drei AKWs, die in Deutschland noch am Netz waren, Ende 2022 abgeschaltet werden sollen. Das war von der Union stark kritisiert worden. Doch als Deutschlands wichtigster Gaslieferant Russland im Februar 2022 die Ukraine angegriffen hatte, löste dies Überlegungen zur Sicherung der Energieversorgung aus. Als die Gaslieferungen aus Russland dann zunächst gedrosselt und später gestoppt wurden, beschloss die Bundesregierung aber, die Laufzeiten der drei Kraftwerke bis Mitte April 2023 zu verlängern.

Grüne zeigen sich gelassen

Umweltministerin Lemke sieht die Pläne der Unionsfraktion gelassen. "Es ist selbstverständlich das Recht der Opposition, einen solchen Untersuchungsausschuss einzurichten", sagte sie im Deutschlandfunk. Die 2022 getroffene Entscheidung, die drei verbliebenen Atomkraftwerke (AKWs) nur dreieinhalb Monate länger am Netz zu lassen, sei jedoch von Anfang an "transparent und öffentlich nachvollziehbar" gewesen. Die Regierung habe dabei "immer wieder ergebnisoffen geprüft".

Dem Parlament seien über 600 Dokumente zu damaligen Entscheidungen übermittelt worden. "Alle Fakten liegen längst auf dem Tisch. Mehrfache Angebote, darüber hinausgehenden Informationsbedarf auch in weiteren Gesprächen zu decken, schlug die Unionsfraktion aus", kritisierte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Auch Habeck betonte das Recht der Opposition auf einen Untersuchungsausschuss. "Ich sehe dem mit großer Gelassenheit entgegen." Das Ministerium habe alle geforderten Unterlagen herausgegeben.

Habeck und Lemke hatten bereits im April die Kritik zurückgewiesen. "Wir haben aktiv alle Möglichkeiten ausgelotet inklusive einer Laufzeitverlängerung", sagte Habeck damals in einer Sondersitzung des Bundestags-Energieausschusses. Die Bewertungen und Einschätzungen hätten sich "zu jeder Zeit an der nuklearen Sicherheit unseres Landes orientiert", betonte Lemke.

"Kein Mensch blickt durch, was die Union will"

Entspannt gab sich auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sei zwar "das gute Minderheitenrecht" der Union. Diese habe aber bislang nicht deutlich gemacht, "was sie eigentlich aufklären" wolle. "Bislang erschließt sich mir noch nicht, wo der Aufklärungsgegenstand besteht", so Dröge. Im Jahr 2022 sei kaum eine Frage öffentlich so breit diskutiert worden wie die nach den Laufzeiten der Kraftwerke. Am Ende sei Politik dafür da, Entscheidungen zu treffen.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch erklärte, der Ausschuss "wäre eine gute Gelegenheit, das gespaltene Verhältnis der Union zur Atomkraft zu klären: Atomausstieg, dann wieder Einstieg, dann Ausstieg, nun wieder Einstieg - jetzt sogar der Bau neuer Atommeiler?" Kein Mensch blicke durch, was die Union in der Energiepolitik wolle. "Statt tote Pferde zu reiten, setzen wir auf die Erneuerbaren", sagte er.

Dobrindt: Vorwurf der Täuschung steht im Raum

CSU-Landesgruppenchef Dobrindt sagte derweil: "Es geht nicht darum, einen Vorwurf gegenüber der grünen Anti-Atom-Ideologie zu formulieren, sondern es geht hier klar um den Vorwurf einer möglichen Täuschung." Die Union habe mehrfach versucht, Klarheit zu schaffen und um Transparenz gebeten. "Die ist weder gegenüber der Öffentlichkeit noch gegenüber dem Parlament vonseiten der Ampel gewährt worden."

Deutschland hatte den Atomausstieg am 15. April 2023 endgültig vollzogen und die letzten drei Meiler abgeschaltet. Die Kraftwerke hätten ursprünglich schon zum Jahreswechsel davor vom Netz gehen sollen, der Betrieb war aber zur Sicherung der Stromversorgung verlängert worden.

Die Grünen hatten sich lange gegen einen solchen Schritt gewehrt, dann aber das von Habeck und den AKW-Betreibern im September 2022 vorgelegte Konzept einer vorübergehenden Einsatzreserve für zwei der drei letzten deutschen Atomkraftwerke unterstützt. Die FDP war grundsätzlich für eine längere Laufzeit. Im Oktober 2022 sprach Bundeskanzler Olaf Scholz ein Machtwort für den Weiterbetrieb aller drei Meiler bis zum Frühjahr 2023.

Quelle: ntv.de, mes/dpa/AFP

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