Politik

Baerbock spielt Solo im Triell Laschet zwingt Scholz in den Zweikampf

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Scholz muss sich von Laschet einiges anhören.

(Foto: picture alliance/dpa)

Zwei Wochen vor der Wahl das zweite Triell: Von Anfang an geht es hitzig zu in der TV-Runde der drei Kanzlerkandidatinnen. CDU-Chef Laschet nimmt vor allem den in Umfragen führenden Scholz ins Visier. Das gelingt ihm zwar, scheint der Union aber nicht weiterzuhelfen.

Vor dem zweiten Triell ist die Ausgangslage dieselbe wie vor dem ersten: In den Umfragen liegt SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz vor Unionsbewerber Armin Laschet, weshalb der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen erneut die Rolle des Jägers ausfüllen muss. Das gelingt ihm, je näher die Bundestagswahl rückt, mit wachsender Routine: Ginge es allein nach Anzahl und Qualität der abgefeuerten Schüsse, könnte Laschet am Ende dieses Sonntagabends durchaus Hoffnung schöpfen für seine Kanzlerambitionen. Tatsächlich aber muss er feststellen, dass sein Zielobjekt, der sich immer selbstgewisser präsentierende Scholz, noch immer steht. Es könnte - aus Sicht des Jägers - zum Verzweifeln sein.

Von Verzweiflung aber keine Spur: Als Maybrit Illner und Oliver Köhr das Triell damit eröffnen, Laschet zu fragen, ob die Union auch auf Platz zwei in eine Regierung eintreten würde, weicht Laschet aus und geht direkt in den Angriff auf Scholz über: Laschet stellt fest, dass seine Partei jedenfalls nicht mit der Linken koalieren werde. Als kurz darauf Scholz die Frage nach einem Linksbündnis beantworten muss und eine definitive Absage verweigert, übernimmt der CDU-Vorsitzende zum ersten, aber nicht letzten Mal an diesem Abend die Moderation: "Das ist ein wenig unredlich", wirft Laschet Scholz vor und verlangt Klarheit. Scholz bringt das zwar nicht aus der Ruhe, aber er muss länger über die Linke reden, als es ihm lieb sein kann.

"Wenn mein Finanzminister so arbeiten würde..."

Und so geht es auch weiter: Die Hausdurchsuchung der Staatsanwaltschaft im Bundesfinanzministerium in der vergangenen Woche kann der Bundesfinanzminister im ersten Anlauf noch plausibel erklären. "Das hat gar nichts mit dem Ministerium zu tun", sagt Scholz über den Vorgang bei der Financial Intelligence Unit (FIU), einer Unterbehörde des Zoll. Als "Schönrednerei" bezeichnet Laschet umgehend Scholz' Ausführungen darüber, was dieser alles zur besseren Aufstellung der FIU unternommen habe. Zudem sei es "unangemessen, dass Sie abfällig über die Justiz geredet haben", stellt Laschet fest.

Und um sicher zu gehen, dass das Thema nur ja auf den Tisch kommt, spricht Laschet direkt über den Milliardenbetrugsfall Wirecard und die Rolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). "Bei Wirecard haben Millionen Kleinanleger viel, viel Geld verloren, weil sie die Aufsicht nicht richtig ausgeübt haben", wettert der CDU-Chef. Und: "Wenn mein Finanzminister so arbeiten würde wie Sie, hätten wir ein ernstes Problem", markiert Laschet den Ministerpräsidenten. "Das Ergebnis Ihres Tuns ist, dass die Aufsicht versagt hat."

"Entspannen Sie sich!"

Laschet kitzelt mit seinen ständigen Attacken gleich zu Beginn der Sendung bei Scholz etwas heraus, das auch aufmerksame Beobachter des SPD-Kanzlerkandidaten nicht oft erlebt haben: Temperament. "Sie haben absichtlich einen falschen Eindruck erweckt und das machen Sie aus nicht gutem Grunde", belehrt Scholz seinen Kontrahenten. Er wirft Laschet "Unwahrheiten" vor. In einem späteren Wortgefecht fordern beide einander sichtlich erregt auf: "Entspannen Sie sich!"

Scholz, in diesem Triell in einen gut sitzenden Anzug gekleidet, fällt zu jedem Anwurf Laschets eine einigermaßen ruhig vorgetragene Verteidigung ein, aber nicht immer überzeugt das: Zum Fall Wirecard etwa verweist Scholz auf die neuen Kompetenzen für die BaFin und die verschärften Bilanzierungsregeln für Unternehmen. Das sind aber Maßnahmen, die im Nachgang der größten Unternehmenspleite der deutschen Nachkriegsgeschichte unternommen worden sind.

Baerbock blickt nach vorn

Und Annalena Baerbock? Ja, die ist auch dabei an diesem Abend, aber sie ist erstens weniger mit der Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftigt, weshalb sie bei den Schlagabtäuschen der anderen zwei außen vor bleibt. Und zweitens scheinen weder sie selbst noch die beiden Herren des Triells an ihre Kanzlerchancen zu glauben. Baerbock jedenfalls verzichtet auf direkte Attacken auf Scholz, obwohl doch die SPD in den vergangenen Wochen vor allem auf Kosten der Grünen gewachsen ist. Andersherum haben Laschet und Scholz auch nicht Baerbock im Visier, während sie einander als jeweils größten Konkurrenten um den höchsten Regierungsposten im Land betrachten.

