Politik

Lindner, Baerbock, Habeck "Spax-Schrauben brauchen keine Mutter"

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Grüne und FDP seien sich bewusst, "dass alleine die Art und Weise, dass und wie wir miteinander sprechen, für viele Menschen Anlass zu Hoffnung und Motivation ist", sagt FDP-Chef Lindner nach der zweiten Vorsondierung mit den Grünen. Auch die Grünen-Vorsitzenden vermitteln den Eindruck: es läuft. Was auf den Brötchen lag, verraten sie nicht.

Mit leichter Verspätung treten die drei vor einem Bürogebäude in Berlin vor die Presse, um gut gelaunt ziemlich wenig mitzuteilen. Grünen-Chefin Annalena Baerbock macht den Anfang. "Diese Wahl hat uns allen einen Auftrag gegeben", sagt sie, "ein neues Bündnis zu schaffen." Das sei ein historischer Moment, weil es eine Politik voraussetze, die für einen neuen Aufbruch sorge.

"Dafür sind vertrauensvolle Gespräche notwendig, die haben wir in den letzten Tagen im kleineren Kreis getan, dafür haben wir uns heute zwischen Bündnis90/Die Grünen und FDP in größerer Runde getroffen, um den Auftrag, den uns die Wählerinnen und Wähler gegeben haben, für eine wirkliche Erneuerung in diesem Land zu sorgen, schon einen ersten kleinen Schritt zu gehen." Der Satz holpert ein wenig, aber es ist klar, was Baerbock sagen will: es läuft.

Deutlich früher als angekündigt, schon um 8.30 Uhr statt um 11.00 Uhr, hatten sich die beiden zehnköpfigen Verhandlungsteams in einem angemieteten Konferenzraum unweit vom Kurfürstendamm zusammengesetzt. Es war die zweite Runde der sogenannten Vorsondierungen zwischen FDP und Grünen, von denen SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gerade dem "Spiegel" gesagt hatte, er finde es "richtig, dass sie zuerst untereinander sprechen".

"Wie das gemeinsam Trennende überwunden werden kann"

Nach Baerbock spricht der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. Er wiederholt, was er seit Sonntagabend schon mehrfach gesagt hat - dass die Wähler sich bei der Bundestagswahl "gegen den Status quo entschieden" haben. "Wir treten jetzt gemeinsam in eine offene Situation, in der vieles in unserem Land neu begründet und neu gegründet werden kann: die Quellen unseren Wohlstands, die technologischen Grundlagen unseres Zusammenlebens, die Möglichkeiten sozialer Sensibilität, Sicherung und Aufstiegs."

Die Grünen und die FDP fühlten sich "gemeinsam beauftragt, in Deutschland einen neuen Aufbruch zu organisieren", sagt Lindner. Es sei "fraglos" so, dass die beiden Parteien den Status quo der vergangenen Jahre "aus unterschiedlichen Perspektiven bewertet und kritisiert" hätten. "Deshalb führen wir jetzt Gespräche darüber, wie das gemeinsam Trennende überwunden werden kann, welche Brücken gebaut werden können." Bei Klimaschutz und Finanzen etwa gebe es "zweifelsohne" Unterschiede. Jetzt gehe es darum, die Brücken zu suchen. Dieser Prozess habe "heute in einer guten Atmosphäre begonnen, er ist allerdings nicht abgeschlossen".

"Wir spüren", so Lindner weiter, "dass alleine die Art und Weise, dass und wie wir miteinander sprechen und wie wir um Lösungen uns in einer sehr vertrauensvollen Atmosphäre bemühen, für viele Menschen Anlass zu Hoffnung und Motivation ist." FDP und Grüne sähen sich daher "in einer großen gemeinsamen Verantwortung".

Wurst oder Käse? Alles nur ein Test

Bevor die Journalisten ihre Fragen stellen dürfen, kommt noch Grünen Co-Chef Robert Habeck zu Wort. Es sei "enorm, was in den letzten Tagen passiert ist, dass wir miteinander eine Gesprächskultur aufgebaut haben, die eine sachorientierte Diskussion möglich macht". Habeck spricht von "einer Neugier", einer "Suche nach Orientierung" und davon, "dass die Grünen und die FDP zusammen einen großen Teil dieser orientierungsgebenden Kraft stellen können".

