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Opposition attackiert Scholz "Sie verspielen das Vertrauen unserer Partner"

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Merz' Rede erzeugt bei Scholz Stirnrunzeln

Merz' Rede erzeugt bei Scholz Stirnrunzeln

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Kanzler erklärt vor dem Bundestag seine Außen- und Sicherheitspolitik - und ist erwartungsgemäß zufrieden. Die Opposition nimmt dagegen den Kurs der Ampel auseinander. Gestritten wird vor allem um Asylpolitik, den Umgang mit China und die neue Sicherheitsstrategie der Bundesregierung.

Kommende Woche treffen sich in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten. Der Gipfel ist traditioneller Anlass für den Bundeskanzler, vorab eine Regierungserklärung abzugeben. Olaf Scholz' Rede fokussiert vor diesem Hintergrund erwartbar auf die Außen- und Sicherheitspolitik seiner Bundesregierung. Dass sich Deutschlands Regierungschef aber nach Monaten intensiven Streits in der Ampel, insbesondere um das Heizungsgesetz, so gar nicht zur Innenpolitik äußert, überrascht dann doch. Die Opposition findet aber auch so genug Kritikpunkte am Kurs der Ampel, speziell mit Blick auf die in der vergangenen Woche vorgestellte Nationale Sicherheitsstrategie, die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen zu Wochenbeginn und den koalitionsinternen Zwist um Deutschlands Zustimmung zum EU-Asylkompromiss.

Zufrieden zeigt Scholz sich vor allem über die Einigkeit von EU und NATO vor dem Rats-Treffen am 29. und 30. Juni sowie dem Gipfel des transatlantischen Verteidigungsbündnisses am 11. und 12. Juli in Vilnius. "Von diesem Gipfel wird ein starkes Signal der transatlantischen Zusammenarbeit und der Entschlossenheit, für unsere Sicherheit einzustehen, ausgehen", kündigt Scholz an. Deutschlands Verhältnis zur US-Regierung sei "so eng und so vertrauensvoll wie selten zuvor". Scholz appellierte an den wiedergewählten türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, endlich den Weg für einen NATO-Beitritt Schwedens freizumachen.

Scholz verteidigt Asylkompromiss

Nachdem es in Teilen der SPD-Bundestagsfraktion, aber noch stärker in den Reihen des grünen Koalitionspartners scharfe Kritik an der geplanten Reform der EU-Asylpolitik gab, geht Scholz zumindest über diese Uneinigkeit nicht hinweg. "Das ist eine historische Einigung, weil sie zeigt, dass die EU ihre Differenzen auch bei den kontroversesten Themen beilegen kann", sagt der Kanzler und räumt ein: "Ich weiß: Hier in diesem Haus ist die Einigung nicht unumstritten." Er verspricht: "Wir werden dafür sorgen, dass diese Einigung noch besser wird, bis sie beschlossen ist." Er werde sich aber in jedem Fall beim Europäischen Rat in Brüssel dafür einsetzen, dass der Asylkompromiss, dem auch das Europaparlament zustimmen muss, noch vor den EU-Wahlen im kommenden Frühjahr verabschiedet wird.

Grünen-Fraktionschefin Britta Hasselmann ist nach einem turbulenten kleinen Parteitag am Wochenende sehr bewusst, dass es in ihrer Partei scharfe Kritik daran gibt, dass Familien mit Kindern nicht vom Asylschnellverfahren ausgenommen werden sollen und damit auch Kinder in Lager an den EU-Außengrenzen eingesperrt werden könnten. "Wir stehen in der Verantwortung, Sorge dafür zu tragen, Verbesserungen vorzunehmen", sagt Hasselmann. Der SPD-Abgeordnete Lars Castelucci fordert Scholz auf, sich für eine von Brüssel finanzierte EU-Seenotrettungsmission im Mittelmeer einzusetzen. "Wir sind erschüttert über die immer neuen Todesfälle, wir dürfen nicht abstumpfen, wir dürfen uns nicht daran gewöhnen", sagt Castelucci.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt widerspricht der Darstellung der Ampel-Vertreter entschieden. Er sei überrascht von Scholz Einordnungen, "weil die Einigung nicht wegen, sondern trotz der Bundesregierung Deutschlands entstanden ist". Berlin sei in Brüssel weitgehend "isoliert" gewesen und drohe nun mit einer Aufweichung des Deals. "Sie verspielen das Vertrauen unserer europäischen Partner", wirft Dobrindt den Ampel-Vertretern vor.

