Der Kriegstag im Überblick Russland baut seine Armee aus - Betreiber nimmt AKW Saporischschja vom Netz
25.08.2022, 20:21 Uhr
Das Dorf Tschaplyne zwischen Donezk und Dnipro nach einem russischen Angriff.
(Foto: AP)
Per Dekret ordnet der Kreml die Vergrößerung der Armee an. Bei einem Raketenangriff auf einen Bahnhof will Moskau Hunderte Soldaten getötet haben, Kiew spricht von Dutzenden toten Zivilisten. Hierzulande besucht Kanzler Scholz die Ausbildung ukrainischer Soldaten an deutschen Waffen.
Kreml stockt Armee auf
Russlands Präsident Wladimir Putin hat per Dekret die Aufstockung der Armee angeordnet. Ab kommendem Jahr soll die Zahl der Soldaten um 137.000 auf rund 1,15 Millionen steigen. Die Gesamtzahl des Personals der Armee klettert damit auf mehr als zwei Millionen.
In Hunderten Fällen Streubomben eingesetzt
Die Ukraine und internationale Experten werfen Russland immer wieder Angriffe auf Zivilisten und Kriegsverbrechen vor. Auch international geächtete Streumunition hat Russland seit Beginn des Krieges in Hunderten Fällen eingesetzt, wie die internationale Streumunition-Koalition in Genf berichtete. Bis Ende Juni seien mindestens 215 Menschen getötet und weitere 474 durch Streumunition verletzt worden. Auch auf ukrainischer Seite wurde der Einsatz dieser Munition in drei Fällen registriert. Es handelt sich um Behälter, die aus Flugzeugen oder Raketenwerfern abgeschossen werden und viele kleine Sprengsätze großflächig verteilen. Ein Übereinkommen von 2008 verbietet den Einsatz von Streumunition, doch weder Russland noch die Ukraine gehören ihm an.
Scholz besucht militärisches Ausbildungszentrum
Bundeskanzler Olaf Scholz hat erstmals ukrainische Soldaten im Ausbildungsprogramm am Flugabwehrpanzer "Gepard" in Schleswig-Holstein besucht. Die Ausbildung ist Teil der von Deutschland finanzierten Lieferung von 30 "Gepard"-Panzern an die Ukraine. "Die Männer, die hier sind, werden ihr Land verteidigen", sagte der SPD-Politiker. "Sie werden es verteidigen gegen die furchtbare Bedrohung, die durch den brutalen Angriffskrieg Russlands entstanden ist für die Ukraine." Deutschland werde "weiter unterstützen mit unseren finanziellen Möglichkeiten, aber auch mit den Waffen, die wir aus Deutschland zur Verfügung stellen können". Am Abend versicherte der Kanzler vor Bürgern in Magdeburg, bei Entscheidungen über Waffenlieferungen an die Ukraine weiter "besonnen und sorgfältig überlegt" zu handeln. Man werde "niemals Alleingänge machen, sondern uns immer orientieren an dem, was auch unsere Verbündeten machen".
AKW Saporischschja geht vom Netz - zumindest zeitweise
Der Betreiber hat die letzten beiden Blöcke des Atomkraftwerk Saporischschja vom Netz genommen. Grund seien beschädigte Leitungen. Die Sicherheit der Anlage sei dadurch nicht gefährdet. Die Stromversorgung des AKWs selbst werde weiter über eine Leitung zum benachbarten Wärmekraftwerk aus dem ukrainischen Energiesystem sichergestellt. Russland hatte das Werk Anfang März besetzt, seitdem gibt es immer wieder Beschuss. Russland und die Ukraine machen sich gegenseitig dafür verantwortlich.
Die russischen Besatzer teilten später mit, einer von zwei derzeit betriebenen Kraftwerksblöcken sei wieder am Netz. Die beiden Blöcke hätten nur vorübergehend heruntergefahren werden müssen, nachdem aufgrund von ukrainischem Beschuss ein Feuer ausgebrochen sei, schrieb der Besatzungschef der Region, Jewgeni Balizki, auf Telegram. Auch hier ist eine Überprüfung der Angaben nicht möglich.
