Sport

"Ally Pally" in der Wüste? Bahrain nutzt Darts-Hype für Sportswashing

Eine Art "Las Vegas der arabischen Welt", sagt Nahost-Experte Sebastian Sons über Bahrain.

Eine Art "Las Vegas der arabischen Welt", sagt Nahost-Experte Sebastian Sons über Bahrain.

(Foto: picture alliance / Hasan Bratic)

Neun Tage nach dem Finale der Darts-WM geht es für die Pfeile-Profis schon weiter. Heute und morgen macht die Profidart-Organisation in der Wüste Station. Erstmals trägt die PDC das Bahrain Darts Masters aus. Nahost-Experte Sebastian Sons sieht darin einen "smarten Move" des winzigen Königreichs.

Gleich fünf Weltmeister hat die Profidart-Organisation PDC auf die Reise nach Bahrain geschickt. Der frisch gekürte Champion Michael Smith, dazu Peter Wright, Rob Cross, Gerwyn Price und die niederländische Darts-Legende Raymond van Barneveld. Nur Michael van Gerwen ist im Urlaub, kann oder will an der großen Klassenfahrt der Darts-Elite nicht teilnehmen. Dennoch zeigt das prominente Aufgebot, wie wichtig das Bahrain Darts Masters für die PDC ist.

In dem kleinsten aller Wüstenstaaten findet von heute bis morgen Abend ein Turnier der sogenanntes World Series statt. Die PDC versucht damit, den Dartsport auch außerhalb Europas bekannter zu machen. Alljährlich geht es für die Topspieler im Sommer nach Australien und Neuseeland, dazu seit einigen Jahren auch in den altehrwürdigen Madison Square Garden nach New York. Auch Tokio, Singapur oder Dubai standen in der Vergangenheit bereits auf dem Turnierplan. Nun folgt Bahrain.

Geschichtsträchtige Momente, wie im legendären Londoner Alexandra Palace bei der Weltmeisterschaft, sind in Bahrain so gut wie ausgeschlossen. Dafür ist das Turnier zu unwichtig und wird zu wenig Resonanz erfahren. Aus sportlicher Perspektive ist das verständlich. Es geht schlicht und einfach um kaum etwas, außer mehr oder wenig Preisgeld für die insgesamt acht Topspieler, die die PDC in die Wüste schickt.

"Anhängsel Saudi-Arabiens"

Sportpolitisch erwartet die Darts-Fans dagegen bereits zu Jahresbeginn die spannendste Veranstaltung im Turnierkalender. "Wir sind froh, endlich hier zu sein. Wir freuen uns darauf, die Menschen in Bahrain zu unterhalten", sagte Matt Porter, CEO der PDC, im Vorfeld des Turniers. Man habe fast zehn Jahre auf diese Veranstaltung hingearbeitet. Der Kontakt zum winzigen Königreich sei bereits 2013 entstanden, als erstmals das Dubai Darts Masters ausgetragen wurde.

"Das Turnier ist für Bahrain eine Möglichkeit, um sich ein bisschen stärker auf der internationalen Weltkarte zu positionieren", sagt der Islamwissenschaftler und Nahost-Experte Sebastian Sons im Interview mit ntv.de. Die Bedeutung des Darts-Turniers sei natürlich "nicht ansatzweise so hoch" einzuschätzen wie die Fußball-WM in Katar oder die Bewerbung Saudi-Arabiens um sportliche Großereignisse. "Aber ich kann mir vorstellen, dass das vielleicht ein langfristiges Modell für Bahrain wird, sich auf Nischensportarten zu konzentrieren", ergänzt Sons.

Acht Spitzenspieler haben eine Einladung zum Bahrain Darts Masters bekommen.

Acht Spitzenspieler haben eine Einladung zum Bahrain Darts Masters bekommen.

(Foto: PDC)

Bislang ist Bahrain außerhalb der islamischen Welt kaum bekannt. Anders als die erzkonservative Regionalmacht Saudi-Arabien, anders als der umstrittene Fußball-WM-Gastgeber und neue deutsche Gas-Partner Katar, anders als die Vereinigten Arabischen Emiraten mit ihren pulsierenden Schmelztiegeln Abu Dhabi und Dubai. "Bahrain hat sich geostrategisch bisher nicht großartig hervorgetan. In der Vergangenheit wurde das Königreich als Anhängsel Saudi-Arabiens bezeichnet", erklärt Experte Sons, der für die Nahost-Denkfabrik Carpo in Bonn arbeitet. "Das liegt vor allem daran, dass man als kleiner Inselstaat direkt vor der saudischen Küste liegt. Das liegt aber auch daran, dass die Herrscherfamilie Bahrains enge Beziehungen zur Herrscherfamilie Saudi-Arabiens pflegt."

