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Konflikte und Streit Die Vereinten Nationen sind fast am Ende

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Die Skulptur "Non-Violence" des schwedischen Künstlers Carl Fredrik Reuterswärd steht seit 1988 vor dem UN-Gebäude in New York.

Die Skulptur "Non-Violence" des schwedischen Künstlers Carl Fredrik Reuterswärd steht seit 1988 vor dem UN-Gebäude in New York.

(Foto: picture alliance / photothek)

Die UN wurden als Konsequenz aus dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Sie sollten global Frieden und Menschenrechte sichern. Beides ist nur mäßig gelungen. Trotzdem ist es gut, dass es sie gibt. Nun verkommt die Organisation zu einem Schauplatz der Diktatoren und Autokraten.

"Die UNO wurde nicht geschaffen, um die Menschheit in den Himmel zu bringen, sondern um sie vor der Hölle zu bewahren." Das Zitat - es wird immer wieder dem britischen Premierminister Winston Churchill zugeschrieben - stammt von dem schwedischen Friedensnobelpreisträger Dag Hammarskjöld, der von 1953 bis zu seinem Tod 1961 der zweite Generalsekretär in der Geschichte der Vereinten Nationen war. Churchill - wie US-Präsident Franklin D. Roosevelt einer der geistigen Väter der Organisation - nannte die UNO schon 1944, ein Jahr vor ihrer Gründung, "die einzige Hoffnung der Welt".

Die Institution mit Sitz in New York geht auf den Völkerbund (1919-1946) zurück, der kein zahnloser Tiger war, aber dem die Hauer fehlten, weil ihm zu viele Staaten - allen voran die USA - nicht beigetreten waren. Amerika wollte ohnehin nach dem Ersten Weltkrieg möglichst nichts mehr mit irgendwelchen Schlachten in Europa zu tun haben, bis Hitler seine Armeen in Gang setzte und den Massenmord an den Juden beging. Die UNO ist somit nicht das Ergebnis einer träumerischen Utopie, sondern aus der Erkenntnis des Zweiten Weltkriegs heraus als Notwendigkeit gebildet worden.

Tatsächlich hat die Organisation Anteil daran, rund um den Erdball Konflikte entschärft, die Umsetzung von Abkommen gesichert und wohl auch den Dritten Weltkrieg mit verhindert zu haben. Andererseits: Die United Nations haben es nie geschafft, Frieden, Sicherheit und Menschenrechte auf allen Kontinenten zu gewährleisten. Bekanntlich brachen bald nach Gründung der UNO ein kalter und sehr viele warme Kriege aus, darunter der erste arabisch-israelische von 1947 bis 1949 auf dem Gebiet des Mandats, das der Völkerbund nach der Auflösung des Osmanischen Reichs Großbritannien übertragen hatte.

Eine Organisation der Uneinigkeit

Davon, die Menschheit in den Himmel zu bringen, sind die Vereinten Nationen so weit entfernt wie die Erde zum Mars. Aber auch das von Hammarskjöld ausgegebene und von Churchill unterstütze Ziel, den Planeten vor der Hölle zu bewahren, ist in weite Ferne gerückt. Barack Obama hatte zu Beginn seiner Amtszeit als US-Präsident beklagt, dass die UNO "zu einer Stätte wird, an der Uneinigkeit gesät und nicht gemeinsames Fundament gefunden wird". Recht hatte er. Die Vereinten Nationen sind nicht länger das Symbol des globalen Miteinanders, sondern des Gegeneinanders - von einer Staatengemeinschaft kann keine Rede sein.

Im Mittelpunkt des Konflikts steht der Kampf zwischen dem Westen, so es ihn überhaupt noch gibt, sowie den Diktatoren und Autokraten der Welt, die die New Yorker Organisation seit Jahren für ihre Täuschungsmanöver, Lügen und Propaganda missbrauchen. Russland ist da ganz vorn dabei. Sein Land überzieht die Ukraine mit Vernichtungskrieg und Bombenterror, trotzdem erklärt Moskaus Außenminister Sergej Lawrow rotzfrech vor der UN-Vollversammlung, "die USA und das ihnen untergeordnete Kollektiv" setzten auf "quasi koloniale Methoden der Unterwerfung". Vor zwei oder drei Jahrzehnten hätte man darüber diskutieren können. Aber jetzt sprechen die Fakten eine andere Sprache. Es ist Russland, das die Ukraine als Kolonie betrachtet.

