Maas über Israel und Palästina Warum der Nahostkonflikt unlösbar ist
17.06.2022, 15:25 Uhr
Eine acht Meter hohe Mauer trennt das Westjordanland von Israel: Besteht noch Hoffnung auf Frieden?
(Foto: picture alliance / Goldmann)
Seit 1918 beanspruchen Juden und Araber die Region Palästina für sich. Wie ist es dazu gekommen? Und gibt es Hoffnung auf eine friedliche Zukunft? In der neuen Folge von "Wir sind Geschichte" versucht sich der frühere Außenminister Heiko Maas an einer Antwort.
Der Ukraine-Krieg und die sich stetig verschiebende Front erinnern täglich daran, dass kriegerische Konflikte ein Nullsummenspiel sind. Oft hört man, wie viel Prozent des Staatsgebiets die russische Armee mittlerweile kontrolliert - und schauert. Im Kern des Nahostkonflikts geht es um einen ähnlichen Zusammenhang: Zwei Lager beanspruchen ein- und dasselbe Gebiet als das ihrige, führen deshalb Kriege, verhandeln über einen Frieden, ehe sie wieder kämpfen.
Heiko Maas kennt die verfahrene Situation. "Es ist schwer zu erklären - und zwar auf beiden Seiten", sagt der frühere Bundesaußenminister im ntv-Podcast "Wir sind Geschichte". Mehrfach hat er den Nahen Osten bereits bereist. Es herrsche in den vergangenen Jahren mehr Konfrontation als dass aufeinander zugegangen würde, erzählt er. Dabei gebe es grundsätzlich auf beiden Seiten ein großes Bedürfnis nach Sicherheit und Frieden.

Heiko Maas 2021 bei einem Kurzbesuch in Israel: Auch die Israelis waren Benjamin Netanjahu irgendwann leid.
(Foto: picture alliance/dpa/GPO)
Dieses Bedürfnis erkennt Maas unter anderem daran, dass Israel mit anderen arabischen Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und Sudan verhandelt und die Beziehungen normalisiert. "Das gab es früher so nicht", erklärt der Politiker. Allerdings habe die sogenannte Abraham Accords Declaration bisher nicht dazu beigetragen, den Dialog zwischen Israel und Palästina positiv voranzutreiben. "Solange dieser Konflikt besteht, wird der Nahe und Mittlere Osten nicht zur Ruhe kommen."
Spirale der Gewalt
Der Nahostkonflikt begann mit dem Ende des Ersten Weltkriegs. Die Briten verwalteten damals das Gebiet am östlichen Mittelmeerufer, um das seit über 100 Jahren gerungen wird. Sie gaben sowohl Arabern als auch Juden die Zusage, dass sie einen Staat errichten dürften - ohne die eine Seite über die Abmachung mit der jeweils anderen zu informieren. Letztlich pochten die jüdischen Siedler erfolgreich auf ihr Recht und konnten es durch ein Abkommen mit Großbritannien, der sogenannten Balfour-Deklaration, untermauern.
In der Folge ließen sich immer mehr Jüdinnen und Juden an diesem Sehnsuchtsort nieder. Sie kauften Arabern Ländereien ab und verstießen andere auf diesem Land lebende Araber. Durch diese Vertreibungen setzte sich eine Spirale der Gewalt in Gang: Anfang der 1920er Jahre kommt es zu ersten Massakern auf beiden Seiten. Es wird deutlich, dass das Zusammenleben nicht funktioniert.
"Netanjahu hat den Nahostkonflikt instrumentalisiert"
Das Gebiet, auf dem Israel und Palästina liegen, wird auch heute von beiden Bevölkerungsgruppen beansprucht. Es geht um Länder, um Grenzen und um Zugang zu religiösen Heiligtümern.
In Israel regiert seit 2021 eine Koalition aus acht Parteien, in der von rechten israelischen Organisationen bis Interessensvertretern Palästinas vieles zusammenkommt - doch es klappt. "Dieses Bündnis ist nur deshalb zustande gekommen, weil die meisten Leute Benjamin Netanjahu leid waren. Netanjahu hat den Nahostkonflikt aus innenpolitischen Gründen instrumentalisiert", sagt Heiko Maas. Die aktuelle Koalition mache eine vernünftigere Politik. Können im Friedensprozess damit Schritte nach vorne gemacht werden? "Das wird die Zeit zeigen."
Auf der anderen Verhandlungsseite stehen zwei Organisationen: Fatah und Hamas. Sie sind sich in inniger Feindschaft verbunden, haben sich teilweise gegenseitig bekämpft. Selbst innerhalb dieser Gruppen herrscht kaum Einigkeit. Die Hamas wird unter anderem von der EU als Terrororganisation eingestuft. "Und solange ein Verhandlungspartner nicht in der Lage ist, Positionen zu finden, die auch für die Gesamtheit der Palästinenser vertreten werden, ist es schwierig, diesen Konflikt aufzulösen", schätzt Maas die Situation ein. Das sei Israels Standpunkt: Die Palästinenser müssen sich erstmal einig werden.
So bleibt die Lage instabil und droht zu eskalieren. "Wenn Raketen aufeinander geschossen werden oder Attentate verübt werden, dann sterben Menschen - und die politisch Verantwortlichen geraten unter Druck", analysiert der frühere Außenminister. Man müsse für Sicherheit und Gerechtigkeit sorgen - auf beiden Seiten.
In "Wir sind Geschichte" steuert Moritz Harms seinen Zeitreisebus in zehn Episoden über die interessantesten Routen, die unser historisches Straßennetz zu bieten hat. Die Olympischen Spiele in Deutschland, Feminismus, politische Attentate, das atomare Wettrüsten und vieles mehr. "Wir sind Geschichte" - der ntv History-Podcast erscheint ab 1. April jeden Freitag in der ntv App und überall, wo es Podcasts gibt: Audio Now, Amazon Music, Apple Podcasts, Google Podcasts und Spotify. Mit dem RSS-Feed auch in anderen Apps.
Quelle: ntv.de