So sehr, dass dem Sozial- und dem Christdemokraten beinahe entgeht, dass die Grünen-Vorsitzende in ihrer Redezeit vor allem über ihre eigenen Programmvorschläge redet und dabei kaum Widerspruch erfährt. Baerbock kann so eine ganze Reihe an Positionen präsentieren, die sie von den anderen beiden Kandidaten abgrenzen: Sie plädiert als einzige für die Möglichkeit, bestimmten Berufsgruppen eine Impfpflicht aufzuerlegen und fordert eine Testpflicht in Unternehmen, wie sie in den Schulen Praxis ist.

Baerbock will als einzige einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor und ein früheres Ende der Kohleverstromung. Baerbock will den Glasfaserausbau nach spanischem Vorbild zur hoheitlichen Aufgabe machen, anstatt ihn den Unternehmen zu überlassen. Sie bekommt Raum, ihren Vier-Punkte-Plan zur Stabilisierung der Rente auszuführen. Baerbocks Fokus auf sich selbst und auch ihre durchaus neue Lockerheit - sie weist lachend darauf hin, dass Scholz' Redezeitmessung offenbar defekt ist - mögen vor allem ihren geringen Aussichten auf einen Wahlsieg geschuldet sein. Es ist aber ein Auftritt, der an das Potenzial der ersten grünen Bundeskanzlerkandidatur erinnert, die in den ersten Wahlkampfmonaten von Fehlern und Pannen überschattet wurde. Andererseits: Baerbock unterlaufen noch immer ihre chronischen Versprecher ("Bundesfinanzamt" statt Bundesfinanzministerium) und aus der Spontaneität formulierte Hohlsätze wie "Jedes Verbot ist auch ein Innovationstreiber."

Laschet will liberale Gegenkraft sein

Dass für ihn deutlich mehr drin gewesen wäre, schwingt auch bei Laschet mit, wenn er beim Triell wie auch bei seinen letzten Wahlkampfauftritten das Programm seiner Kontrahenten mit Verve als lebensfremd und ideologisch kritisiert. Immerhin hat Laschet auf den letzten, mutmaßlich vergeblichen Metern einen Sound für seinen Wahlkampf gefunden: Während SPD und Grüne für ihn Vertreter eines starken, dirigierenden Staates sind, positioniert sich der CDU-Chef zunehmend dezidiert als Liberaler, vor allem in Wirtschaftsfragen. Laschet lehnt weiter Steuererhöhungen ab und will auch sonst keine Zumutungen für Unternehmen und Bürger. "Steuererhöhungen sind in dieser Phase unserer Wirtschaft der falsche Weg", sagt Laschet, weil eine möglichst unbelastete Wirtschaft schneller wachse und so zu mehr Steuereinnahmen führe.

Entbürokratisierung ist für Laschet die zentrale Antwort auf viele Probleme in Deutschland. Im Kampf gegen steigende Mieten denkt Laschet vor allem an Investoren, für die das Bauen attraktiver werden müsse. Beim Thema Klimaschutz setzt er in erster Linie auf die Innovationskraft der deutschen Industrie: "Ich finde, wir müssen die jetzt auch mal machen lassen." Bei den Speichertechnologien müsse nur ein "Durchbruch" geschafft werden, dann seien "sehr viele Probleme gelöst", richtet Laschet seine Hoffnung auf die Zukunft. Doch auch die Vergangenheit beschäftigt ihn: Es sei falsch gewesen, "zuerst aus der Kernenergie auszusteigen und dann aus der Kohle". Dass er der Freiheitliche in dem Trio sei, ist auch die Botschaft von Laschets Schlusswort, in dem er verspricht, er werden als Bundeskanzler "nicht vorschreiben, wie Sie zu denken haben, wie Sie zu reden haben, wie Sie zu leben haben".

Laut Umfragen kein Plus für Laschet

Angriffe auf Scholz, der sich einer Auseinandersetzung nicht im Merkel-Stil entziehen kann, und ein aus Sicht der Union kerniger, stimmiger Sound: In zweiten von drei Triellen zeigt sich, wer Laschet hätte sein können in den vergangenen Wahlkampfmonaten, als sich die Menschen ihr Bild von den Kandidaten gemacht haben. Wie sehr sich dieses Bild schon verfestigt hat, zeigen die Umfragen von Infratest Dimap im Auftrag der ARD und von der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF: Die befragten Zuschauer des Triells fanden jeweils Scholz am überzeugendsten. Zudem bewerteten die Zuschauer nach ARD-Umfrage Scholz als am kompetentesten.

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Dass Baerbock bei der Sympathie-Frage deutlich gewann (39 Prozent) und Laschet mit 18 Prozent noch deutlicher verlor (34 Prozent für Scholz), deutet daraufhin, dass Laschets breitbeinige Kampflust bei vielen Zuschauern nicht gut ankommt. "Wenn ich das nochmal sagen darf", ist so ein Satz, mit denen er immer wieder die Co-Moderation an sich reißt, um attackieren zu können. Scholz jedenfalls zeigt sich, weil er es sich leisten kann, entspannter. Laschet ist in diesen Wochen eben ein Jäger, ohne dass ihm im Triell die Rolle des sympathischen Underdogs zufällt. Und auch wenn Olaf Scholz ganz sicher kein Bambi ist: Jäger machen sich beim Zuschauer nur selten beliebt.

Quelle: ntv.de

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