Star-Quarterback spielt schlecht Burrows Verletzung stürzt Bengals in große NFL-Krise
07.10.2023, 10:42 Uhr
Burrow spielt, aber derzeit nicht gut.
(Foto: IMAGO/Icon Sportswire)
Die Cincinnati Bengals sind endlich wer in der NFL. Sie spielen im Super Bowl des Jahres 2022, in diesem Februar verpassen sie das Finale nur knapp. Nun zählen sie erneut zu den Favoriten. Doch dann verletzt sich Quarterback Joe Burrow. Ist die Saison noch zu retten?
Es muss schon einiges passieren, damit Joe Burrow mal genervt ist. Und es muss noch mehr passieren, damit er gereizt reagiert. In dieser Woche kam beides zusammen. Burrow, dieser immer so cool, gefasst und lässig daherkommende Quarterback der Cincinnati Bengals war sauer. Mehr noch. Der Anführer der Bengalischen Tiger fauchte.
Ob das Spiel am Sonntag bei den Arizona Cardinals unbedingt gewonnen werden müsse, wurde er auf einer Pressekonferenz gefragt. Der Journalist hatte seinen Satz noch gar nicht beendet, da kam ihm schon ein scharfes "Ja" von Burrow entgegen - gefolgt von einem bösen Blick. Ähnlich spaßbefreit reagierte Zac Taylor. Ob Burrow gegen Arizona der Starting Quarterback sei? "Ja", meinte der Trainer, lachte und ergänzte: "Das ist eine merkwürdige Frage."
Aber eine durchaus berechtigte. Denn der 26-jährige Spielmacher quält sich immer noch mit einer komplizierten Verletzung in der rechten Wade herum. Die hatte er sich Ende Juli, am zweiten Tag des Trainingscamps, zugezogen - und nach zwischenzeitlicher Besserung am zweiten Spieltag einen Rückschlag erlitten.
"Statue" Burrow
Alles bei ihm sieht unrund aus. Burrow kann sein rechtes Standbein beim Wurf nicht, oder nur leicht belasten - und deshalb keine tiefen Pässe werfen. Ihm fehlt zudem nahezu jegliche Mobilität. "The Athletic" bezeichnete ihn als "Statue". Dabei ist es eigentlich seine Spezialität, sich den gegnerischen Angreifern geschickt zu entziehen, sie ins Leere laufen zu lassen, ihren nach ihm greifenden Händen selbst auf engstem Raum auszuweichen - und den Spielzug somit fortzuführen.
Doch diesen agilen Joe Burrow gibt es derzeit nicht. Nein, da steht ein Profi im Bengals-Trikot mit der Rückennummer 9 und seinem Namen auf dem Platz, der ein leichtes Ziel für die Pass Rusher ist. So wehrlos ausgeliefert wie eine lahmende Antilope dem auf sie einstürmenden Löwenrudel. Und weil er auf nur einem Bein spielen kann, humpelt nicht nur die Bengals-Offensive, sondern das gesamte Team.
1:3 lautet die Bilanz nach vier Spielen. Die "USA Today" bezeichnete die Bengals als "eines der enttäuschendsten und langweiligsten Teams", deren Pass-Spiel "nicht vorhanden" sei. Die Formel ist einfach und offensichtlich: kein gesunder Burrow, keine erfolgreichen Bengals. Vor allem seinetwegen schreibt der jahrzehntelang gänzlich unbedeutende Verein seit 2021 eine fantastische Erfolgsgeschichte.
Rekordvertrag im September
Die Bengals standen 2022 im Super Bowl, unterlagen Gastgeber Los Angeles Rams knapp 20:23. In diesem Februar waren sie im AFC Championship Game - und lieferten dem späteren Meister, Kansas City Chiefs, einen großartigen Kampf, der 20:23 verloren ging.
Viele sehen die Bengalischen Tiger aus dem Bundesstaat Ohio nicht nur als Team der Gegenwart, sondern auch als eines der Zukunft. Denn sie haben eben diesen Joseph Lee Burrow. Er ist wie das Kellergeschoss eines Gebäudes: die stabile Basis für all das, was oben draufkommt. Ohne ihn geht es einfach nicht. Das Beste: Dieser Joe Burrow ist gerade mal 26 Jahre alt - und er hat sich am 7. September vorzeitig bis 2029 an die Bengals gebunden.
An jenem Donnerstag startete nicht nur die NFL in ihre neue Saison, sondern unterschrieb Burrow auch einen Fünf-Jahres-Vertrag. Gesamtvolumen: 275 Millionen Dollar. Mit einem Jahresgehalt von 55 Millionen Dollar ist er seitdem der bestbezahlte Quarterback der NFL-Geschichte.
