Drohender Eklat beim EU-Gipfel Polen und Ungarn stellen sich bei Asylkompromiss quer
30.06.2023, 04:30 Uhr Artikel anhören
Will keine Flüchtlinge aufnehmen und auch nicht für sie bezahlen: Ungarns Regierungschef Orban.
(Foto: picture alliance / NurPhoto)
Hatte sich die EU nicht gerade auf einen Asylkompromiss geeinigt? Polen und Ungarn waren von Anfang an dagegen und machen nun beim EU-Gipfel Druck. Sollten sich die 27 Staats- und Regierungschefs nicht einigen, wäre das ein Eklat.
Die EU-Staaten streiten erneut über die künftige Asylpolitik. Beim EU-Gipfel fordern Polen und Ungarn eine Abkehr von dem mühsamen Kompromiss, den die Innenminister vor knapp drei Wochen erreicht hatten. Doch Deutschland und andere Staaten hielten am ersten Gipfeltag dagegen. Gegen halb zwei in der Nacht gingen die 27 Staats- und Regierungschefs vorerst ohne die geplante gemeinsame Erklärung zum Thema Migration auseinander. In ein paar Stunden sollen die Gespräche weitergehen. Eigentlich sollte es am zweiten Gipfeltag um die China-Politik der EU gehen.
Im Asylstreit hatten die Innenminister Anfang Juni eine Mehrheitsentscheidung getroffen, die Polen und Ungarn nicht mittrugen. Diese sieht vor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein soll. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen. Polen forderte nun, dass jedes EU-Land selbst darüber entscheiden sollte, wie es Länder mit besonders hohen Migrationszahlen unterstützt. Die Aufnahme von Schutzsuchenden sollte freiwillig sein, heißt es in einem polnischen Textvorschlag für die Gipfelerklärung.
Die polnische Regierung stellte sich zudem auf den Standpunkt, dass in der Migrationspolitik nach dem Konsensprinzip entschieden werden sollte, also nicht per Mehrheitsentscheidung. Auch Ungarn hatte vor dem Gipfel angekündigt, dass es sich an der geplanten Verteilung von Flüchtlingen in der EU nicht beteiligen und auch keine Ausgleichszahlungen leisten werde. Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich zu Beginn des Gipfels unbeeindruckt von der polnischen und ungarischen Kritik. Der von den Innenministerinnen und Innenministern vereinbarte Solidaritätsmechanismus sei ein großer Durchbruch, sagte der SPD-Politiker.
Sollten sich die 27 Staats- und Regierungschefs nicht einigen, wäre das ein Eklat. Praktisch könnte aber das Gesetzgebungsverfahren weiterlaufen. Der nächste Schritt sind Verhandlungen der EU-Staaten mit dem Europaparlament.
Zurückhaltung bei Sicherheitsgarantien für Ukraine
Einigkeit erzielten die Staats- und Regierungschefs am ersten Gipfeltag bei der Unterstützung der Ukraine. Sie wollen die Ukraine stärker bei Planungen für einen internationalen Friedensgipfel unterstützen, der nach Vorstellungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Schweiz organisiert werden könnte. Und die EU bietet der Ukraine nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms weitere Hilfe an, zusätzlich zur bereits laufenden Katastrophenschutzhilfe.
Mit Sicherheitsgarantien für die Zeit nach Ende des russischen Angriffskriegs hält sich die EU aber zurück. In der Gipfelerklärung einigten sich die Staats- und Regierungschefs nur auf eine vage Absichtserklärung für "künftige Sicherheitszusagen". Grund für die zurückhaltende Wortwahl war die Haltung von Ländern wie Österreich, Irland und Malta. Sie wollen militärisch neutral bleiben und sind deswegen auch nicht Mitglied der NATO.
Quelle: ntv.de, ino/dpa