Immer wieder verquere Resolutionen gegen Israel

Übel ist, dass Vertreter nicht weniger Staaten die Un- und Halbwahrheiten der Russen dulden, tolerieren oder sogar unterstützen - China und andere Länder sichern sich damit, dass der Kreml sie in Ruhe lässt, wenn sie selbst vor der UNO am Pranger stehen. Schließlich würde sich die Volksrepublik gerne Taiwan einverleiben. Die Zahl der UN-Länder, die sich bei der Abstimmung zur Invasion Russlands in der Ukraine enthalten haben, war erschreckend hoch. Da ist es ein eher schwacher Trost, dass die Mehrheit den Angriffskrieg verurteilt hat.

Seit Jahren und neuerdings erst recht ist es Israel, das den Missbrauch der Vereinten Nationen zu spüren bekommt. Schon vor dem Massaker islamistischer Barbaren am 7. Oktober war kein UN-Mitglied so häufig Ziel teils haarsträubend verquerer Resolutionen wie der jüdische Staat. Gegen ihn richteten sich im vergangenen Jahr 15 Aufrufe diverser UN-Länder. Das waren mehr als gegen alle anderen Länder zusammen. Gegen Russland, das im Februar 2022 die Ukraine überfallen hat, waren sechs Erklärungen eingebracht worden. China, Iran, Katar und Saudi-Arabien wurden gar nicht behelligt.

Nachdem die UN-Vollversammlung mehrheitlich für eine Resolution zu einer Waffenruhe im Gazastreifen stimmte, in der weder das Existenzrecht Israels bekräftigt noch das Massaker der Hamas verurteilt, die Terrorgruppe nicht mal genannt worden war, hatte Tschechiens Verteidigungsministerin Jana Cernochova den Mut, ihre Wut darüber öffentlich zu machen. Ihr Land gehörte neben Israel selbst und den USA zu den 14 Staaten, die gegen diese Resolution stimmten. 120 Länder waren dafür, 45 enthielten sich - darunter die Bundesrepublik Deutschland, die sonst bei jeder Gelegenheit betont, aus ihrer Verantwortung für den Holocaust heraus fest an der Seite des jüdischen Staates zu stehen.

"Ich schäme mich für die UNO"

Wenn nicht einmal ein Gemetzel an mehr als 1400 Menschen, darunter viele Kinder jeden Alters, Vergewaltigungen, Geiselentführungen die Welt einigen, was dann überhaupt noch? Cernochova erklärte öffentlich: "Nur 14 Länder einschließlich unserem haben sich klar und unmissverständlich gegen diesen beispiellosen terroristischen Angriff gestellt! Ich schäme mich für die UNO. Nach meiner Meinung hat die Tschechische Republik in einer Organisation von Terroristen-Fans, die das Grundrecht auf Selbstverteidigung nicht respektiert, nichts verloren. Treten wir aus."

Der letzte Satz hat es in sich. Möge es nicht so kommen, denn dann würde die UNO endgültig zu einem Club von dubiosen Machthabern, die auf Willkür, Terror, Krieg, Desinformation und Menschenrechtsverletzungen zur Sicherung ihrer Herrschaft setzen - lauter Staaten, die geeint sind in der Verachtung der USA und (anderer) westlicher Demokratien, mitunter auch durch Hass auf Juden. Zur Wahrheit gehört aber ebenso, dass die fünf Vetomächte Frankreich, Großbritannien, USA, China und Russland die Organisation beherrschen und selbst immer wieder Verursacher oder Unterstützer des einen oder anderen Kriegs waren und sind. Durchsetzungs- und Sanktionsmöglichkeiten fehlen - und nun ist es zu spät, sie einzuführen. Interessieren würde das alles ohnehin keinen Diktator.

Die vier größten UN-Beitragszahler sind dem Bundesaußenministerium zufolge die USA (22 Prozent), China (15,25 Prozent), Japan (8,03 Prozent) und Deutschland (6,11 Prozent), die demnach gemeinsam etwas mehr als die Hälfte des gesamten Budgets aufbringen. Russland zahlt dagegen eine marginale Summe. Gewinnt ein Republikaner die US-Wahl 2024 - ist es Donald Trump, dann ohnehin - drehen die Amerikaner mit hoher Wahrscheinlichkeit der UNO den Geldhahn zu. Fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs existiert dann kein globales Gremium mehr, dass die Erde vor der Hölle bewahren kann. Im Gegenteil wird sie dann dem Orkus ein gutes Stück näher sein.

Quelle: ntv.de

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