Experten reden zu Heizungsgesetz "Es wird teuer, es wird hart"


Die Heizdebatte kommt voran, wenn auch schleppend.
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Das Heizungsgesetz kommt in die Gänge. Der zuständige Bundestagsausschuss hört 14 Sachverständige an, die vor allerlei Schwächen und Fallstricken warnen. Nach reichlich Kritik am Zeitpunkt der Anhörung könnte diese sich nachträglich als eine der einflussreichsten Experten-Befragungen überhaupt erweisen.
Sitzungen von Bundestagsausschüssen finden meist fernab der öffentlichen Aufmerksamkeit statt, selbst die öffentlich abgehaltenen. Anders ist es an diesem Mittwoch, als der Ausschuss für Klimaschutz und Energie 14 Expertinnen und Vertreterinnen von Fachverbänden zum geplanten Heizungsgesetz (GEG) der Ampel-Koalition anhört. Dabei ist der Termin im Vorfeld massiv unter Beschuss: Die Gäste werden zu einem Gesetzentwurf angehört, den das Bundeskabinett im April beschlossen hatte. Doch in der vergangenen Woche haben die Spitzenvertreter der Regierungskoalition ein Leitplanken-Papier beschlossen, das weitgehende Änderungen am Gesetzentwurf nach sich ziehen wird.
"Wir sprechen über einen Gesetzentwurf, der wesentlich überarbeitet werden soll, und für das, was neu kommt, liegt ein zweiseitiges Einigungspapier mit Leitplanken vor, aber noch kein Gesetzestext, zu dem wir gerne Stellung nehmen würden", beklagt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), als einer der Sachverständigen. Zwei Stunden später kann der Ausschussvorsitzende, Linken-Politiker Klaus Ernst, eben dieser Tatsache auch Positives abgewinnen: Die Fachmänner und -frauen würden einen "seltenen Fall" erleben, prognostiziert Ernst. "Sie werden wahrscheinlich merken, dass in der Gesetzgebung sehr umfangreich ihre Vorschläge eingehen, weil das Gesetz ja so ist, dass die noch nicht ganz fertig sind", spottet er über die Uneinigkeit der Ampel-Parteien beim Thema Wärmewende.
Tatsächlich sind zahlreiche Detailfragen noch ungeklärt, auch wenn das Gesetz bis Anfang Juli verabschiedet werden soll. Auffällig ist, dass von den geladenen Experten mehr Lob als Kritik für die beschlossenen Änderungen im Leitplanken-Papier kommt. Einzig die Deutsche Umwelthilfe (DUH) beklagt eine "Kapitulation vor dem Klimaschutz im Gebäudesektor", etwa weil Haushalte über 2024 hinaus fossile Heizungen verbauen dürfen oder weil die Möglichkeit, Pellet-Heizungen einzubauen, im Vergleich zum bisherigen Gesetzentwurf ausgeweitet wird. In folgenden Themenfeldern melden die geladenen Expertinnen Nachbesserungen im Gesetz an:
Kommunale Wärmeplanung
Die vereinbarte Kopplung des Verbots neuer Gasheizungen an das Vorhandensein einer kommunalen Wärmeplanung stößt - abgesehen von der DUH und dem von der AfD geladenen Experten - auf viel Lob. "Wir bewerten den zeitlichen Horizont, bis 2028 flächendeckend Wärmepläne aufzustellen, für realistisch", sagt Christine Wilcken vom Deutschen Städtetag. VKU-Geschäftsführer Liebing sagt, er hätte es lieber gesehen, wenn das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung zeitgleich mit dem GEG und nicht erst nach dem Sommer gekommen wäre. So müsse das GEG womöglich im Herbst nachgebessert werden.
Als sich am Nachmittag Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesbauministerin Klara Geywitz den Fragen der Bundestagsabgeordneten stellen, wird aber deutlich: Das mit der kommunalen Wärmeplanung wird kompliziert. Bislang war eigentlich vorgesehen, Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnern von der Pflicht auszunehmen. Der Gesetzgeber könne "nicht die gleichen gesetzlichen Anforderungen an kleine Kommunen stellen", sagt Geywitz. Doch wenn die geplante Ausnahme vom Verbot des Neueinbaus neuer Gasheizungen nur für Kommunen gilt, wo keine Wärmeplanung vorliegt, droht eine erhebliche Lücke. CDU-Politiker Andreas Jung weist in der Fragestunde mit Geywitz und Habeck darauf hin, dass von 11.000 Kommunen 9000 weniger als 10.000 Einwohner haben. Die Koalitionsfraktionen und die Ministerien werden sich etwas überlegen müssen - und das sehr schnell.
