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Regeln für Instagram und Co. "Unter Trump fühlt sich Zuckerberg befreit"

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"Zuckerberg will sich gut mit der Trump-Administration stellen", sagt Jaursch.

"Zuckerberg will sich gut mit der Trump-Administration stellen", sagt Jaursch.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Die Tech-Milliardäre Elon Musk und Mark Zuckerberg wehren sich gegen die Regulierung ihrer sozialen Netzwerke in der EU. Vom künftigen US-Präsidenten Donald Trump erhoffen sie sich, unliebsame Gesetze aus dem Weg zu räumen. So einfach sei das aber nicht, sagt Digital-Experte Julian Jaursch.

ntv.de: Elon Musk zofft sich mit der Europäischen Union. Die Kommission hat ein Verfahren gegen sein soziales Netzwerk X eingeleitet, da es gegen den Digital Service Act (DSA), das EU-Gesetz für digitale Dienste, verstoßen soll. Warum?

Julian Jaursch: Es geht um drei Sachen: Erstens ist laut Kommission die Onlinewerbung auf X für Nutzende nicht so transparent, wie sie es laut DSA sein soll. Zweitens fehlt Forschenden der Datenzugang zu X, um die Algorithmen untersuchen zu können. Drittens hat die Kommission den Verdacht, dass die blauen Haken für verifizierte Accounts irreführend sind. Die Verfahren laufen noch. Zu diesen drei Punkten hat die Kommission aber immerhin schon vorläufige Befunde.

Julian Jaursch ist Projektleiter bei der europäischen Denkfabrik Interface.

Julian Jaursch ist Projektleiter bei der europäischen Denkfabrik Interface.

Hat die Kommission auch den konkreten Verdacht, dass X verbotene Inhalte verbreitet, etwa Hass und Hetze?

Dazu gibt es Untersuchungen, die noch nicht abgeschlossen sind. Es geht darum, ob X genug gegen die Verbreitung von Inhalten unternimmt, die laut den Gesetzen der EU-Mitgliedsstaaten verboten sind, und wie einfach Menschen solche Inhalte melden können. Das kann ein terroristischer Inhalt sein, sexualisierte Gewalt oder Volksverhetzung. Ein weiterer Punkt sind die sogenannten Community Notes, also Verfahren der Inhalte-Moderation. Die Nutzenden stellen Beiträge auf X dabei in einen Gesamtkontext. Fraglich ist, ob das gut genug funktioniert.

Die EU hat Dutzende ihrer Beschäftigten beauftragt, Musks Gespräch mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel auf X zu beobachten. Hat sie dazu auch ein Verfahren eingeleitet?

Die EU hat, soweit ich weiß, kein formelles Verfahren dazu eingeleitet. Das könnte die Kommission auch gar nicht, zumindest nicht zum Inhalt des Gesprächs. Denn der DSA ist nicht dafür da, einzelne Inhalte durch Behörden zu überwachen, sondern für die Kontrolle der Technik hinter der Verbreitung von Beiträgen. Für das Gespräch zwischen Weidel und Musk heißt das: Die EU kann sich anschauen, ob die Technik auf X dafür sorgt, dass Musks Beiträge wie dieses Gespräch den Nutzenden öfter angezeigt wird als andere Inhalte. Wenn das so wäre und wenn das nicht offengelegt würde, könnte es einen Verstoß gegen den DSA darstellen. Noch ist unklar, ob das so ist. Generell ist nochmal wichtig zu betonen, dass keines der ganz offiziellen Verfahren abgeschlossen ist, dass einige Verpflichtungen des DSA gerade erst vor Kurzem erstmalig gegriffen haben und andere noch gar nicht getestet wurden.

Wenn so vieles noch gar nicht feststeht: Warum laufen Musk und auch Meta-Gründer Mark Zuckerberg Sturm gegen den DSA?

