AfD-Spitzenkandidat bei ntv Höcke will als Ministerpräsident "sofort den Bund verklagen"
13.08.2024, 11:08 Uhr Artikel anhören
"So unattraktiv wie möglich für Sozialmigration" will AfD-Spitzenkandidat Höcke das Bundesland Thüringen machen. Die Zuwanderung nach Deutschland vergleicht er im ntv Frühstart mit einem "Wasserrohrbruch". Höcke bekräftigte, er wolle auf jeden Fall Ministerpräsident werden.
Im Falle einer Regierungsübernahme in Thüringen hat Björn Höcke eine drastische Veränderung der Migrationspolitik angekündigt. "Wir werden auf jeden Fall Thüringen so unattraktiv wie möglich für Sozialmigration machen", sagte der AfD-Landeschef und Spitzenkandidat bei der Thüringer Landtagswahl in der ntv-Sendung "Frühstart". Und weiter: "Wir werden deutlich in den Raum stellen, dass das Weltsozialamt Deutschland in der Abteilung Thüringen geschlossen ist." Zudem werde eine AfD-geführte Landesregierung "sofort den Bund verklagen". So solle die Bundesregierung gezwungen werden, "Recht und Gesetz zu exekutieren und die Bundesaußengrenze zu schützen".
Die vom Thüringer Verfassungsschutz als "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung" eingestufte AfD liegt in einer aktuellen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen mit 30 Prozent deutlich vor der zweitplatzierten CDU mit 21 Prozent Zustimmung. Die Verfassungsschützer sind unter anderem wegen rassistischer und muslimfeindlicher Positionen der Thüringer AfD besorgt. Im ntv Frühstart verglich Höcke die Zuwanderung mit einem "Wasserrohrbruch", der gestoppt werden müsse. Und: "Abschiebungen sind natürlich auch ein wichtiges Mittel, um auch deutlich zu machen, dass die Willkommenskultur beendet wird."
"Es wird mir schwerfallen, zu verzichten"
Höcke bekräftigte in dem Gespräch, dass er Ministerpräsident werden wolle. Dabei wollen weder die CDU noch das bei 19 Prozent liegende BSW mit Höcke koalieren. Die laut Forschungsgruppe Wahlen bei 14 Prozent liegende Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow erst recht nicht. SPD und Grüne, die die AfD ebenfalls entschieden ablehnen, müssen bangen, ob sie überhaupt wieder in den Landtag einziehen. Trotz fehlender Koalitionspartner gab sich Höcke optimistisch. "Ab einer gewissen Stärke kommt man, glaube ich, auch an der stärksten Kraft nicht mehr vorbei", sagte Höcke. "Das ist dann die sogenannte normative Kraft des Faktischen, gegen die sich ein Demokrat dann irgendwann auch nicht mehr wehren kann."
Spekulationen, dass die AfD eher einen Partner im Landtag fände, würde Höcke auf einen Kabinettsposten verzichten, nährte Höcke nicht. "Die Menschen stehen zu tausenden vor unseren Bühnen, wenn ich rede. Die Begeisterung ist riesengroß, die Resonanz ist absolut positiv", sagt Höcke. "Es wird mir schwerfallen, zu verzichten." Dass ihn selbst CDU-Ministerpräsidenten als "Nazi" bezeichnen, ist nach Höckes Darstellung Ausdruck von Angst. "Dass man mich zum Teufel der Nation gemacht hat, war ja nicht mein Wille. Und das hat man wahrscheinlich getan, weil ich 'gefährlich' bin für das Establishment, für die Kartellparteien."
AfD warnt vor Verfassungsschutz - und andersherum
Höcke kündigte zudem an, den Verfassungsschutz "reformieren" zu wollen. "Er darf nicht mehr als Schild und Schwert der Regierung missbraucht werden können", sagte Höcke bei ntv. "Das ist im Augenblick in Deutschland und in Thüringen der Fall. Er ist eine große, große Gefahr für die Demokratie, deswegen müssen wir da rangehen." Auch in anderen Bundesländern und im Bund wird die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet. Mit der Formulierung "Schild und Schwert" will Höcke vermutlich den durch das Parlament kontrollierten Landesverfassungsschutz mit dem früheren Ministerium für Staatssicherheit der DDR vergleichen. Das MfS hatte sich als "Schild und Schwert der Partei" begriffen.
Die Partei weist dessen warnende Einschätzungen als politische Instrumentalisierung der Behörden durch die regierenden Parteien zurück. Im Mai verlor die AfD ihre Klage gegen den Bundesverfassungsschutz beim Oberverwaltungsgericht in Münster. Dieser dürfe die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen, befanden die Richterinnen und Richter.
Kanzlerkandidatur nicht ausgeschlossen
In Höckes Darstellung kämpft die AfD gegen ein "Altparteienkartell" an. "Sie können Grün wählen oder Rot wählen oder Schwarz wählen: Sie kriegen mehr EU, mehr Eurorettung, mehr Energiewende, mehr Multikulti, mehr aggressive Kriegsrhetorik. Von daher ist das ein Kartellwesen." Auch vom Bündnis Sahra Wagenknecht sei er "relativ enttäuscht oder ernüchtert". Über das Thüringer BSW sagte Höcke: "Ich sehe, dass dort ein Landesverband mit 50 Mitgliedern existiert, der kadermäßig geführt wird, der zentralistisch geführt wird." Das habe wenig mit Basisdemokratie zu tun.
Zur Debatte über einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkandidatin der AfD sagte Höcke, darüber werde die Führung der Bundespartei nach den Landtagswahlen entscheiden. In Sachsen und Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt, in Brandenburg am 22. September. In allen drei Ländern könnte die AfD jeweils stärkste Kraft werden. In Sachsen lag zuletzt jedoch wieder die CDU vorn. "Wir werden eine sehr gute Lösung finden, mit der die Partei sehr glücklich sein wird", sagte Höcke. Zur Frage, ob er ausschließe, eines Tages Bundeskanzler werden zu wollen, sagte Höcke: "Wer weiß, was die Zeit uns noch bringt."
Quelle: ntv.de, shu/