Fernwärme
Der Fokus auf Fernwärme insbesondere im urbanen Raum stößt allgemein auf Zuspruch. Thomas Engelke von der Bundeszentrale Verbraucherverband (VZBV) mahnt jedoch an, dass es mehr Transparenz brauche. Bei Fernwärme handele es sich um Monopolmärkte mit teils sehr großen Preisschwankungen. Engelke fordert "eine nationale Preisaufsicht und Wettbewerbselemente". Auch eine Pflicht zur Nutzung der Fernwärme verbiete sich. Strittig ist zudem die in den Leitplanken geeinte Lockerung zur Umstellung der Fernwärme auf Erneuerbare Energien, die derzeit noch zu mehr als 80 Prozent aus Gas und Kohle entstehen. Aus Sicht der Umwelthilfe geraten so die Klimaziele in weite Ferne. Die Kommunalen Unternehmen widersprechen: Ausbau und Umbau des Fernwärmenetzes seien nicht gleichzeitig zu stemmen, weshalb es richtig sei, zunächst den Ausbau zu forcieren. Sandra Rostek vom Bundesverband Erneuerbarer Energien (BEE) fordert dagegen, dass auch die Fernwärme bis 2030 zu 50 Prozent aus Erneuerbaren gewonnen werden müsse, bis 2035 zu 65 Prozent.
Wasserstoff
Die erweiterte Öffnung des Heizungsgesetzes für grünen Wasserstoff stößt gleich bei mehreren Verbänden auf Kritik - insbesondere bei den Vertretern der Umweltverbände, der Erneuerbaren Technologien, der Mieter und Verbraucher. Von einer "Fata Morgana" spricht Sandra Rostek vom Bundesverband Erneuerbarer Energien (BEE). Grüner Wasserstoff werde in der Wärmewirtschaft eine Randerscheinung bleiben. Die Präsidentin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, sieht das anders: So würden in Zukunft auch viele Hybridheizungen eingesetzt, also Wärmepumpen, die bei großer Kälte Gasheizungen zuschalten. Auch für diese Szenarien würden Biogase gebraucht, gibt Andreae zu bedenken. Zudem spiele Wasserstoff künftig bei der Kraftwärmekopplung eine große Rolle. Aus Sicht des Verbraucherverbands drohe den Menschen mit dem Versprechen von der baldigen Verfügbarkeit von Wasserstoff zum Heizen eine "Kostenfalle". Es sei wissenschaftlicher Konsens, dass grüner Wasserstoff in den kommenden beiden Jahrzehnten rar und teuer bleibe.
Pelletheizungen und Biomasse
Andreae vom BDEW lobt die nachträglich vereinbarten Lockerungen für Wärme aus Biomasse und Holz. "Biomasse kann dann verwendet werden, wenn sie nachhaltig ist", sagt sie mit Verweis auf die Verwertung lokal entstandenen Abfalls. Sandra Rostek warnt vor "überzogenen" Anforderungen an die Biomasse- und Pelletheizungen, etwa bei Filteranlagen. Holz stehe genügend zur Verfügung. Derzeit gingen noch 20 Prozent der in Deutschland produzierten Pellets in den Export. Künftig werde in Deutschland noch mehr Holz verbaut, wobei 40 Prozent des verarbeiteten Holzes nicht verbaut, sondern verheizt würden, sagt Rostek.
Später im Bundestag räumt Wirtschaftsminister Habeck ein, dass er Holzheizungen lieber weniger stark gefördert gesehen hätte. Ihm sei es darum gegangen, im GEG "Emissionen, Feinstaub und auch Schonung der natürlichen Ressourcen mitzudenken", sagt Habeck. "Holz ist ein knappes Gut", aber seine Vorstellungen hätten "die Beratungen so nicht überstanden". In der Anhörung teilt einzig die Umwelthilfe Habecks Auffassung von der Umweltschädlichkeit der Pelletheizungen.
