Nur ein Allerweltsspruch? Höcke steht wegen SA-Parole vor Gericht


Protest gegen Höcke vor dem Landgericht Halle.
(Foto: via REUTERS)
Thüringens AfD-Chef Björn Höcke steht ab heute in Sachsen-Anhalt vor Gericht. Der Vorwurf: Er soll zweimal einen SA-Slogan verwendet haben. Höcke sagt, er habe nicht gewusst, dass der Spruch eine Nazi-Parole ist. Allerdings lief die erste Klage beim zweiten Mal bereits.
Björn Höcke scheint sich verfolgt zu fühlen, er tut zumindest so. "Das Strafrecht, das wir im Augenblick haben, wird immer mehr zur Einschränkung der Meinungsfreiheit benutzt", klagte der AfD-Politiker unlängst im TV-Duell gegen den Thüringer CDU-Vorsitzenden Mario Voigt beim Fernsehsender "Welt". Dass es an ihm selbst liegen könnte, dieser Gedanke scheint Höcke fremd zu sein.
Im März hob der Thüringer Landtag Höckes Immunität auf, ein normaler Vorgang, wenn gegen Abgeordnete ermittelt wird. Nicht normal ist allerdings, dass dies acht Mal bei ein und demselben Abgeordneten geschieht. Auf X klagte Höcke nicht darüber, sondern brüstete sich mit der angeblichen Einschränkung der Meinungsfreiheit: "Die nervösen Übergriffe unserer Gegner sind die Begleitmusik unseres Erfolges", schrieb er am 8. März und postete dazu ein Bild, das ihn beim Joggen zeigt.
An diesem Donnerstag steht Höcke erneut vor Gericht, die Staatsanwaltschaft Halle in Sachsen-Anhalt wirft ihm vor, "ein Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation öffentlich verwendet zu haben". Laut Anklage hat der AfD-Politiker, den man nach Urteilen sowohl "Faschist" als auch "Nazi" nennen darf, im Mai 2021 im anhaltinischen Merseburg auf einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei eine gut zwanzigminütige Rede mit der Formel "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland" beendet. Höcke habe gewusst, so die Anklage, "dass es sich bei dem letzten Teil dieser Formel um eine verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) der NSDAP gehandelt habe". Der Thüringer Landesverfassungsschutz stuft Höcke als Rechtsextremisten ein. In Thüringen wie auch in Sachsen-Anhalt und Sachsen wird seine Partei als gesichert rechtsextrem geführt.
"Es ist ein Allerweltsspruch"
Während des TV-Duells behauptete Höcke, ein ehemaliger Geschichtslehrer aus Hessen, er habe mit dem Spruch "letztlich" den Wahlkampfslogan von Donald Trump, "America first" ins Deutsche übertragen. Er bestritt, gewusst zu haben, dass der Spruch eine NS-Parole ist: "Nein, ich wusste es nicht", sagte er auf eine entsprechende Frage des Moderators. "Es ist ein Allerweltsspruch", das wisse doch jeder.
Wenn das auch vor Gericht Höckes zentrale Verteidigungslinie sein sollte, dann wird es interessant sein, zu beobachten, wie erfolgreich er damit ist. Die Anklageschrift wegen des Auftritts in Merseburg datiert vom 16. Mai 2023. Wenige Monate später, am 12. Dezember 2023, soll Höcke die Formulierung erneut verwendet haben, wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor: in Gera, dieses Mal "im sicheren Wissen um dessen Strafbarkeit". Höcke habe die Parole allerdings nicht selbst komplett gesagt, sondern "Alles für" ausgesprochen und anschließend das Publikum durch Gesten animiert, "Deutschland" zu rufen - das war der Anlass für die achte Aufhebung seiner Immunität. Ursprünglich sollte es vor dem Landgericht Halle nur um den Auftritt in Merseburg gehen.
Die Anklage bezieht sich auf die Paragrafen 86 und 86a des Strafgesetzbuches. Dort geht es um das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen beziehungsweise um das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. In beiden Fällen sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor.
Theoretisch ist auch Höckes Wählbarkeit in Gefahr
Für den Prozess sind derzeit vier Verhandlungstage angesetzt, der letzte am 14. Mai. Das Verfahren findet vor dem Hintergrund laufender Wahlkämpfe statt: Am 9. Juni sind in Thüringen Kommunalwahlen, am 1. September wird der Landtag von Erfurt neu gewählt. In Umfragen zur Landtagswahl liegt die AfD bei 29 Prozent, die CDU folgt mit 20 Prozent auf Platz zwei. Beim TV-Duell bot Höcke dem CDU-Spitzenkandidaten eine Zusammenarbeit an. "Wir machen eine bürgerlich-konservative-patriotische Wende in Thüringen", sagte Höcke. Voigt lehnte ab: "Sie sind nicht bürgerlich, Sie sind völkisch", entgegnete er. "Ich bin demokratisch, Sie sind autoritär. Nein."
Höcke ist bei der Landtagswahl nicht nur Spitzenkandidat der AfD, sondern bewirbt sich im Landkreis Greiz auch um ein Direktmandat. In Paragraf 17 des Thüringer Wahlgesetzes heißt es, nicht wählbar sei, wer "infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt". Theoretisch könnte das Landgericht entscheiden, dass Höcke sein aktives und auch sein passives Wahlrecht vorübergehend verliert.
"Wenn er zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt würde, dann könnte das Gericht zugleich aussprechen, dass er auch für eine bestimmte Dauer von maximal fünf Jahren nicht mehr aktiv und passiv wahlberechtigt ist und gegebenenfalls auch keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden kann", sagte eine Sprecherin des Landgerichts Halle. Dazu sei kein separates Verfahren nötig, es liege im Ermessen des Gerichts, ob es diese Nebenfolge ausspreche.
Vor dem Landgericht in Halle dürfte es zu Protesten kommen - von AfD-Anhängern, die Höcke dazu aufgerufen hat, sich "ein Bild von der Lage der Bürgerrechte, der Demokratie und des Rechtsstaats in Deutschland" zu machen. Und von Höcke-Gegnern, die ebenfalls zu Demonstrationen aufgerufen haben.
In Thüringen kommt auf den AfD-Politiker ein weiterer Prozess zu. Das Landgericht Mühlhausen ließ Ende Januar eine Anklage gegen ihn wegen des Verdachts der Volksverhetzung zu. Dabei geht es um einen Beitrag im Social-Media-Dienst Telegram aus dem Jahr 2022 nach einem tödlichen Messerangriff eines Somaliers im rheinland-pfälzischen Oggersheim.
Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP