Van Gerwen gegen Smith Darts-WM hat auch ohne Gabriel Clemens ein Traumfinale
03.01.2023, 11:13 Uhr
Van Gerwen gegen Smith: Die Darts-WM hat ihr logisches Endspiel.
(Foto: IMAGO/Action Plus/IMAGO/Pro Sports Images)
Ein Michael wird Darts-Weltmeister 2023, das steht schon nach dem Halbfinal-Abend im "Ally Pally" fest. Michael van Gerwen will Titel Nummer vier, Michael Smith die erste Trophäe. Es ist das logische Endspiel nach 16 Tagen WM.
Wer sich im Eldorado des Dartsports, dem Alexandra Palace, aufhält, erlebt normalerweise Party pur. Laute Fangesänge, kostümierte Fans, Bier überall. Und nebenbei werfen die besten Dartspieler Pfeile auf eine Scheibe. Das ist die vereinfachte Version. Welchen Zauber der Dartsport aber auch ausüben kann, zeigt sich im ersten Halbfinale der Weltmeisterschaft 2023. An diesem Dienstagabend spielt der favorisierte Engländer Michael Smith, zweifacher Vize-Weltmeister, gegen die deutsche Darts-Sensation aus dem Saarland, Gabriel Clemens, den "German Giant".
Und in der Anfangsphase spielen sich die beiden Riesen in den Flow. Das ist der Zustand, in dem sich die Pfeile innerhalb weniger Sekunden derart häufig in die Triplefelder drücken, dass es anmutet, als hätten die Spieler auf Roboter-Modus geschaltet. Gabriel "Gaga" Clemens trifft sechsmal hintereinander die Triple 20, Michael Smith viermal. Caller George Noble kommt aus dem "One Hundred and Eighty" gar nicht mehr raus. Klack, klack, klack. Triple 20. Triple 20. Triple 20. Was für eine Präzision. Was für ein Spiel.
Es ist schlichtweg eine Sensation, dass der "German Giant", Gabriel Clemens, Teil dieser atemberaubenden Partie ist. Noch vor einer Woche träumten die Darts-Fans in Deutschland davon, überhaupt mal einen Spieler unter die letzten Acht der Weltmeisterschaft zu bringen. Clemens hat es jetzt sogar unter die besten Vier geschafft, beim wichtigsten Turnier des Jahres.
Darts statt Bier und Hotdogs
Und in der Phase, in der sich der Engländer und der Saarländer in einen Rausch spielen, können die Clemens-Fans sogar auf die nächste Sensation hoffen. Beide Akteure spielen bei eigenem Anwurf so gut, dass zunächst jeder Satz über die volle Distanz geht. Nach vier Durchgängen steht es 2:2. Das Spiel ist so gut, dass die Fans leise sind. Weil sie gebannt die Partie verfolgen, anstatt sich mit Gesängen, Bier oder Hotdogs abzulenken.
Das geht auch noch zwei Sätze so weiter. Erst Satz sechs nimmt ein ganz wenig Spannung aus dem Spiel. Clemens wartet, um zum 3:3 auszugleichen, als Smith 83 Punkte mit einem präzisen Wurf auf das kleinste Feld des Dartboards auswirft. Bullseye. 4:2-Führung Smith statt 3:3. Es fühlt sich in diesem Moment wie eine Vorentscheidung an. Und es ist auch eine.
Clemens spielt auch in den nächsten Sätzen weiter auf hohem Niveau, doch Smith ist einfach immer einen Tick besser. Das ist der Unterschied zwischen dem Weltranglisten-Vierten und der 25. Wenn beide ihre Topleistung bringen, sieht es am Ende immer schlecht aus für den Außenseiter. Solch ein Abend ist es vor 3100 Zuschauern, darunter 750 Deutschen, im "Ally Pally".
Am Ende wird Clemens unter Wert geschlagen, das 2:6 aus seiner Sicht ist etwas zu deutlich, der Sieg für den entfesselnd spielenden "Bully Boy" aber nur logisch. "Natürlich bin ich enttäuscht, aber ich habe heute einfach gegen den besseren Spieler verloren. So viele Chancen hatte ich ja gar nicht verpasst", zog Clemens Bilanz.
Der 39-Jährige selbst, sah den Bullseye-Treffer von Smith zum 2:4 ebenfalls als eine Art Vorentscheidung an, lobte aber auch die generelle Spielstärke des Engländers. "Das Finish zum 2:4 war natürlich ein guter Moment für ihn. Er hat einfach brutal stark gescored. Hut ab. Ich hoffe, er wird jetzt Weltmeister, das hat er einfach mal verdient."
"Atemberaubendes Finale"
Im Finale trifft Smith nun auf Topfavorit Michael van Gerwen. Es ist das Traumfinale. Der beste und mit riesigem Abstand erfolgreichste Spieler der vergangenen zehn Jahre (Michael van Gerwen) gegen den zweifachen Vize-Weltmeister und zweiterfolgreichsten Spieler des vergangenen Jahres (Michael Smith). "Wenn ein Spieler van Gerwen gefährlich werden kann, dann ist es Smith. Und er ist der Letzte, der übrig ist", sagte der ehemalige WM-Halbfinalist und jetzige TV-Experte Wayne Mardle bei Sky Sports.
Wenige Minuten zuvor hatte sich Superstar van Gerwen mit einer brutal starken Leistung in sein sechstes WM-Finale innerhalb von elf Jahren gespielt. Gegen den Belgier Dimitri Van den Bergh demonstrierte der Niederländer seine aktuelle Vormachtstellung. Mit 6:0 ging die Partie an "MvG", der nicht nur Van den Bergh, sondern auch die Fans enttäuscht nach Hause schickte, hatten die sich doch einen deutlich längeren Darts-Abend erhofft.
Einzig im ersten und im vierten Satz kam Van den Bergh einem Satzgewinn nahe. Alle anderen Durchgänge gewann van Gerwen glatt mit 3:0. "Unbesiegbar ist ein großes Wort, aber solche Spiele so deutlich zu gewinnen, gibt mir natürlich viel Selbstvertrauen", sagte der Weltranglisten-Dritte nach seinem Kantersieg. Für seinen Gegner hatte van Gerwen auch noch ein paar Worte übrig. Der Belgier hatte sich in der Mitte des Spiels moniert, dass van Gerwen hinter seinem Rücken mit den Füßen gestampft habe. Etwas, das der Weltmeister von 2014, 2017 und 2019 vehement von sich wies. "Ich habe keine Ahnung, worüber er sich da aufgeregt hat. Nun ja, wenn ich so gespielt hätte, wie er, dann hätte ich mich auch aufgeregt."
Das Finale könne ein "spezielles Spiel" werden, so van Gerwen. Es ist die Neuauflage des Endspiels von 2019. Seitdem ist "MvG" beim wichtigsten Turnier titellos. Zeit genug, die Durststrecke zu beenden. "Michael und ich kennen uns sehr gut, wir hatten tolle Spiele gegeneinander. Es wird ein atemberaubendes Finale", ist van Gerwen überzeugt. Auch, wenn Gabriel Clemens nicht mehr dabei ist.
Quelle: ntv.de