Der Kriegstag im Überblick Putin will Marine aufrüsten - Experten: Russland hat 5000 Militär-Fahrzeuge verloren
31.07.2022, 20:20 Uhr
Putin (l.) nahm zusammen mit Verteidigungsminister Schoigu und Admiral Nikolai Jewmenow die Marine-Parade in St. Petersburg ab.
(Foto: via REUTERS)
Russland feiert seine Marine. Bei einer großen Parade weit weg von der Ukraine gibt Staatschef Putin eine neue Marine-Strategie bekannt. Derweil nimmt das Militär erneut Mykolajiw unter schweren Beschuss - und tötet einen Getreideunternehmer. Der 158. Kriegstag im Überblick:
Schwerer Beschuss von Mykolajiw - Kiew: Unternehmer gezielt getötet
Die russische Armee hat die südukrainische Stadt Mykolajiw erneut unter heftigen Beschuss genommen. Die Stadt sei am Morgen "massiv" und "wahrscheinlich so stark wie nie" beschossen worden, erklärte der Bürgermeister Oleksandr Senkewytsch im Online-Dienst Telegram. In der Schiffsbauerstadt soll noch etwa die Hälfte der einst knapp 500.000 Einwohner ausharren. Nach ukrainischen Angaben wurde in der Regionalhauptstadt Mykolajiw eine Reihe von Wohngebäuden beschädigt, mehrere Brände brachen aus.
Bei den Angriffen auf Mykolajiw wurde einer der wichtigsten Getreidehändler der Ukraine getötet. Oleksij Wadaturskyj, Eigentümer des Unternehmens für Getreidelogistik Nibulon, kam nach Angaben ukrainischer Behörden zusammen mit seiner Ehefrau Raissa in seinem Wohnhaus ums Leben. Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak schrieb bei Telegram, Wadaturskyj sei absichtlich getötet worden. Das Geschoss habe das Schlafzimmer des Wohnhauses der Familie getroffen, es gebe "keine Zweifel": "Wadaturskyj war das Ziel."
Die südliche Regionalhauptstadt Mykolajiw war in den vergangenen Wochen fast täglich angegriffen worden. In der von Russland eroberten benachbarten Region Cherson hatte die ukrainische Armee zuletzt eine Gegenoffensive gestartet.
Russland sagt Parade auf Krim ab - Widersprüchliche Angaben zu Drohnen-Angriff
Auf der von Russland 2014 annektierten Halbinsel Krim wurden in der Hafenstadt Sewastopol die traditionellen Feiern zum "Tag der Marine" abgesagt. In anderen Regionen Russlands wurde dagegen gefeiert, in St. Petersburg nahm Präsident Wladimir Putin daran teil. Grund für die Absage sei ein nächtlicher Drohnen-Angriff auf das Stabsquartier der Schwarzmeerflotte, schrieb der Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, bei Telegram. Bei der Explosion im Hof der Kaserne seien sechs Menschen verletzt worden. Den angeblichen Angriff schrieb er der Ukraine zu, deren Marine aber dementierte. Die russischen Anschuldigungen seien "eine absichtliche Provokation", sagte ein Sprecher der Regionalverwaltung von Odessa in einem auf Telegram veröffentlichten Video. "Die Befreiung der besetzten ukrainischen Krim wird auf eine andere, viel effektivere Weise erfolgen."
In Sewastopol ist die russische Schwarzmeerflotte stationiert. Sie hat in dem Krieg bereits ihr Flaggschiff "Moskwa" verloren. Andere Schiffe sind nach ukrainischen Angaben aus Angst vor Anti-Schiffs-Raketen aus dem Marinehafen abgezogen worden.
