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Putins Drohung an Finnland Kriegt die NATO jetzt "Probleme"?

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Wladimir Putin droht dem Westen immer wieder - auch mit militärischen Angriffen.

Wladimir Putin droht dem Westen immer wieder - auch mit militärischen Angriffen.

(Foto: picture alliance/dpa/TASS)

Kremlchef Putin droht Finnland nach dem NATO-Beitritt mit "Problemen". Dass ein militärischer Angriff auf das Nachbarland und somit auf die Nordatlantische Allianz bevorsteht, halten westliche Militärexperten für nicht wahrscheinlich. Dass es in Zukunft dazu kommen könnte dagegen schon eher.

"Welchen Sinn hat es, dass Russland jemanden angreift?", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am 20. Februar 2022 im russischen Staatsfernsehen. Vier Tage später tat Russland genau das und begann die Invasion in die Ukraine, die bis heute andauert.

Mit ähnlich klingenden Worten versuchte nun Wladimir Putin in einem am Sonntag im Staatsfernsehen ausgestrahlten Interview die Befürchtungen des Westens zu zerstreuen, dass sein Land für die NATO eine Bedrohung darstelle. "Russland hat keine Gründe, kein Interesse - weder geopolitisch noch wirtschaftlich noch militärisch - mit Staaten der NATO zu kämpfen", sagte der 71-Jährige. Solche Befürchtungen seien "völliger Blödsinn".

Gleich danach warf Putin den NATO-Staaten jedoch vor, künstlich einen Konflikt zwischen Russland und Finnland zu schüren und Letzteres in das Bündnis "hineingezogen" zu haben. Finnland trat am 4. April der NATO bei, als Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine. Russland habe keine Probleme mit Finnland gehabt, "aber jetzt wird es sie geben", drohte Putin. Russland werde im Nordwesten des Landes den Leningrader Militärbezirk rund um die Metropole St. Petersburg aufbauen und Militäreinheiten stationieren, erklärte er.

Soll die NATO nun einen bevorstehenden Angriff auf Finnland fürchten? Russlands Drohungen gegen den Westen sind nichts Neues. Putin und andere hochrangige Politiker drohen den USA und der NATO immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen. Auch verbale Angriffe gegen Nachbarländer sind keine Seltenheit.

"Geschenk Stalins", "von Lenin erfunden" ...

Im Juli sagte Putin, Russland werde "mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln" reagieren, nachdem Warschau aufgrund der Verlegung von Kämpfern der Wagner-Gruppe nach Belarus Truppen an die belarussisch-polnische Grenze geschickt hatte. Westliche Regionen Polens bezeichnete er als ein "Geschenk Stalins" an die Polen nach dem Zweiten Weltkrieg. Ähnliche Rhetorik gab es auch vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine - der russische Präsident sprach dem Nachbarland die Staatlichkeit ab und behauptete, die Ukraine sei "1922 von Lenin erfunden worden, als die Sowjetunion gegründet wurde".

Vor diesem Hintergrund erscheint die Sorge Finnlands vor einem möglichen russischen Einmarsch gerechtfertigt. Denn Finnland erlangte seine Unabhängigkeit von Russland erst 1917 im Zuge der Oktoberrevolution. Davor war es ein autonomes Gebiet innerhalb des russischen Zarenreichs. Im Winterkrieg 1939 - 1940 versuchte die Sowjetunion vergeblich, Finnland zu besetzten. Als Folge des Krieges musste das Land einen Teil seines Territoriums abtreten, konnte jedoch die Unabhängigkeit bewahren.

"Putin nimmt den Westen als schwach wahr"

Experten der US-amerikanischen Denkfabrik "Institute for the Study of War" (ISW) sehen in Putins aktuellen Aussagen zwar keine direkte militärische Bedrohung, sehen aber einen Zusammenhang zwischen der nachlassenden Unterstützung der Ukraine und einer möglichen Eskalation des Konflikts Russlands mit der NATO in Zukunft.

Putins aktuelle Drohungen seien Teil des langjährigen russischen Narrativs über einen Angriff auf die NATO, das bereits vor Finnlands Aufnahme in das Bündnis existierten. "Putins Interview deutete darauf hin, dass er den Westen weiterhin als schwach wahrnimmt", schreibt das ISW in seinem aktuellen Lagebericht. Auch Militärexperte Markus Reisner sieht es ähnlich. "Russland sieht sich in einer Position der Stärke und richtet sich mit Drohungen bereits über die Ukraine hinausgehend an die NATO-Staaten", sagte der Oberst des österreichischen Bundesheers im ntv.de-Interview.

Mit Blick auf den geplanten Aufbau eines neuen Militärbezirks erklärte Reisner: "Das zeigt sehr deutlich, dass das Zaudern im Westen vom Kreml sofort als Chance erkannt und genutzt wird. Nicht nur auf der militärisch-politischen Ebene, sondern auch operativ, auf dem Gefechtsfeld."

Einstellung der Ukraine-Hilfen könnte schwere Folgen für die NATO haben

Für Putin sei es nur eine Frage der Zeit, bis der Westen bei seiner Unterstützung der Ukraine in die Knie gehen würde, erklärte der Militärexperte. Sollte der Westen seine Militärhilfe für Kiew einstellen, würde es nach Einschätzung des ISW früher oder später dazu führen, dass die Fähigkeit der Ukraine, das russische Militär abzuwehren, zusammenbricht, was zu einer Besetzung der Ukraine durch Russland führen könnte.

Die wiederholte, feindselige Rhetorik des Kremls gegenüber der NATO stellt nach Ansicht der ISW-Experten in Verbindung mit den potenziellen künftigen militärischen Fähigkeiten Russlands im Falle eines Sieges in der Ukraine eine glaubwürdige - und kostspielige - Bedrohung für die westliche Sicherheit dar. Der Westen wäre entlang fast der gesamten Ostgrenze der NATO gezwungen, sich auf die Verteidigung gegen ein mögliches militärisches Vorgehen Russlands vorzubereiten, warnt das ISW. "Die Unterstützung der Ukraine bietet dem Westen die beste Möglichkeit, diese Kosten und die erweiterte russische Bedrohung zu vermeiden", schlussfolgern die US-Experten.

Quelle: ntv.de

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