Politik

Der Kriegstag im Überblick Theater mit Hunderten Zivilisten zerstört - Verhandlungen werden konkreter

Für die Zerstörung des Theaters von Mariupol geben sich Kiew und Moskau gegenseitig die Schuld.

Für die Zerstörung des Theaters von Mariupol geben sich Kiew und Moskau gegenseitig die Schuld.

(Foto: via REUTERS)

In Tschernihiw kommen bei einem Angriff zehn Menschen in einer Warteschlange ums Leben. In Mariupol legen Bomben ein Theater, in dem Hunderte Ukrainer Zuflucht gesucht hatten, in Schutt und Asche. Auf diplomatischer Ebene stehen die Zeichen indes auf Annäherung. Der 21. Kriegstag im Überblick.

Bomben zerstören Theater in Mariupol

In der südukrainischen Hafenstadt Mariupol ist ein Theater bombardiert worden, in dem "Hunderte" Menschen Zuflucht gesucht hatten. Ein russisches Flugzeug habe "eine Bombe über dem Gebäude abgeworfen, in dem hunderte Zivilisten Schutz gesucht hatten", teilte das Rathaus der von russischen Truppen belagerten Stadt auf Telegram mit. Angaben über Tote und Verletzte könnten bislang nicht gemacht werden, da der Beschuss des Wohnviertels anhalte, hieß es weiter. Das Rathaus veröffentlichte ein Foto, das starke Schäden an dem Theater zeigt. Demnach wurde der Mittelteil des Gebäudes zerstört.

"Ein weiteres entsetzliches Kriegsverbrechen in Mariupol", twitterte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Das Gebäude sei vollständig zerstört. "Die Russen müssen gewusst haben, dass dies ein ziviler Unterschlupf war." Die russische Seite wies die Vorwürfe von sich. Russische Soldaten hätten am Mittwoch keinerlei Luftangriffe gegen Bodenziele in Mariupol ausgeführt, teilte das russische Verteidigungsministerium der Agentur Interfax zufolge mit. "Nach verfügbaren zuverlässigen Daten" hätte das ukrainische nationalistische Regiment Asow das zuvor bereits verminte Theatergebäude attackiert, hieß es.

Erst am Morgen hatte die Ukraine Russland eine Geiselnahme in einem Krankenhaus in Mariupol vorgeworfen. Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk sagte in einer Videobotschaft, insgesamt handele es sich um etwa 400 Zivilisten. "Und jetzt wird aus dem Krankenhaus heraus geschossen", sagte Wereschtschuk. Zuvor hatte bereits die Hilfsorganisation Media Initiative for Human Rights entsprechende Vorwürfe erhoben. Von russischer Seite gab es zunächst keine Stellungnahme. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Zehn Zivilisten in Warteschlange getötet

Ein weiterer tödlicher Angriff erfolgte im Norden der Ukraine. In der Stadt Tschernihiw haben russische Soldaten nach ukrainischen Angaben mindestens zehn Menschen getötet, die vor einem Lebensmittelladen anstanden, um Brot zu kaufen. Um 10 Uhr Ortszeit hätten die russischen Armeeangehörigen das Feuer auf die Menschenschlange eröffnet, teilte die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft mit. "Nach vorläufigen Erkenntnissen wurden zehn Zivilisten getötet." Es sei eine Untersuchung wegen "vorsätzlichen Mordes" eingeleitet worden.

Russland wies die Vorwürfe zurück, in Tschernihiw gebe es keine russischen Truppen. Es handle sich entweder um eine grausame Terrortat ukrainischer Nationalisten oder eine Inszenierung des ukrainischen Geheimdiensts, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, der Agentur Tass zufolge.

In der von Russland besetzten Stadt Melitopol ist indes der verschwundene Bürgermeister, Iwan Fedorow, wieder aufgetaucht. Die "Spezialoperation zur Befreiung des Bürgermeisters aus der Gefangenschaft" wurde abgeschlossen, verkündete der Vizechef des ukrainischen Präsidentenbüros, Kyrylo Tymoschenko, in einer Videobotschaft auf Telegram. Fedorow befinde sich in der zentralukrainischen Stadt Saporischschja. Präsident Wolodymyr Selenskyj habe bereits mit ihm gesprochen. In einem ebenfalls bei Telegram veröffentlichten Video ist Selenskyj bei einem Telefonat mit Fedorow zu sehen. Er sei "froh, mit einem lebenden Mann zu sprechen", sagt Selenskyj darin. Das Stadtoberhaupt war am vergangenen Freitag verschwunden. Kurz zuvor hatten die prorussischen Separatisten gegen den 33-Jährigen ein Verfahren wegen Unterstützung einer ukrainischen rechtsextremen Organisation eingeleitet. Kiew sprach von einer Entführung.

Kiew und Moskau arbeiten 15-Punkte-Plan aus

Während die Kämpfe weiter laufen, scheinen die Verhandlungen auf diplomatischer Ebene ein wenig konkreter zu werden. "Das könnte schon bald passieren." So sagte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak zu einem möglichen Treffen von Selenskyj mit Kreml-Chef Wladimir Putin: "Der einzige Weg, diesen Krieg zu beenden, sind direkte Gespräche der beiden Präsidenten. Daran arbeiten wir bei diesen Verhandlungen." Derzeit würden Dokumente ausgearbeitet, welche die Staatschefs dann vereinbaren und unterzeichnen können.

