"Wie Massenmörder behandelt" Serbien tobt wegen Djokovic-Ausweisung
16.01.2022, 13:25 UhrFast elf Tage lang weiß der ungeimpfte Tennisstar Novak Djokovic nicht, ob er an den Australian Open teilnehmen darf. Nun bestätigt das Bundesgericht in Melbourne den Entzug seines Visums, der Serbe muss Australien wieder verlassen. Besonders in seinem Heimatland ist die Wut groß.
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic hat mit Unverständnis auf die bevorstehende Ausweisung von Novak Djokovic aus Australien reagiert. Das habe er dem Tennisstar auch in einem Telefonat gesagt. Präsident Vucic sprach gegenüber serbischen Medien zudem erneut von einer "Hexenjagd", die Djokovic in den vergangenen Tagen habe erleiden müssen.
Der Weltranglisten-Erste Djokovic war ungeimpft nach Australien gereist. Bei der Einreise war ihm jedoch das Visum annulliert worden. Nach einem tagelangen Gerichtsstreit hat das Bundesgericht in Melbourne den Entzug des Visums am heutigen Sonntag und damit einen Tag vor Beginn der Australian Open für rechtens erklärt. Djokovic kann damit an dem Turnier nicht teilnehmen.
"Ich habe Novak gesagt, dass ich es kaum erwarten kann, dass er nach Serbien zurückkommt, in sein Land, wo er immer willkommen ist", sagte Vucic. Es sei nicht hinnehmbar, "den besten Tennisspieler zehn, elf Tage lang so zu behandeln, und ihm dann am elften Tag die gleiche Entscheidung mitzuteilen wie am ersten Tag."
"Sie haben schlicht und ergreifend gelogen"
Vucic warf den Anwälten der australischen Regierung zudem Lügen vor. "In dem sinnlosen Gerichtsverfahren konnte man sehen, wie sehr die Anklage lügt. Sie haben schlicht und ergreifend gelogen. Sie sagen, dass es weniger als 50 Prozent geimpfte Menschen in Serbien gibt, aber es sind offiziell 58 Prozent. Das ist mehr als in vielen anderen europäischen Ländern. Das war ein sinnloses Argument", sagte Vucic. Seit seiner Ankunft in Australien sei der ungeimpfte Spitzensportler "schikaniert und gequält" worden, sagte Vucic außerdem zur britischen BBC. Man habe ihn "wie einen Massenmörder behandelt".
Ähnlich äußerte sich die serbische Ministerpräsidentin Ana Brnabic. Auch sie ereiferte sich darüber, dass der Anwalt der Regierung im Verfahren von einer Impfquote von unter 50 Prozent sprach. Dies sei eine "offene Lüge", meinte Brnabic. "Wir haben derzeit 58 Prozent vollständig geimpft, und 37 Prozent erhielten den Booster." Die Zahlen, die Brnabic angab, bezogen sich aber wahrscheinlich auf den Anteil der Geimpften unter der erwachsenen Bevölkerung. Unter der Gesamtbevölkerung hatte er nach Angaben von "Our World in Data" zuletzt 47 Prozent betragen.
Australische Sportler seien in Serbien dagegen jederzeit willkommen. "Danke an die Menschen in Australien. Ich bin mir sicher, dass sie Serbien lieben", sagte der Politiker: "Sie glauben, dass sie Djokovic gedemütigt haben, aber sie haben nur sich selbst gedemütigt. Er kann in sein Land zurückkehren und jedem erhobenen Haupte in die Augen sehen."
Auch die serbische Presse zeigte sich erzürnt. So schrieb etwa der Online-Ableger des Boulevardblatts "kurir": "Das Gericht hat entschieden: Deportation für Novak! In Melbourne geschah die größte Schande in der Geschichte des Sports! Schäm dich, Australien! (...) Das Recht hat verloren, die Politik hat gesiegt." Auf "alo.rs" hieß es: "Eine Schande, wie man sie noch nie gesehen hat! Djokovic wird abgeschoben, bei den Australian Open wird er nicht spielen." Derweil kommentierte "informer.rs": "Erschüttert wie noch nie! Enttäuschter 'Nole' meldete sich nach Niederlage vor Gericht zu Wort. Aus seiner Trauer macht er kein Hehl." In Kroatien schrieb "24sata.hr": "Nun doch 'Djoxit'! Novak wird deportiert."
"Der große Verlierer ist das Turnier"
Australiens Premierminister Scott Morrison hat die Gerichtsentscheidung gegen Djokovic unterdessen wohlwollend aufgenommen. "Jetzt ist es an der Zeit, mit den Australian Open weiterzumachen und wieder den Tennis-Sommer zu genießen", schrieb der Regierungschef bei Facebook. Die Entscheidung sei aus Gründen der "Gesundheit, Sicherheit und der Ordnung" gefallen, schrieb Morrison. Es sei "im öffentlichen Interesse" geschehen. "Starke Grenzen sind für die australische Lebensweise von grundlegender Bedeutung - genauso wie die Rechtsstaatlichkeit."
In der Tenniswelt wurde die Entscheidung mit Bedauern aufgenommen. Die Profiorganisation ATP schrieb in einer Mitteilung: "Unabhängig davon, wie dieser Punkt erreicht wurde, ist Novak einer der größten Champions unseres Sports, und sein Fehlen bei den Australian Open ist ein Verlust für das Spiel." Sie respektiere die Entscheidung der australischen Justiz, sprach dem serbischen Weltranglisten-Ersten aber auch Mut zu.
"Wir wissen, wie turbulent die vergangenen Tage für Novak gewesen sind und wie sehr er seinen Titel in Melbourne verteidigen wollte. Wir wünschen ihm alles Gute und freuen uns darauf, ihn bald zurück auf dem Platz zu sehen", hieß es in dem ATP-Statement weiter. Die Organisation empfehle allen Spielern vehement, sich impfen zu lassen. Patrick Mouratoglou, bekannt als der Trainer von Serena Williams, schrieb auf Twitter: "Der große Verlierer des ganzen Chaos ist das Turnier. Die gute Nachricht ist, dass wir hoffentlich bald wieder über Tennis reden."
Quelle: ntv.de, ses/dbe/dpa/sid