Merz rügt Scholz' Kuschen vor China

Scholz geht in seiner Rede auch auf den Besuch der chinesischen Regierung in Berlin ein. "Kein Land ist der Hinterhof eines anderen", sagt Scholz, auch in Asien dürfe niemand Landkarten "mit Gewalt oder Zwang" verändern - "das gilt insbesondere auch für Taiwan". Und: "Mit Sorge blicken wir auf die Menschenrechtslage und den Zustand des Rechtsstaats in China", so Scholz. "Diese Botschaft habe ich auch vorgestern bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen unterstrichen." Zudem habe er sehr ernsthaft mit Peking über einen Frieden in der Ukraine gesprochen. Russland müsse Truppen zurückziehen. "Das bloße Einfrieren des Konflikts bringt keinen Frieden."

Der Widerspruch kommt aus allen Richtungen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz kritisiert, dass auf Wunsch der chinesischen Gäste keine Pressefragen zugelassen gewesen seien. "Ihre beiden Vorgänger, Gerhard Schröder und Angela Merkel, haben das nicht hingenommen und eher mit dem Abbruch der Reisen gedroht, als ein so autoritäres Verhalten zu akzeptieren", sagt der CDU-Chef. "Sie weichen zurück hier in Berlin vor einer solchen Anmaßung der chinesischen Staatsführung. "

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verteidigt den Bundeskanzler, der sehr wohl gegenüber China deutlich auftrete. "Das kann man nicht, indem man Interviews führt. Das kann man nur, indem man mit den Verantwortlichen unmittelbar spricht", sagt Mützenich. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch vermisst eine deutsche Unterstützung für die Friedensinitiativen anderer Staaten, zuletzt mehrerer afrikanischer Länder. "Die Position 'Keine Verhandlung, bis der letzte Russe abgezogen ist': mit dieser Position droht der Krieg noch jahrzehntelang zu dauern", wirft Bartsch dem Kanzler vor. Friedensinitiativen dürften kein Tabu sein und müssten auch von der EU unterstützt werden.

"Das ist doch bizarr"

CDU-Chef Merz knüpft sich in seiner Replik auf Scholz die vom Kanzler gepriesene Nationale Sicherheitsstrategie vor, die erste ihrer Art. Die sei "sowohl in der Fachöffentlichkeit als auch bei unseren Nachbarn in der Europäischen Union - lassen Sie es mich vorsichtig formulieren - auf ein geteiltes Echo gestoßen", sagt Merz. Die Bundesregierung habe bei der Erarbeitung sowohl die Bundesländer als auch Frankreich außen vor gelassen. Zudem finde China keine Erwähnung, weil sich die Regierung nicht auf eine gemeinsame China-Strategie verständigen könne.

Grünen-Politiker Anton Hofreiter kann Merz' Kritik nicht nachvollziehen, insbesondere die Unzufriedenheit über die bisher ausgebliebene Umsetzung der Sicherheitsstrategie. "Das ist doch bizarr, ich weiß gar nicht, in welcher Welt Sie leben", sagt der Vorsitzende des Europa-Ausschusses in Richtung Merz. Es sei normal, dass die Strategie vor ihrer Umsetzung zunächst einmal erarbeitet werde. Die Vorgängerregierung habe überhaupt keine Strategie gehabt und Deutschland am Ende in die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen geführt.

AfD-Co-Fraktionschefin Alice Weidel hält ebenfalls eine Rede, in der es darum geht, dass Deutschland unter der Ampel dem Untergang geweiht sei. Weidel fasst die Forderungen ihrer Partei so zusammen: "Energiewende beerdigen, Energieversorgung sichern, Wiedereinstieg in die Kernkraft, Grenzen schließen, Sozialmigration verhindern, Ausreisepflichtige und Straftäter natürlich endlich abschieben, Steuern senken, Bürokratie abbauen, Staatsausgaben begrenzen, Scheckbuchpolitik beenden, unqualifizierte Regierungsbeamte rauswerfen, den Standort Deutschland zu stärken, statt vorsätzlich zu schwächen, zurück zur Normalität."

Quelle: ntv.de

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