Nach Informationen der "Financial Times" arbeiten beide Seiten an einem 15-Punkte-Plan. An erster Stelle stünden die von Russland geforderte Neutralität und Entmilitarisierung der Ukraine sowie der von Kiew verlangte Abzug russischer Truppen. Territoriale Streitfragen sollten demnach erst später diskutiert werden. Podoljak sagte jedoch auf Telegram, der Plan gebe nur die russischen Forderungen wider, "mehr nicht". Die ukrainische Seite habe ihre eigene Position. Das Einzige, was er zur Zeit als Diskussionsgrundlage bestätigen könne, seien eine Waffenruhe, ein Rückzug der russischen Truppen und Sicherheitsgarantien einer Reihe von Staaten.

Selenskyj hält emotionale Rede vor US-Kongress

In einer emotionalen Ansprache vor dem US-Kongress appellierte der ukrainische Präsident Selenskyj an den Westen, sein Land stärker gegen die russische Aggression zu unterstützen. "Ist es viel verlangt, wenn wir um die Schaffung einer Flugverbotszone über der Ukraine bitten, um Menschen zu retten?", fragte er per Videoschalte die US-Abgeordneten. Russlands Ukraine-Invasion verglich er mit den Terroranschlägen des 11. September 2001 in den USA. Selenskyj unterbrach seine Rede, um ein Video von der massiven Zerstörung durch die russischen Angriffe in der Ukraine zu zeigen. Nach Filmaufnahmen von in Flammen stehenden Wohnhäusern und verletzten Zivilisten leuchteten auf der Leinwand die Worte "Schließen Sie den Himmel."

Die USA müssten der Ukraine im Krieg gegen Russland beistehen, indem sie eine Flugverbotszone über dem Land einrichteten, forderte Selenskyj. "Ich habe einen Traum", sagte er in Anlehnung an die berühmten Worte des US-Bürgerrechtlers Martin Luther King. "Ich muss unseren Himmel schützen. Ich brauche Ihre Entscheidung, Ihre Hilfe." Eine Flugverbotszone würde dazu führen, "dass Russland unsere freien Städte nicht terrorisieren könnte", argumentierte Selenskyj.

Mit ihrer Klage bekam die Ukraine vor dem Internationalen Gerichtshof Recht: Das höchste UN-Gericht ordnete an, dass Russland sofort die militärische Gewalt in der Ukraine beenden muss. Russland blieb der Verlesung der Entscheidung in Den Haag fern. Die Gewalt müsse sofort enden, sagte die Präsidentin des Gerichtes, Joan Donoghue. Das Urteil ist zwar bindend. Doch Experten bezweifeln, dass Moskau sich an eine Anordnung halten wird. Das Gericht besitzt keine Machtmittel, um einen unterlegenen Staat zu zwingen, ein Urteil umzusetzen. Das Urteil kann aber internationale Signalwirkung haben und den Druck auf Moskau erhöhen. Ebenfalls Signalwirkung hatte Russlands Ausschluss aus dem Europarat. Nach der Ankündigung Russlands über seinen Austritt schloss die Organisation ihrerseits Russland endgültig aus.

Putin wirft Westen Zerschlagung Russlands vor

Russlands Präsidenten Putin dürften diese Entscheidungen in seiner Argumentation bestätigen: Nach den Worten des Kreml-Chefs führt der Westen die Zerschlagung Russlands im Schilde, drängen die "westlichen Schutzherren" die Ukraine zu einer Fortsetzung des Blutvergießens. Sie lieferten Waffen, Informationen und schickten Söldner in das Nachbarland, sagte Putin in Moskau. Russland werde aber nicht zulassen, dass die Ukraine zum "Aufmarschgebiet einer Aggression gegen Russland" werde. Der Präsident versicherte, dass russische Truppen nahe Kiew oder anderer Städte nicht bedeute, dass sie die Ukraine besetzen wollten. "Ein solches Ziel haben wir nicht."

Dem Kreml geht es nach eigenen Angaben um "Demilitarisierung" und "Denazifizierung" sowie einen neutralen Status der Ukraine. Außerdem fordert Moskau die Anerkennung der 2014 annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisches Territorium und eine Souveränität der Separatistengebiete Luhansk und Donezk in ihren administrativen Grenzen. Die Ukraine will ihrerseits einen sofortigen Abzug russischer Truppen und einen Waffenstillstand erreichen. Kiew zeigte sich bereit, auf einen NATO-Beitritt zu verzichten, verlangt dafür aber Sicherheitsgarantien von anderen Ländern.

Die NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg rechnet indes mit dauerhaften Konsequenzen für das Verteidigungsbündnis infolge des Ukraine-Krieges. "Sie wird unser Sicherheitsumfeld verändern, und sie wird langfristige Folgen für alle NATO-Alliierten haben", sagte er und unterbreitete den Bündnisstaaten zugleich brisante Vorschläge zur dauerhaften Verstärkung der Ostflanke. Wie mehrere Diplomaten bestätigten, würden zum Verteidigungsminister-Treffen vorgelegte Pläne aus russischer Sicht vermutlich gegen die NATO-Russland-Grundakte von 1997 verstoßen. Darin hat sich die NATO unter anderem verpflichtet, auf die dauerhafte Stationierung "substanzieller Kampftruppen" im östlichen Bündnisgebiet zu verzichten. Details zu den als geheim eingestuften Vorschlägen wurden zunächst nicht genannt.

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Quelle: ntv.de, chf/dpa/AFP

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