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Späth überwindet tiefes Tal "Gigantischer Handball-Torwart" erobert EM-Rampenlicht

David Späth lebt seine Emotionen auf der Platte aus.

David Späth lebt seine Emotionen auf der Platte aus.

(Foto: picture alliance / Maximilian Koch)

Er hüpft wie ein Flummi, schreit, feuert die Fans an. David Späth ist der Emotionsriese der deutschen Handballer. Der Torhüter ist mit nur 21 Jahren schon auf dem Weg an die Weltspitze, lobt auch Kollege Andreas Wolff. Vor der EM-Vorrundenpartie gegen Frankreich ist Späth nur aus einem Grund nervös.

David Späth ist nervös vor dem Spiel gegen Frankreich. Nicht, weil der junge Torhüter der deutschen Handball-Nationalmannschaft zum ersten Mal gegen Frankreich um den scheidenden Superstar Nikola Karabatic spielt. "Natürlich habe ich mega Bock, gegen solche Weltklassespieler spielt man nicht oft", erklärt er vor dem Topspiel zum Vorrundenabschluss bei der Heim-Europameisterschaft. "Sich mit ihnen messen zu können, auf der größten Bühne ist das Allergrößte, was man schaffen kann. Für mich mit meinen jungen Jahren ist das die größte Ehre und ich bin dankbar, dabei sein zu dürfen."

Nein, der Grund für Späths Nervosität ist abseits der Platte zu finden. Thierry Omeyer ist als Experte für das französische Fernsehen mit dabei, wenn um 20.30 Uhr (ARD, Dyn und im ntv.de-Liveticker) der Anwurf stattfinden wird. Der inzwischen 47-jährige Ex-Torhüter, der 2008 zum Welthandballer gekürt worden war, der alle Titel gleich mehrfach gewonnen hat. Zweimal Olympiasieger, fünfmal Weltmeister, dreimal Europameister, dazu kommen unzählige Titel mit seinen Klubs.

Von 2006 bis 2013 spielte er beim THW Kiel, allein mit den Norddeutschen wurde er sechsmal Deutscher Meister, sechsmal Pokalsieger, dreimal Champions-League-Sieger, viermal Supercup-Gewinner, dazu Super-Globe-Champion und EHF-Champions-Trophy-Sieger. Die mögliche Begegnung mit Omeyer also macht den 21-jährigen aufstrebenden Torhüter nervös. "Er ist mein Kindheitsidol, mein großes Vorbild, ich hatte mehrere Trikots von ihm", sagt er.

Noch nie habe er mit ihm gesprochen. "Vielleicht sehe ich ihn mal kurz und kann ein Wort mit ihm wechseln, wenn ich was rauskriege." Unter den Augen des einstigen Superstars wird Späth erst einmal auf der Bank Platz nehmen müssen, Torwart Nummer eins des DHB ist Andreas Wolff. Das ist völlig okay für Späth, er bildet mit dem 32-Jährigen, der zum Aufwärmen völlig entspannt alle Arten des Spagats durchgeht, ein harmonisches Duo.

Hier der Erfahrene, inzwischen ziemlich gelassen gewordene Wolff, dessen Stern beim EM-Titel 2016 aufging, da der aufbrausende, super-emotionale Späth, der jede Parade lautstark feiert und hüpft wie ein Flummi. Wenn Wolff wie in der Partie gegen Nordmazedonien kaum eine Hand an den Ball bekommt, ist Späth bereit. "Ich bin froh, dass ich dem Team mit meiner Leistung weiterhelfen konnte", sagt er abseits des Feldes zurückhaltend.

Knorr: "Mache mir manchmal Sorgen"

Die ruhige Art ist das eine, doch es sind die überschäumenden Reaktionen, die Schreie, das Anheizen der Fans, für die Späth inzwischen bekannt ist. "Ich mache mir manchmal Sorgen, dass er nicht irgendwann einmal umkippt", sagt Juri Knorr, Deutschlands Spielmacher, Vereinskollege und guter Freund von Späth. "Ich freue mich natürlich, wenn David einfach David ist und das ausstrahlt, was er ist: ein gigantischer Handball-Torwart."

Wer sich beim Handball aus freien Stücken ins Tor stellt, muss etwas verrückt sein. Nur wenige stellen sich freiwillig einem aus kurzer Distanz abgefeuerten Ball entgegen. Noch dazu einem, der knapp 500 Gramm schwer ist und mit bis zu 130 Kilometern pro Stunde geworfen wird. Schutzreflexe müssen speziell abtrainiert werden. Späth kompensiert das mit einer gehörigen Portion Extrovertiertheit. Bundestrainer Alfred Gíslason empfindet den 21-Jährigen als Bereicherung fürs Team: "Das ist sein Charakter, sein Stil. Er muss erst einmal die Bälle halten, um diese Emotionen zeigen zu können. So kann er natürlich für Stimmung sorgen und das macht ihn aus. Ich finde das sehr positiv", sagt der Isländer und verspricht: "Ich werde nie versuchen, das einzudämmen."

