Politik

Vom Flüchtlingspakt ausgeschlossen In Idomeni stirbt die Hoffnung

In Idomeni halten sich nach wie vor mehr als 10.000 Flüchtlinge auf.

In Idomeni halten sich nach wie vor mehr als 10.000 Flüchtlinge auf.

(Foto: imago/Christian Mang)

Mehr als 10.000 Flüchtlinge sitzen nach wie vor in Idomeni fest und hoffen, dass sich die Grenze öffnet. Dass der Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei sie ausschließt, wissen sie nicht - Frustration macht sich breit.

Den gestrandeten Flüchtlingen in Idomeni bleibt keine Prüfung erspart: Nach den sintflutartigen Regenfällen der vergangenen zwei Wochen fegen mittlerweile heftige Sturmböen über das griechische Elendscamp unmittelbar an der Grenze zu Mazedonien. Männer beschweren am Morgen die Heringe ihrer Zelte mit größeren Steinen, decken die Dächer mit Plastikplanen ab. Frauen und Kinder stellen sich wie gewohnt für die Frühstücks-Sandwiches an, die die griechische Hilfsorganisation Praksis verteilt.

Eine Prüfung anderer Art hält für die immer noch mehr als 10.000 Menschen in Idomeni die große Weltpolitik bereit. Denn der Flüchtlingspakt, den die EU und die Türkei am Freitag in Brüssel beschlossen haben, handelt nur von Asylsuchenden, die ab Sonntag über die Ägäis in Griechenland eintreffen. Er enthält kein Wort darüber, was mit den Flüchtlingen geschehen soll, die schon jetzt in Griechenland sind. Die Regierung in Athen beziffert ihre Zahl mit rund 46.000. Ihr Schicksal bleibt vorerst ungewiss.

"Es gibt kein Zurück"

Die Komplexität der Abmachung aus dem fernen Brüssel vermittelt sich den Flüchtlingen nur schwer. Der 50-jährige Jassir, ein Facharbeiter aus der syrischen Hauptstadt Damaskus, hat lediglich mitbekommen, dass sich ab Sonntag etwas grundlegend ändert. "Es heißt, am Sonntag oder Montag geht hier die Grenze auf", sagt er voller Zuversicht. Es ist Wunschdenken, gespeist aus Unwissenheit und Realitätsverleugnung.

Mahmud Nadschar, ein Juwelier aus der vom Krieg verwüsteten syrischen Stadt Aleppo, beteuert, dass er über keine handfesten Informationen verfügt. "Ich weiß nur, dass es für mich kein Zurück gibt", sagt der 48-Jährige. In Aleppo habe er alles verloren, das Geschäft, das Haus, den Besitz. Zwei erwachsene Söhne seien bereits in Deutschland. Nadschar hofft weiter auf eine Öffnung der Grenze. Ihm dämmert aber auch: "Ich weiß nicht, was wir hier noch ausrichten können."

Frustration und Schlägereien

Manche Flüchtlinge waren am vergangenen Montag dabei, als bis zu 2000 Menschen einen reißenden Fluss durchquerten, um den mazedonischen Grenzzaun zu umgehen. Auf mazedonischem Gebiet wurden sie aber von den Sicherheitskräften des kleinen Balkanlandes aufgehalten und brutal zurückgeschoben, zum Teil misshandelt. Diese Erfahrungen und das lange Warten ohne Aussicht auf Weiterkommen bewirken, dass die Nerven mitunter blank liegen. Bei den Essensverteilungen der internationalen Helfer kommt es gelegentlich zu Streit und Rempeleien, wenn sich jemand vordrängeln möchte.

In der Nacht sind Massenschlägereien nicht selten. Oft geraten junge Männer aus Syrien und Afghanistan aneinander. Die Syrer beschuldigen die Afghanen - fälschlicherweise -, dass sie schuld daran seien, dass die Grenze nun für alle geschlossen ist. "Es ist nicht überraschend, dass sich die Frustrationen nach all dem auch auf diese Weise entladen", meint der Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisation.

In Idomeni stirbt die Hoffnung ganz langsam. Mehrere Busse verlassen täglich das Camp. Sie bringen diejenigen nach Athen, die es nicht mehr aushalten in Wind und Regen. Es sind private Busse, die Passagiere müssen für die Fahrt 25 Euro pro Person bezahlen. Aber es kommen immer noch neue Flüchtlinge nach, die nach der gefährlichen Überfahrt über die Ägäis von Athen aus nach Norden aufbrechen. Für sie ist Idomeni, das Camp an der geschlossenen Grenze, immer noch ein Hoffnungspunkt.

Quelle: ntv.de, Gregor Mayer, dpa

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