25 Tote bei Raketenangiff auf ukrainischen Bahnhof
Am Tag nach dem russischen Raketenangriff auf einen Bahnhof in dem Ort Tschaplyne hat das russische Verteidigungsministerium den Angriff bestätigt, lieferte aber eine andere Version: Getötet worden seien bei dem Schlag mit einer "Iskander"-Rakete mehr als 200 ukrainische Soldaten, die für Kämpfe im Donbass bestimmt gewesen seien, sagte Sprecher Igor Konaschenkow. Die Rakete sei in den militärischen Teil der Bahnstation eingeschlagen. Dabei sei auch Militärtechnik zerstört worden. Belege gab es dafür nicht.
Nach ukrainischen Angaben kamen bei der Attacke mindestens 25 Menschen, darunter zwei Kinder, ums Leben. Zudem seien 31 Menschen verletzt worden, erklärte der Vizechef des Präsidentenbüros, Kyrylo Tymoschenko, auf Telegram. Die Informationen ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die EU verurteilte die Attacke als "russischen Raketenterror".
Sowjetisches Denkmal in Riga abgerissen
Begleitet von Protesten der russischen Minderheit ist in der lettischen Hauptstadt Riga ein Denkmal aus der Sowjetzeit abgerissen worden. Das 79 Meter hohe "Siegerdenkmal" wurde mit Hilfe von Abrissmaschinen entfernt. Die russische Botschaft in Riga verurteilte das Vorgehen als "verräterisch und ungerechtfertigt".
Das Denkmal war zum Treffpunkt für in Lettland lebende Kreml-Anhänger geworden. Die russische Minderheit, die etwa 30 Prozent der lettischen Bevölkerung ausmacht, hatte seit Tagen gegen die Entfernung des Denkmals protestiert. Das "Siegerdenkmal" steht seit 1985 in der lettischen Hauptstadt. Es besteht aus mehreren Soldaten-Skulpturen, die einen Obelisken umringen. Während die Russen dort am 9. Mai den Tag des Sieges über Nazi-Deutschland begehen, betrachten die meisten Letten dieses Datum als den Beginn der fast 50-jährigen sowjetischen Besatzung. Laut einem Parlamentsbeschluss müssen alle noch verbliebenen Relikte aus der Sowjetzeit bis Mitte November entfernt werden.
UN: 6,8 Millionen Ukrainer haben Land verlassen
Die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet appellierte an Russlands Präsidenten Putin, den Krieg zu beenden. Hinter den Ukrainerinnen und Ukrainern lägen "sechs unvorstellbar schreckliche Monate", sagte sie in Genf. 6,8 Millionen Menschen hätten ihr Land verlassen müssen. 5587 Zivilisten wurden nach UN-Angaben in der Ukraine getötet und 7890 weitere verletzt. Die tatsächlichen Zahlen dürften laut UNO jedoch höher liegen.
Frontex: Eine Million Russen haben Land verlassen
Seit Beginn des Krieges sind nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex fast eine Million russische Staatsbürger in die EU eingereist. Vom Tag des Einmarschs am 24. Februar bis zum 22. August waren es genau 998.085 russische Staatsbürger, wie ein Frontex-Sprecher mitteilte. In der Woche vom 16. August bis zum 22. August sei die Zahl der Einreisen im Vergleich zur Vorwoche geringfügig zurückgegangen.
Immer mehr EU-Länder schränken die Vergabe von Schengen-Visa an Russen im Alleingang ein. Dazu gehören Estland, Lettland, Litauen und Tschechien. Finnland will ab September folgen. Polen vergibt seit einiger Zeit keine Touristenvisa mehr und erwägt einen generellen Visa-Stopp. Dänemark dringt auf eine EU-Lösung und will sonst ebenfalls selbst handeln. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich zuletzt ablehnend zu Vorschlägen für schärfere Visa-Regeln geäußert.
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Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP/rts