Schlechter Start keine Parallele zum Vorjahr
Vor zwölf Monaten waren die Bengals auch schlecht gestartet, hatten 20:23 nach Verlängerung gegen Pittsburgh verloren und 17:20 in Dallas. Burrow blieb trotz der 0:2-Bilanz damals beeindruckend unbeeindruckt und empfahl allen, doch einfach mal "tief Luft zu holen". Cincinnati beendete die Vorrunde mit einer Bilanz von 12:4 (das Spiel gegen Buffalo wurde wegen der schweren Verletzung von Bills-Profi Damar Hamlin nicht gewertet, Anm. d. Red.) - und hätte es fast erneut in den Super Bowl geschafft.
Klingt alles gut, könnte Mut machen, tut es aber nicht. Denn diese Saison ist anders. Komplizierter. Ernster. Die rechte Wade von Burrow tut allen weh. So haben die Bengals nur drei Touchdowns erzielt. Drei! Ein Team, das mit Ja'Marr Chase einen der besten Wide Receiver der Liga hat - und mit Tee Higgins einen weiteren starken Pass-Empfänger. Aber die Pässe von Burrow kommen eben derzeit nicht zu ihnen - oder zumindest nicht so zuverlässig und präzise wie in der Vergangenheit.
Laut "The Athletic" ist Burrow der erste Spieler der NFL-Geschichte, der in den ersten vier Spielen der Saison mindestens 150 Pass-Versuche aufweist, aber dabei im Schnitt weniger als fünf Yards Raumgewinn erzielt. Da ist es dann kaum verwunderlich, dass die Bengals im Schnitt pro Offensiv-Spielzug nur auf 0,95 Punkte kommen - was dem geringsten Wert der gesamten Liga seit 2020 entspricht.
Zweitschlechtester Angriff der Liga
Weitere Zahlen gefällig? Vier Spiele, 49 Punkte. 12,25 Zähler pro Partie. Gegen Cleveland (3:24) und Tennessee (3:27) gelang den Bengals jeweils nur ein Field Goal. In der American Football Conference hat kein Team weniger Punkte als Cincy - in der gesamten Liga ist nur die Offensive der New York Giants noch harmloser.
Die Bengals hatten in den bisherigen Spielen nur vier Spielzüge mit mindestens 20 Yards Raumgewinn. In der vergangenen Saison waren es in 16 Partien 53 gewesen. Burrow warf bislang nur bei zwei seiner 22 Pässe den Football weiter als 15 Yards. Das entspricht 9 Prozent und ist ein drastischer Abfall zu seinen 50 Prozent (48 von 96) der Vorsaison.
Zac Taylor betont, er sei davon überzeugt, dass Burrow trotz seiner Limitierung die Mannschaft führen könne - und der unerfahrene Ersatzmann Jake Browning keine Alternative sei. "Wir müssen uns nur mehr anstrengen, früh im Spiel in Schwung zu kommen", so der Trainer. Es sind zwar erst vier Partien gespielt, aber die Bengals humpeln nicht nur, sondern hecheln auch bereits. Ihr Zwischenziel: die siebte Saisonwoche, da hat Cincinnati spielfrei.
"Wir müssen gewinnen. Ganz egal, wie"
Viel weiter will Taylor nicht in die Zukunft schauen. "Wir müssen das kontrollieren, was wir kontrollieren können", sagt er. Soll heißen: aus den vergangenen vier Spielen lernen, sich jetzt auf Arizona konzentrieren und hoffen, dass Burrow Tag für Tag Fortschritte macht.
Er habe sich "so gut wie noch nie" seit seiner Verletzung gefühlt, betonte der Playmaker am Mittwoch. Nun muss dazu gesagt werden, dass Profis oder Vereine nie die absolute Wahrheit sagen, wenn es um den Krankenstand geht. Doch bei den Bengals lechzen sie regelrecht nach positiven Nachrichten, wenn es um ihren Spielmacher geht. Und deshalb wird jede zuversichtliche Aussage vom oder zum Quarterback so freudig aufgenommen wie ein Geburtstags-Geschenk.
Cincinnati war vor der Saison ambitioniert, galt als Favorit in der AFC North. Dann kam Burrows Verletzung. Und nun scheint bereits die Saison in Gefahr zu sein. Eine Niederlage bei den ebenfalls mit 1:3 gestarteten, aber generell viel schwächer eingeschätzten Cardinals - und das Loch, in dem sich die Bengals wiederfinden würden, könnte womöglich schon zu tief sein, um doch noch im Laufe der Saison dort wieder herauszukommen.
Von allen Mannschaften, die seit 1970 nach fünf Spielen eine Bilanz von 1:4 hatten, haben nur 6,1 Prozent noch die Playoffs erreicht. Burrow weiß, dass niemand im Oktober die Meisterschaft gewinnen, aber sie durchaus bereits verspielen kann. Deshalb gibt es für ihn am Sonntag nur ein Ziel. "Wir müssen gewinnen. Ganz egal, wie."
Quelle: ntv.de