Die beiden Königreiche sind enge Verbündete, Bahrain ist aber schlichtweg zu winzig, um "eine unabhängige Außenpolitik führen zu können", analysiert Sons. Deshalb bewege sich das Land "im Windschatten von Saudi-Arabien, aber auch der Vereinigten Arabischen Emirate".

"Amüsieren, bevor es ins konservative Leben zurückgeht"

Politisch ist Bahrain liberaler aufgestellt als der große saudische Bruder, gegen politisch Andersdenkende geht das Land aber dennoch sehr repressiv vor. Das zeigte sich vor allem 2011 während des Arabischen Frühlings. "Damals war die Bedrohung für die Herrscherfamilie so groß, dass man mit Gewalt gegen die Protestanten vorgegangen ist und die Zügel angezogen hat", blickt Sons zurück.

Homosexualität ist in Bahrain verpönt, die Meinungsfreiheit stark eingeschränkt. Im Gegensatz zu Saudi-Arabien ist aber beispielsweise Alkohol erlaubt. "Manche saudische Männer kommen an den Wochenenden auf die Insel, um mal ein bisschen die Sau herauszulassen im liberaleren Bahrain. Dort haben sie dann auch die Möglichkeit gibt, sich, ich sage mal, anderweitig zu amüsieren, bevor man ins konservative Leben zurückkehrt." Bahrain habe mittlerweile den Ruf, eine Art "saudisches Las Vegas" zu sein, berichtet der Nahost-Experte.

Da passt der Präzisions- und Unterhaltungssport Darts perfekt hin. Zumindest in der Theorie. Die Ticket-Verkaufszahlen können jedenfalls noch nicht im Ansatz mit Turnieren in England, Deutschland oder den Niederlanden mithalten - es gibt unmittelbar vor Turnierstart noch in allen Kategorien Eintrittskarten zu kaufen. "Kauft einfach ein Ticket und guckt euch die Spiele an. Ich verspreche, ihr werdet sehen, was Darts so besonders macht und warum ich mich als kleiner Junge in diesen Sport verliebt habe", wirbt Weltmeister Michael Smith am Vorabend des Turniers auf einer von mehreren Promo-Veranstaltungen um die Gunst der Bahrainer.

Turnier findet an Formel-1-Strecke statt

Es ist wahrlich nicht das erste internationale Sportevent in dem 1,5-Millionen-Einwohner-Staat. Den meisten Menschen in Europa dürfte Bahrain vor allem wegen seines jährlichen Formel-1-Rennens bekannt sein. Seit fast 20 Jahren wird auf dem Bahrain International Circuit, 27 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Manama, gefahren.

Genau dort findet nun auch das Darts-Turnier statt. Direkt an der Rennstrecke hat die PDC ihre Bühne aufgebaut. Bierbänke, Alkohol, laute Musik. Ein bisschen "Ally-Pally"-Feeling soll aufkommen, wenn die Elite des Pfeile-Sports ans Board tritt.

Auch wenn die Veranstaltung am Ende nicht restlos ausverkauft sein wird, dürfte die Profidart-Organisation mit dem Turnier viel Geld verdienen. Bahrain wird sich das Stelldichein der besten Dartspieler der Welt einiges kosten lassen. Im Gegenzug bekommt das kleine Königreich Aufmerksamkeit und schöne Bilder. Die Akteure kommen aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. First-Class-Flüge, leckeres Essen, traumhaft schöner Hotelpool. All das findet sich in den Social-Media-Accounts der Spitzenspieler.

Mehr zum Thema

Will Bahrain mit diesem Turnier sein Ansehen in der Welt verbessern, so wie es beispielsweise Katar mit seinen Investitionen in den Fußball macht? Im deutlich geringeren Ausmaß treffe das zu, auch Bahrain betreibe Sportswashing, sagt Experte Sons. Das kleine Land, kaum größer als Hamburg, sei dabei, eine Nische zu finden. "Das ist ein smarter Move der bahrainischen Regierung, sich im Sportgeschäft auch neben der Formel 1 zu positionieren. Darts dürfte auch deshalb attraktiv sein, weil die anderen Golfstaaten in solche Nischensportarten bislang noch gar nicht oder kaum investiert haben."

Fans rät Sons, sich kritisch, aber ohne erhobenen Zeigefinger mit dem Austragungsland auseinanderzusetzen. "Dass dieses Turnier nicht ansatzweise so kontrovers diskutiert wird wie die Fußball-WM, versteht sich von selbst. Aber ich glaube, jeder kritische Fan, der eine gewisse kritische Distanz zu seinem Lieblingssport hat, sollte sich zumindest vor Augen führen, welche autokratischen Systeme solche Turniere durchführen. Eine Problematisierung ist hilfreich, ohne aber den Fans ihren Spaß verderben zu wollen."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen