"Endlich solidarisches System" Scholz verteidigt härtere EU-Asylregeln
10.06.2023, 13:55 Uhr Artikel anhören
Scholz verspricht zügigere Asylverfahren und mehr Digitalisierung bei den Abläufen.
(Foto: dpa)
Die geplante Reform der europäischen Asylregeln sorgt für viel Kritik - die EU-Innenminister einigen sich dennoch auf ein deutlich härteres Vorgehen an den Grenzen. Alles endlich einheitlich und "solidarisch", rechtfertigt Kanzler Scholz den Beschluss.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die geplante Reform der europäischen Asylregeln gegen Kritik verteidigt. Es müsse aufhören, dass Länder mit dem Finger auf andere zeigten und sich nicht zuständig fühlten. "Deshalb ist die Verabredung, dass wir einen Solidaritätsmechanismus etablieren", sagte Scholz beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg. Es müsse "endlich, endlich" ein solidarisches System der Verteilung von Flüchtlingen in Europa etabliert werden. Scholz versprach zügigere Asylverfahren und mehr Digitalisierung bei den Abläufen. Man müsse es "fertigbringen", jemanden zurückzuschicken, der nicht in Europa bleiben könne.
Die EU-Innenminister hatten am Donnerstag in Luxemburg mit einer ausreichend großen Mehrheit für eine umfassende Reform gestimmt. Vorgesehen ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive. So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.
Die Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Um den Durchbruch zu ermöglichen, akzeptierte sie letztlich, dass dies doch möglich sein könnte. Denkbar ist aber, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt. Es hat bei der Reform ein Mitspracherecht und wird in den kommenden Monaten mit Vertretern der EU-Staaten über das Projekt verhandeln. Vor allem bei Grünen-Mitgliedern ist die Empörung groß, dass die rot-grün-gelbe Bundesregierung den Reformplänen zustimmte.
Europaparlament soll nachbessern
Grünen-Chef Omid Nouripour verteidigte die Zustimmung - er setzt aber auch auf Nachbesserungen. Er sagte im ZDF-"heute journal": "Das, was vereinbart worden ist, ist erst einmal eine politische Vereinbarung. Es ist nicht geltendes Recht." Bei der Umsetzung in Recht und Gesetz werde das Europaparlament eine gewichtige Rolle spielen. Mit dem Anliegen, dann noch einiges zu verbessern, seien die Grünen nicht allein.
Der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt bezweifelte in den ARD-"Tagesthemen", dass die geplante Reform die irreguläre Migration eindämmt. Wenn es große Lager an den Außengrenzen gebe, würden die Bedingungen für die Migranten dort noch schlechter. "Diese schlechten Bedingungen führen dann dazu, dass es noch mehr Ungleichgewicht in Europa gibt, dass die Menschen Anreize haben, sich an den Außengrenzen-Staaten gar nicht dort zu registrieren oder sich zu melden, sondern sie werden dann Schlepper nehmen, die vielleicht direkt nach Deutschland kommen." Es sei nicht ersichtlich, was die geplante Reform verbessern werde, kritisierte der Abgeordnete.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Thorsten Frei, hat aufgrund der hohen Migrationszahlen die Einführung von stationären Grenzkontrollen gefordert, z.B. an der deutsch-polnischen Grenze. "Solange wir in Europa keinen effektiven Außengrenzschutz haben, brauchen wir auch die Möglichkeit der Binnengrenzkontrollen", sagte Frei RTL/ntv. Stationäre Grenzkontrollen gibt es schon seit längerer Zeit an der deutsch-österreichischen Grenze. Dazu sagte Frei: "Die Bundesinnenministerin kann nicht erklären, warum in einem Fall etwas notwendig und geboten sein soll und im anderen Fall eben nicht."
Auch die Schleierfahndung habe in den Grenzregionen zu "sehr guten Ergebnissen" geführt: "Aber darüber hinaus bedarf es eben auch der stationären Grenzkontrollen, die zusätzliche rechtliche Möglichkeiten für die Mitgliedsstaaten eröffnen, die aber vor allen Dingen auch das klare Signal aussenden, dass nicht jeder an jeder beliebigen Stelle nach Deutschland kommen kann", sagte Frei.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: "Es ist jetzt die Verantwortung der Bundesregierung, auch die weiteren Schritte zur Begrenzung illegaler Migration umzusetzen. Zum Beispiel bei der Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten." Sogenannte sichere Herkunftsstaaten sind Länder, bei denen angenommen wird, dass es dort in der Regel weder politische Verfolgung noch unmenschliche Bestrafung oder Behandlung gibt. Das soll schnellere Asylentscheidungen und Abschiebungen ermöglichen.
Quelle: ntv.de, mba/dpa