Zuletzt tat es "unglaublich weh" "Rechnung begleichen" und dann auf Richtung Halbfinale
16.01.2024, 15:55 Uhr
Julian Köster und Johannes Golla stehen vor einer "krassen Herausforderung".
(Foto: picture alliance / Maximilian Koch)
Die deutsche Handball-Nationalmannschaft steht vor einem großen Spiel, das auf dem Weg zur ersehnten Medaille enorm wichtig ist. Der Gegner könnte größer kaum sein, die Chance auf einen großen Sieg aber auch nicht.
"Keine Angst" hat die deutsche Handball-Nationalmannschaft vor der großen Aufgabe Frankreich, sagt Rückraumspieler Sebastian Heymann vor dem abschließenden Gruppenspiel am Abend bei der Heim-EM gegen den Rekord-Weltmeister und amtierenden Olympiasieger (20.30 Uhr/ ZDF, Dyn und im Liveticker auf ntv.de). Es gibt auch keinen Grund: Während das DHB-Team bislang begeisternd und berauschend durch das Turnier fliegt und mit zwei klaren Siegen rechnerisch und emotional das Maximum rausgeholt hat, sind die Franzosen überraschend schon gestolpert: Das 26:26 gegen Außenseiter Schweiz hat beim Mitfavoriten auf Gold für "Alarm" gesorgt, wie Kreisläufer Ludovic Fabregas den heimischen Medien erklärte. Die Zeichen stehen für die deutsche Mannschaft gut, endlich mal wieder einen großen Sieg zu holen. Er wäre mit Blick auf die eigenen Ziele und Träume enorm wichtig.
Die beiden Siege gegen die Schweiz (27:14) und Nordmazedonien (34:25) sind unter normalen Umständen Streichresultate, auf dem weiteren Weg durchs Turnier sind die Ergebnisse gegen ausgeschiedene Teams ab dem ersten Hauptrundenspieltag rechnerisch wertlos. "Wir haben bisher nicht viel erreicht, lediglich unsere Hausaufgaben erledigt. Jetzt kommen die Topteams. Das wird heftig und eine krasse Herausforderung. Es wird sich zeigen, wie reif und erwachsen wir sind", sagte Spielmacher Juri Knorr. Und DHB-Sportvorstand Alfred Gislason sekundiert seinem Regisseur und bestem Torschützen: "Jetzt geht im Prinzip für uns die EM erst richtig los."
"Franzosen sind größter Titelfavorit"
Mit einem Sieg über Frankreich nähme die deutsche Mannschaft zwei wichtige Punkte mit in die Hauptrunde und könnte sich damit auf dem Weg ins Halbfinale wohl sogar noch eine Niederlage erlauben. In den Gruppen B und C, die gemeinsam vier Teams in die deutsche Hauptrundengruppe C nach Köln schicken, hat sich bislang nur Außenseiter Ungarn qualifiziert, dazu kämpfen der überraschend schwach ins Turnier gestartete Mitfavorit Spanien sowie Kroatien, Österreich und Serbien und Island ums Weiterkommen. Teams, mit denen die deutsche Mannschaft, die auf dem Papier nicht zu den großen Favoriten bei diesem Turnier gehören, mindestens auf Augenhöhe agiert. Mit einem Sieg wäre der Weg in Richtung Halbfinale noch nicht geebnet, aber deutlich gangbarer gemacht worden.
Jetzt ist die Mannschaft von Alfred Gislason aber erstmal in der Außenseiterrolle, Heimvorteil hin, Alarm beim Gegner her: "Die Franzosen sind neben den Dänen der größte Titelfavorit. Sie sind sehr gut in der Abwehr und im Angriff, laufen die zweite Welle besser als jede andere Mannschaft, haben ein unglaubliches Feuer aus dem Rückraum und sind auch körperlich den meisten Teams überlegen", zählte Gislason die Qualitäten des hochkarätigen Gegners auf.
