Streit um Asyl-Kosten Ministerpräsidenten machen Druck auf Scholz
07.05.2023, 17:37 Uhr Artikel anhören
Weil und Scholz sind zwar Parteifreunde, aber geht es um die Asylfinanzierung scheint sich der niedersächsische SPD-Politiker doch eher dem CDU-Mann Wüst verbunden - dieses Bild entstand im vergangenen Dezember nach einer Ministerpräsidentenkonferenz.
(Foto: picture alliance/dpa)
Diesen Mittwoch treffen sich Bund und Länder, um einen Streit zu klären - diesmal geht es um die wachsenden Asylbewerberzahlen. Die Länder fordern mehr Geld vom Bund, der ziert sich. Die Ministerpräsidenten Wüst und Weil zerpflücken nun ein Papier der Ampel-Koalition.
Die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben ein Kanzleramtspapier zum Migrationsgipfel entschieden zurückgewiesen. "Der Bund muss sich in der finanziellen Mitverantwortung erheblich bewegen", sagte Niedersachsens Landeschef und SPD-Politiker Stephan Weil als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in Hannover. "Dem Bund fehlt eindeutig das Problembewusstsein für die tatsächliche Lage vor Ort in unseren Kommunen. Viele Flüchtlinge werden länger bleiben, einige dauerhaft", kritisierte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. CDU-Politiker Wüst ist MPK-Vizevorsitzender. Er forderte eine 50-prozentige Kostenbeteiligung des Bundes an Unterbringung, Kapazitäten in Kitas und Schulen und Integration von Flüchtlingen. "Wir brauchen deshalb endlich konkrete Ergebnisse bei der fairen Finanzierung, Steuerung und Ordnung."
Weil zeigte sich enttäuscht von dem Papier des Bundes. Der Vorschlag des Bundes gebe wenig Optimismus für eine Einigung. Die hohe Zahl geflüchteter Menschen sei aber vor allem für die Kommunen Grund zu "erheblicher Sorge". Der Bund könne nicht mit der bisher gezahlten Jahrespauschale sagen, er habe seine Aufgaben erledigt. Der SPD-Politiker forderte die Rückkehr zu einer Fallpauschale für jeden ankommenden Flüchtling. "Wir brauchen ein atmendes System", sagte er mit Blick auf die stark steigenden Zahlen von mehr als 20.000 neuen Asylbewerbern pro Monat in diesem Jahr. Die Ministerpräsidenten hätten dies bereits vor einem halben Jahr gefordert.
Die Bundesregierung hatte vor dem Migrationsgipfel am Mittwoch in einem 23-seitigen, ntv vorliegenden Entwurf des Kanzleramts für die Abschlusserklärung eine harte Haltung beschrieben. Unter anderem fordert das Kanzleramt darin von den Länderchefs und -chefinnen eine Angabe, wie viel Geld sie von der Bundes-Pauschale von 3,5 Milliarden Euro für die Kommunen 2022 überhaupt weitergeleitet haben. Hintergrund ist der Vorwurf des Bundes, dass etliche Landesregierungen Geldzuweisungen für die Flüchtlingshilfe für andere Zwecke verwendet haben.
Ministerpräsidenten zeigen sich ungehalten
Auch die Ministerpräsidenten anderer Länder erhöhten den Druck auf die Bundesregierung. "Städte, Gemeinden und Landkreise brauchen deutlich mehr Geld - der Bund muss deshalb seinen Anteil von derzeit 2,75 Milliarden Euro mindestens verdoppeln", forderte Hessens Landeschef Boris Rhein von der CDU im Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Blick auf die Kosten. "Anders sind Unterbringung und Integration dauerhaft nicht zu finanzieren."
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte der "Bild am Sonntag": "Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, dass Zuwanderung gesteuert wird. Wenn wir uns in Deutschland nicht handlungsfähig zeigen, wird das Vertrauen in unsere Demokratie mehr und mehr untergraben." Bayerns Regierungschef Markus Söder drohte, Herkunftsstaaten, die abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen, Hilfen zu kürzen. "Wir stehen zum Grundrecht auf Asyl. Aber bei Ländern, die einer geordneten Rückführung nicht zustimmen, müssen wir künftig auch über Kürzungen bei der Entwicklungshilfe nachdenken", sagte der CSU-Chef der Zeitung.
Auch von Ministerpräsidenten der Ampel-Parteien kamen kritische Töne. "Der Bund muss seiner Verantwortung gerecht werden und darf die Länder und Kommunen mit den Mehrkosten der Flüchtlingskrise nicht alleine lassen", sagte Baden-Württembergs Landeschef Winfried Kretschmann von den Grünen der "Bild am Sonntag". Anke Rehlinger, saarländische SPD-Ministerpräsidentin, forderte, "nicht abgerufene Mittel der Wohnraumförderung einsetzen zu können, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der zeitweise auch zur Unterbringung von Flüchtlingen dienen kann".
Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann lehnte die Position des Kanzleramts ebenfalls ab, über die geplanten 15,6 Milliarden Euro hinaus Ländern und Kommunen kein zusätzliches Geld für die Versorgung von Flüchtlingen zu zahlen. Sie forderte mehr Flexibilität des Bundes. "Die Kommunen, die besonders gefordert sind, brauchen eine zusätzliche finanzielle Unterstützung, auch durch den Bund", sagte Haßelmann der "Rheinischen Post". Bund, Länder und Kommunen seien eine "Verantwortungsgemeinschaft". Allerdings kann der Bund Kommunen nicht direkt Zuschüsse überweisen. Kanzleramt, Finanzministerium und Ampel-Haushälter lehnen die erneute Erhöhung der Bundeszuweisungen ab.
Kanzleramt pocht auf Haushaltsdefizit
In dem Papier des Kanzleramts wird auf die Feststellung des Bundesrechnungshofes verwiesen, "dass der Bund in erheblichem Umfang Aufgaben finanziert, die nach dem Grundgesetz von Ländern und Gemeinden zu erbringen sind". Erneut betont das Kanzleramt zudem das große Defizit im Bundeshaushalt, während Länder und Kommunen 2022 Haushaltsüberschüsse verzeichneten. Der Bund spielt die Verantwortung noch an zwei anderen Stellen an die Länder zurück. Diese müssten schneller werden bei der Abschiebung von Menschen, die keine Aufenthaltsberechtigung hätten. Dazu soll auch die Abschiebehaft verlängert werden.
Außerdem sollten die EU-Beitrittsaspiranten Georgien und Moldau zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Damit könnten die Entscheidungen über Asylanträge von Menschen aus diesen Staaten wegen der niedrigen Anerkennungsquote deutlich verkürzt werden. Diese Einstufung haben die grün-mitregierten Länder bisher verhindert.
Quelle: ntv.de, vpe/rts/dpa