Ich kann nicht für die Unternehmen sprechen. Für sie bedeutet Regulierung auch hohe Kosten und Bürokratieaufwand. Zum Beispiel müssen Berichte geschrieben und Leute dafür eingesetzt werden. Aber das haben die Unternehmen schon vor dem Inkrafttreten des DSA gemacht, unter anderem aufgrund des öffentlichen Drucks. Gerade bei den US-Plattformen muss man beachten, dass wir durch die künftige Regierung unter Präsident Donald Trump eine neue politische Gemengelage haben. Unternehmen wollen mit der Trump-Administration auf gutem Fuß stehen. Das ist sicherlich ein Grund für die Beschwerden Musks und Zuckerbergs, wenn auch nicht der wichtigste.

Zuckerberg hat angekündigt, das Faktencheck-Programm für die sozialen Netzwerke von Meta in den USA zu beenden. Macht er das, um Meta auf Trump-Kurs zu bringen?

Ich kenne Mark Zuckerberg nicht. Aber die Vermutung liegt nahe, dass dieses Einschwenken auf die neue Regierung mit ein Grund ist. Zuckerberg will sich gut mit der Trump-Administration stellen. Ich würde aber auch nicht unterschätzen, dass jetzt Zuckerbergs Grundhaltung durchkommt: Eine eher libertäre Grundhaltung, die er vor ein paar Jahren auch schon öffentlich kundgetan hat. Unter Präsident Joe Biden und dem Eindruck der gesellschaftlichen Ereignisse hat er das in den vergangenen Jahren ein bisschen heruntergeschraubt. Unter Trump fühlt sich Zuckerberg nun befreit, weil er wieder seine eigene Meinung kundtun kann. Vor einigen Jahren hat er schon teilweise Moderationsteams verkleinert und Leute gefeuert.

Meta beendet das Faktencheck-Programm zunächst nur in den USA. In der EU muss der Konzern wegen des DSA aber weiter gegen die Verbreitung von illegalen Inhalten vorgehen, oder?

Ja, das muss betont werden: Erstens geht es erst einmal nur um die USA. Zweitens geht es bei Faktenchecks auch meist gar nicht um illegale Inhalte, sondern viel um Spam. Zudem schreibt der DSA den Unternehmen für den EU-Markt auch gar nicht konkret ein Faktencheck-Programm vor. Aber sie müssen Maßnahmen ergreifen, um etwa Gefahren für die Grundrechte wie Meinungs- und Informationsfreiheit kleinzuhalten. Bislang hat Meta gesagt: Bei uns funktioniert das Faktencheck-Programm bei diesem Umgang mit möglichen Risiken gut, genauso wie die automatisierte Erkennung von Spam, Betrug und Falschmeldungen. So steht das auch im Meta-Risikobericht vom vergangenen Jahr. Falls Zuckerberg beides auch in der EU abstellen sollte, müsste er Alternativen finden.

Was könnte Trump denn tun, falls ihm der DSA nicht passt?

Das ist Spekulation. Theoretisch kann er zum Beispiel mit Zöllen drohen und Exportstopps auf Waren verhängen, die von der EU gebraucht werden. Solche Drohungen hat es auch schon während seiner ersten Amtszeit gegeben. In dem Fall hofft er darauf, dass die Europäische Kommission oder auch einige Mitgliedstaaten von der Durchsetzung solcher Gesetze absehen oder sie zumindest verzögern. Aber an sich ist der DSA ein EU-weit geltendes Gesetz, an das sich jede Plattform halten und das die Kommission durchsetzen muss.

Ist denkbar, dass die EU vor Trump einknickt?

Ich halte es für unrealistisch, dass die EU das Gesetz absetzt oder rückgängig macht. Aber die Gefahr besteht, dass aus politischen Gründen die Durchsetzung verlangsamt wird. Wenn es so käme, hätte das negative Auswirkungen auf die Menschen, die diese Plattformen nutzen. Der DSA soll für sie Rechtssicherheit im Digitalen schaffen. Man kann sich vortrefflich darüber streiten, dass der DSA große Schwächen hat und verbessert werden muss. Sinnvoll ist aber der Ansatz, dass man den Nutzenden etwa Beschwerdemöglichkeiten an die Hand gibt, Algorithmen erklärt, Werbung offenlegt. Würde das alles zurückgefahren, wäre das ein Rückschlag für den Verbraucher:innenschutz in der EU.

Mit Julian Jaursch sprach Lea Verstl

Quelle: ntv.de

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