Die Begegnung bedeutet ein schnelles Wiedersehen, die letzte endete aus deutscher Sicht extrem bitter: Mit einem 28:35 verlor das DHB-Team im vergangenen Januar das WM-Viertelfinale gegen Frankreich. 40 Minuten hatte die unerfahrene deutsche Mannschaft dem Favoriten ein Spiel auf Augenhöhe geliefert, zeitweise mit vier Toren geführt - um dann doch noch unterzugehen. "Das tut jetzt erstmal brutal weh", sagte Linksaußen Rune Dahmke damals nach der Niederlage im polnischen Gdansk. "Immer nur fast da zu sein, reicht nicht."
"Wollen die Rechnung begleichen"
Torwart Andreas Wolff hatte noch in Polen den Blick nach vorne gerichtet: "Es ist wichtig, diese Erlebnisse zu haben. Wir haben bei diesem Turnier unheimlich viel dazu gelernt", sagte der Europameister von 2016. "Es fehlt aber noch die Erfahrung auf absolutem Topniveau. Das hat heute den Ausschlag gegeben. Wenn wir noch ein bisschen zusammenwachsen und noch ein bisschen mehr Erfahrung gegen Gegner auf solchem Niveau sammeln", so Wolff, "wird uns das Glück bald auch 60 Minuten hold sein." Heute sagt der 32-Jährige: "Das letzte Duell war wirklich bitter. Jetzt wollen wir die Rechnung begleichen. Es wäre schön, wenn wir uns revanchieren und mit einem optimalen Ergebnis in die Hauptrunde gehen könnten."
Nun gibt es früh im Turnier den großen Prüfstein - und die Chance, endlich mal wieder ein großes Spiel gegen einen großen Gegner zu gewinnen. Zu Hause können sie es ja, bei der Heim-WM 2019 rang die deutsche Mannschaft in einem dramatischen Hauptrundenspiel die favorisierten Kroaten nieder, 22:21 hieß es am Ende, der Sieg bedeutete den Einzug ins Halbfinale. So weit ist man heute noch lange nicht. Auch wenn Weltmeister-Trainer Heiner Brand sicher ist: "Das Spiel wird entscheidend für den weiteren EM-Verlauf. Mit einem Sieg würde man nicht nur von den Punkten her die Weichen in Richtung Halbfinale stellen, auch vom Kopf", sagte Weltmeister-Trainer Heiner Brand dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
"Warum sollten wir verlieren?"
Der langjährige DHB-Vizepräsident Bob Hanning schaute schon vor Turnierstart optimistisch auf dieses Gruppenfinale: "Ich sehe gar keinen Grund, warum die Franzosen der Favorit in unserer Gruppe sein sollen. Bei unserer EM, in unserem Land, bei uns zu Hause - warum sollen die der Favorit sein?", fragte Hanning im Gespräch mit ntv.de "Wir haben tolle Handballer, Johannes Golla, Andreas Wolff, Juri Knorr, all die anderen, ein gutes Tempospiel, dazu die Euphorie. Warum sollen wir irgendein Spiel verlieren?"
Die Vorzeichen sind günstig: Der Heimvorteil in den Hallen und im Land wird allenthalben beschworen, Spielmacher Juri Knorr, der Schlüsselspieler der deutschen Mannschaft, habe eine Weiterentwicklung gegenüber dem Vorjahr vollzogen, lobte Gislason. "Ein sehr guter Spieler" sei der 23-Jährige geworden. "Er ist beweglicher und arbeitet jetzt besser für die anderen Rückraumspieler. Während Frankreich gegen die Schweiz ans Limit gehen musste und dann doch mit einem Frusterlebnis dastand, konnte Bundestrainer Gislason in beiden deutschen Spielen früh und reichlich wechseln. Die Energie, die seiner Mannschaft gegen die in der Breite beinahe unheimlich gut besetzten Franzosen in Polen noch ausgegangen war, wird am Abend nicht über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Quelle: ntv.de, ter