Weitere Gespräche gibt es am Wochenende: Am Sonntag trifft sich die SPD erst mit der FDP, später mit den Grünen. Am Sonntagabend treffen sich Vertreter der Union mit der FDP, am Dienstagmorgen mit den Grünen. Nach diesen Gesprächen werde man sehen, "welche Dynamik die nächsten Tagen, vielleicht Wochen entfalten", sagt Habeck. Es sei wichtig, richtig in einen Prozess reinzukommen. Auch er wiederholt ein Bild, dass er schon mehrfach bemüht hat: "Wenn man die Schraube schräg einsetzt, dann wird sie nie wieder gerade. Diese Schraube ist jedenfalls in den ersten Tagen sehr gerade eingesetzt worden. Insofern war das, glaube ich, ein ganz guter Start auf dem Weg zur Bildung einer neuen Regierung."

Während anschließend die erste Frage gestellt wird, sprechen die drei sich noch rasch ab. "Gleiche Reihenfolge?", murmelt Habeck den anderen zu. Lindner nickt. Anders als bei Pressekonferenzen häufig üblich, antworten nicht alle auf jede Frage, sondern abwechselnd immer nur auf eine. Sie sagen trotzdem mehr oder weniger das Gleiche, nämlich nichts. "Wir haben ja gerade deutlich gemacht, dass sich 2017 nicht wiederholen soll", sagt Baerbock mit Blick auf die vor vier Jahren gescheiterten Jamaika-Sondierungen. Dieses Mal sollen die vertraulichen Gespräche vertraulich bleiben. Deshalb würden "auch alle weiteren Fragen, was es auf den Brötchen, Käse oder Wurst, gab", nicht beantwortet.

"Dazu möchten wir nichts sagen"

Was auf den Brötchen lag, ist natürlich vollkommen unerheblich. Offenbar wollen Grüne und FDP einander testen: Wenn der Belag geheim bleibt, wenn auch die Selfie-Location vom Dienstag nicht bekannt wird, dann kann man darauf vertrauen, dass auch inhaltliche Absprachen und schmerzhafte Kompromisse nicht nach außen getragen werden. Denn wer indiskret ist, befriedigt nicht nur die Neugier von Medien und Öffentlichkeit. Er kann auch steuern, wer als Verlierer dasteht und wer als Gewinner.

Bislang klappt das gut. "Dazu möchten wir nichts sagen", sagt Lindner auf eine Frage nach inhaltlichen Punkten, die möglicherweise schon geklärt seien. "Zum gemeinsamen Prozess gehört eben auch, dass wir nicht fortwährend Zwischenergebnisse und Wasserstandsmeldungen nach draußen geben."

Ist denn vielleicht über das Tempolimit gesprochen worden? "Wie Annalena Baerbock und Christian Lindner ja gerade gesagt haben", so Habeck, zeichne es den Geist der Gespräche aus, "nicht alles, was man weiß, immer zu Markte zu tragen". Man werde sich dann an die Öffentlichkeit wenden, "wenn wir der Meinung sind, jetzt gibt es was zu erzählen".

Die drei scheinen Spaß an der Situation zu finden. "Wir sind heute schmallippig", sagt Baerbock und lacht. Als Lindner mit ernstem Gesicht erklärt, man habe sich auch über "methodische Fragen, Fragen des Verfahrens, ausgetauscht, aber heute ist nicht der Zeitpunkt, um darüber schon allgemein zu unterrichten", amüsieren Habeck und Baerbock sich im Hintergrund.

Nach etwa acht Minuten geht die letzte Frage an Habeck. Wenn Grüne und FDP die Schraube sind, wer sei dann die Mutter? Gemeint ist: Mit wem wollen die beiden nun koalieren, mit der SPD oder mit der Union? Habeck lacht, und auch Lindner schmunzelt. "Ich habe jetzt eher an so eine Spax-Schraube gedacht", sagt Habeck. "Spax-Schrauben brauchen keine Mutter."

Quelle: ntv.de

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