Förderungen
"Das Förderkonzept der Bundesregierung greift noch zu kurz. Es braucht eine Förderung, je nach Einkommen sogar bis zur Vollförderung", mahnt Thomas Engelke von der Bundeszentrale Verbraucherverband (VZBV). Zudem müssten auch Menschen mit geringem Einkommen Zugriff auf Förderkredite bekommen. Im Parlament kündigt Habeck an, dass die Förderinstrumente entweder durch den Bundestag im Rahmen der GEG-Einigung festgelegt würden oder andernfalls sein Ministerium das BEG-Gesetz (Bundesförderung für effiziente Gebäude) entsprechend anpassen werde. Sie sehe insbesondere bei der Frage der Förderungen "viele Hausaufgaben", sagt Lamia Messari-Becker, Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik. "Es wird teuer, es wird hart", fasst sie die Wärmewende zusammen. Umso effiziente müsse jeder Euro eingesetzt werden.
Beratungen
Die Vertreter des Deutschen Mieterbunds und des Berliner Mietervereins fordern, die Beratung insbesondere für Vermieter obligatorisch zu machen. Andernfalls sollten sie die Kosten nicht auf ihre Mieter umlegen dürfen, da sie womöglich ohne Not die im Verbrauch teurere technische Option angeschafft haben. Für eine Beratungspflicht spricht sich auch die Vertreterin des Städtetags aus: "Es kann keinen Anspruch auf Wasserstoff geben", sagt Wilcken mit Blick auf die Möglichkeit, Wasserstoff-bereite Gasheizungen zu verbauen. Verbraucher müssten aufgeklärt werden, ob ein Wasserstoff-Anschluss tatsächlich kommen werde. Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima, kann mit der Beratungspflicht gut leben. Es brauche aber im Gegenzug "eine Art öffentlicher Datenbank", aus der die Wärmeplanung der Kommunen und ihr aktueller Stand hervorgingen. Lamia Messari-Becker, Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Universität Siegen, fordert ebenfalls zertifizierte Fachberater - möglichst nicht durch den jeweiligen Verkäufer der neuen Heizung.
Kosten für Mieter und Mieterinnen
Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein mahnt unter anderem an, dass Vermieter den Austausch einer Heizung nicht in jedem Fall qua Modernisierungsumlage umlegen dürfen. Werden defekte oder alte Heizungen ausgetauscht, müsse dies nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs als Instandhaltungsleistung betrachtet werden. Bartels schlägt daher vor, dass Vermieter in solchen Fällen zwei Drittel ihrer Kosten pauschal selbst tragen müssen und nur ein Drittel umlegen dürfen. Der Präsident des Deutschen Mieterbunds, Lukas Siebenkotten, kritisierte zudem die geplante neue Modernisierungsumlage. Diese sei nur akzeptabel, wenn beiden Umlagen zusammen auf 3 Euro gekappt würden und die Umlage auf den Zeitraum bis zur Amortisierung der Investitionskosten begrenzt werde. Bartels vom Berliner Mieterverein fordert, die Modernisierungsumlage von 8 auf 4 Prozent der Monatskaltmiete zu reduzieren.
Kosten für Vermieterinnen und Vermieter
Neben den Kommunen sind es vor allem Eigenheimbewohner und Vermieter, die die Investitionen hinter der Wärmewende stemmen müssen. Kai Warnecke, Präsident des Vereins Haus und Grund, beklagt, die Eigentümer seien bislang "eher feigenblatt-artig in den Gesetzgebungsprozess einbezogen worden". Unter den Vereinsmitgliedern herrsche angesichts der immensen Kosten für neue Heizungen "schlicht Verzweiflung". Eine Begrenzung der Kostenumlage auf die Mieter bis zur Amortisierungsgrenze lehnt Warnecke entschieden ab. Auch er mahnt dringend Klarheit über die Förderungen des Bundes an. Immerhin darin sind sich Vertreter von Mietern und Vermietern einig. Mieterbund-Präsident Siebenkotten fordert aber auch, dass Vermieter Fördermittel zwingend abrufen müssten, bevor sie die verbleibenden Kosten auf die Mieter umlegen dürfen.
Quelle: ntv.de