Putin gibt neue Marine-Doktrin bekannt
Bei den Feierlichkeiten zum "Tag der Marine" hat Russlands Staatschef Wladimir Putin in St. Petersburg eine neue Militärdoktrin für die Kriegsmarine des Landes in Kraft gesetzt. Dort seien auch Russlands Seegrenzen, darunter in der Arktis und im Schwarzen Meer, festgelegt worden. "Den Schutz werden wir hart und mit allen Mitteln gewährleisten", betonte der Kremlchef bei einer Parade mit Kriegsschiffen. Vor allem die USA und die NATO werden als Gefahren für Russlands Sicherheit genannt.
Ausdrücklich betont wird in der neuen Doktrin, dass Russland zur Durchsetzung seiner Interessen auf hoher See militärische Gewalt anwenden könne, wenn alle Versuche einer Konfliktlösung auf diplomatischem Wege ausgeschöpft seien. Ausgebaut werden soll dem Dokument zufolge die Präsenz einer "ausreichenden Zahl" an Marinestützpunkten außerhalb der Grenzen Russlands. Zudem ist der Bau moderner Flugzeugträger vorgesehen. Die einzelnen Flotten sollen ausgebaut werden. Putin kündigte ferner an, dass die neue Hyperschall-Seerakete "Zirkon" bald in Dienst gestellt werde. Als erste werde die Fregatte "Admiral Gorschkow" damit ausgerüstet.
Experten: Russland hat 5000 Fahrzeuge verloren
Laut den Militärexperten Stijn Mitzer und Jakub Janovsky verliert die russische Armee seit Beginn der Invasion der Ukraine mehr als 5000 Fahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe. Die beiden beginnen frühzeitig damit, verlorenes Equipment der Ukraine und Russlands zu dokumentieren und aufzulisten. Dabei bestätigen sie nur Verluste, die auch mit Fotos oder Videos dokumentiert sind. Russland soll demnach seit 24. Februar 5010 Fahr- und Flugzeuge verloren haben, darunter 916 Panzer. Die Ukraine soll dagegen insgesamt knapp 1400 Fahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe verloren haben.
Rotes Kreuz: Haben keinen Zugang
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) wartete nach dem Dutzendfachen Tod von ukrainischen Kriegsgefangenen in einem von Russland kontrollierten Lager vergeblich auf Zugang. Bis Sonntagnachmittag habe es keinen Zugang zu dem Ort gegeben, sagte ein Sprecher in Genf. Das russische Verteidigungsministerium sagte dagegen in Moskau, es habe das IKRK zu einem Besuch eingeladen.
Im Gefängnis des Ortes Oleniwka bei Donezk waren nach russischen Angaben in der Nacht zum Freitag 50 ukrainische Kriegsgefangene getötet und Dutzende verletzt worden. Das Verteidigungsministerium spricht von einem gezielten Raketentreffer der ukrainischen Armee. Erste Bilder aus der Region sprechen aber eher gegen diese Version. Die Ukraine spricht von einem Kriegsverbrechen; russische Kräfte hätten die Gefangenen getötet.
Getreide-Ausschiffung ab Montag?
Die Türkei rechnet an diesem Montag mit der Aufnahme von Getreideexporten aus der Ukraine über das Schwarze Meer. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein mit Getreide beladenes Schiff am Montagmorgen einen ukrainischen Hafen verlasse, sei sehr hoch, sagte der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan dem Sender Kanal 7. Es gebe nur noch ein, zwei Details zu lösen, so Ibrahim Kalin.
Am 22. Juli hatten die Kriegsgegner Ukraine und Russland mit den UN und der Türkei ein Abkommen unterzeichnet, um von drei Häfen Getreideausfuhren aus der Ukraine zu ermöglichen. Von der Vorjahresernte warten ukrainischen Angaben zufolge noch über 20 Millionen Tonnen Getreide auf die Ausfuhr. Der Hafenbetrieb war nach der russischen Invasion Ende Februar aus Sicherheitsgründen eingestellt worden - Moskau wird eine Blockade des Getreides vorgeworfen. Wegen ausbleibender Getreidelieferungen befürchten die UN zunehmend Hungerkrisen auf der Welt.
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Quelle: ntv.de, jwu/rts/dpa/AFP