Etwas anderes als Lob hat der blonde 1,97-Meter-Mann in den vergangenen Monaten nicht zu hören bekommen. Torhüter-Kollege Silvio Heinevetter, der etwas überraschend von Gislason in den 35er-Kader berufen worden war, sagte vor der endgültigen Nominierung: "An Andi (Wolff, Anm. d. Red.) geht gar nichts vorbei. Und wenn du in die Zukunft guckst, musst du auch David Späth mitnehmen. Ich glaube, das wird ein Duo, auf das Alfred auch setzen wird." Er sollte recht behalten - und muss deshalb nun selbst beim Heim-Turnier zusehen.

Wolff: "Wird einer der besten Torhüter der Welt sein"

Späth hat sich im Eiltempo in die Elite des Handballs katapultiert. Erst im April 2023 machte er so richtig auf sich aufmerksam, als er bei den Rhein-Neckar Löwen entscheidend zum Gewinn des DHB-Pokals beitrug. Die Aufmerksamkeit steigerte sich während der U21-WM in Deutschland im vergangenen Sommer, auch die Verrücktheit des Torhüters trug die Jungs des DHB zum Titel. Jetzt ist er einer von vier Spielern, die es in den EM-Kader des A-Teams geschafft haben. Laut Teamkollege Wolff völlig zurecht: "Ich finde, er ist ein fantastischer Torhüter, ein Riesentalent. Ich denke, irgendwann wird er einer der besten Torhüter der Welt sein."

Seine Cousine Stefanie Giesinger ist mächtig stolz: "Seinen Erfolg zu sehen, den er sich mit eiserner Disziplin erkämpft hat, macht mich als Cousine unendlich glücklich. Nichts erfüllt mich mehr mit Stolz, als ihn im Tor spielen und gewinnen zu sehen. Da fließt auch schon mal die eine oder andere Träne", sagt das Model, das 2014 die Castingshow "Germany's Next Topmodel" gewann, dem "Mannheimer Morgen". "Seit ich denken kann, ist Handball seine Leidenschaft, seine Priorität und seine große Liebe", so Giesinger, die beim WM-Titel im vergangenen Jahr live dabei war: "Davids Karriere ist und bleibt siegreich, davon bin ich überzeugt, und ich werde immer einer seiner größten Fans sein."

Dass Späths Karriere seit einem dreiviertel Jahr so durch die Decke geht, ist nicht selbstverständlich. Ende des Jahres 2021 ist die Welt um ihn herum plötzlich ganz dunkel. Im November prallt er in einem Spiel der zweiten Mannschaft der Rhein-Neckar Löwen, gegen den Pfosten seines Tores. Erst eine Woche später folgt die bittere Diagnose: Kreuzbandriss. Mit gerade einmal 19 Jahren. "Vom Moment der Nachricht an habe ich nichts mehr wahrgenommen, wie durch einen Schleier. Auf der Fahrt habe ich durchgeweint", sagt er rückblickend laut "Spiegel".

Die Psyche leidet, er schläft kaum noch, er wird krank, bekommt 40 Grad Fieber. Weil er nach der Verletzung keine Thrombosespritzen bekommt, schwillt sein Bein an. Die Operation muss verschoben werden, ihm werden Blutverdünner verordnet. Späth ist zur Pause verdammt. Eine Pause, die ihn mental "komplett zerstört". Der Handball ist sein Leben, neben dem Sport macht er keine Ausbildung, Hobbys hat er nur wenige. "Ich hatte das Gefühl, dass ich weg vom Fenster war, es war keine Depression, aber ich hatte auf nichts mehr Lust."

Knorr und Späth sind dicke Freunde

Die Verletzungszeit ist eine, in der Späth auf seinen Teamkollegen Knorr bauen kann. Die beiden, die sich nun während der EM ein Zimmer teilen, halten zusammen. "Er war immer bei mir, egal ob es seelischer Beistand war oder einfach als Ablenkung", erzählt Späth im ARD-Porträt über den 23-Jährigen, der selbst seit der WM 2023 einen immensen Hype erfährt. "Es war hart, ihn so zu sehen. Die Verletzung war ein krasser Rückschlag und auch die Zukunft zunächst ungewiss", sagt Knorr. Im Januar 2022 findet endlich die Kreuzband-OP statt, später folgt eine zweite am Meniskus. Vor dieser übernachtet Späth bei Knorr, der fährt ihn zum Krankenhaus. "Das macht nicht jeder", so Späth.

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Nun sind für die beiden deutlich bessere Zeiten angebrochen. Das erste gemeinsame Turnier, es ist gleich ein ganz besonderes, eines in der Heimat, vor den eigenen Fans. Knorr hat im vergangenen Jahr schon gegen Frankreich gespielt. Bei der WM ist das DHB-Team am amtierenden Olympiasieger im Viertelfinale gescheitert. Diesmal ist das ausgeschlossen, der Einzug in die Hauptrunde in Köln steht bereits fest. Fraglich nur, wie viele Punkte die Deutschen mitnehmen.

Die beiden jedenfalls liefern, Knorr ist mit 16 Toren der beste Werfer des DHB-Teams, auch Späth ist mit seinen Paraden gegen Nordmazedonien im Turnier angekommen. Geht es nach seinem Freund, war es das noch lange nicht: "Ich glaube, wir haben die Spitze des Eisbergs bisher nicht gesehen. Ich weiß, dass er noch zu ganz anderen Dingen imstande ist und dies bei diesem Turnier zeigen wird." Thierry Omeyer wird genau hingucken.

Quelle: ntv.de

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