"The Closer" schlägt wieder zu Zverevs unheimliche Laver-Cup-Serie
28.09.2021, 06:57 Uhr
Teamchef Björn Borg konnte sich auf den "Closer" verlassen.
(Foto: imago images/Paul Zimmer)
Nach Olympiagold und zwei Masters-Siegen hat Alexander Zverev nun auch einen Team-Wettbewerb gewonnen. Mit Europa holte der Hamburger erneut den Laver Cup. Genug hat er in diesem Jahr trotzdem noch nicht. Er will noch ein paar Turniere gewinnen.
Alexander Zverev wird für gewöhnlich von fast allen "Sascha" gerufen. Wenn der 24-Jährige jedoch, wie von Freitag bis Sonntag in Boston, für Team Europe beim Laver Cup im Einsatz ist, dann hat er einen anderen Spitznamen. "The Closer werde ich genannt", sagte Zverev im Gespräch mit ntv.de nach der erfolgreichen Titelverteidigung in Boston.
Der "Closer" ist ein Begriff aus dem Baseball. Gemeint ist der Werfer, der bei einer Führung seines Teams im letzten Inning ins Spiel kommt, um die Partie siegreich zu beenden. Er macht quasi den Deckel drauf. Mariano Rivera von den New York Yankees gilt als bester Closer der Major-League-Baseball-Geschichte. Er hat mit seinen raffinierten Würfen in 17 Jahren als Closer 652 Partien erfolgreich zu Ende gebracht. Sein Prozentsatz der so geretteten Spiele liegt bei 89,1.
Chicago, Genf, Boston - zuverlässiger Zverev
Zverev kommt sogar auf 100 Prozent, auch wenn im Tennis derartige Statistiken gar nicht erhoben werden. In der vierten Auflage des seit 2017 zwischen einem Team World und einer Weltauswahl ausgespielten Laver Cup hat er am Sonntag zum dritten Mal das Turnier mit seinem siegreichen Match beendet. 2018 hatte Zverev in Chicago durch einen Drei-Satz-Erfolg gegen Kevin Anderson aus Südafrika für die entscheidenden drei Punkte zum 13:8-Gesamtsieg gesorgt (beim Laver Cup gibt es am ersten Tag für einen Sieg einen Punkt, am zweiten Tag zwei und am Schlusstag drei Zähler/Anm. d. Red.).
Im darauffolgenden Jahr lagen die Gastgeber in Genf gar 10:11 hinten, ehe der Deutsche den Kanadier Milos Raonic im zwölften und letzten Match des Events in drei Sätzen niederrang und der Sieger somit erneut Europa hieß. In Boston war der Druck auf Zverev nicht ganz so groß - und er lastete auch nicht allein auf seinen Schultern. Europa führte nach dem zweiten Tag 11:1 und benötigte zur erfolgreichen Titelverteidigung somit am Sonntag aus maximal vier Partien nur noch einen Sieg. Und diesen holte Zverev gleich im Auftakt-Doppel zusammen mit seinem russischen Kumpel Andrej Rubljow.
"In berühmten Basketball- und Eishockey-Stadion gespielt"
Selbst die lautstarke Unterstützung von knapp 15.000 Fans half der von John McEnroe trainierten Weltauswahl nicht. "Die Atmosphäre war unglaublich. Wir haben in einem sehr berühmten Basketball- und Eishockey-Stadion gespielt", meinte Zverev. Der gebürtige Hamburger ist zwar bekennender Fan der Miami Heat aus Nordamerikas Profi-Basketball-Liga NBA, hat aber mit Interesse die 17 Meisterschaftsbanner der Boston Celtics unter der Hallendecke des TD Garden vernommen. "Hier haben die besten Spieler der Welt unglaublich legendäre Spiele gespielt", betont Zverev.
Ähnliches hatte sich auch der Wahl-Monegasse vorgenommen, als er vor knapp neun Monaten ins neue Tennis-Jahr startete. Sein großes Ziel: 2021 ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. Das so knapp in fünf Sätzen verlorene US-Open-Finale 2020 gegen den Österreicher Dominic Thiem hatte ihn noch hungriger gemacht. Es vergehe kein Tag, an dem er nicht an die Niederlage denke, ist auch ein Jahr später immer noch oft von ihm zu hören. Mit 2:0-Sätzen hatte Zverev vorne gelegen, anschließend im fünften Durchgang 5:3 geführt, bei eigenem Aufschlag.
Olympiagold wertvoller als Grand-Slam-Sieg
Nun ist das Tennis-Jahr noch nicht zu Ende, aber Zverev wird trotzdem mindestens bis zu den Australian Open im Januar warten müssen, um eine neue Chance zu bekommen, sein Ziel zu erreichen. Doch obwohl es 2021 nichts mit einem Grand-Slam-Titel geworden ist - bei den French Open und den US Open kam jeweils im Halbfinale in fünf Sätzen gegen Stefanos Tsitsipas und Novak Djokovic das Aus - wirkt er zufrieden bei seiner Zwischenbilanz. Das liegt zum einen an seinen Triumphen bei den Masters-Turnieren in Madrid und Cincinnati, vor allem aber an seinen goldenen Augusttagen in Tokio. "Ich habe die Olympischen Spiele gewonnen, was für mich noch größer als ein Grand Slam ist", sagt der 24-Jährige.
Natürlich hat jeder Turniersieg seinen Wert. Was Zverevs Erfolg in Tokio aber so besonders macht, ist neben der Tatsache, dass es Olympia eben nur alle vier Jahre gibt, auch sein Halbfinalsieg gegen Djokovic. Durch den Dreisatz-Triumph schaffte er es nicht nur als erster Deutscher seit Tommy Haas im Jahr 2000 ins Endspiel, sondern beendete zugleich die Jagd des serbischen Branchenprimus nach etwas Unerreichtem im Herrentennis.
Zverev zerstört Djokovic-Traum
Djokovic hatte 2021 bis dahin die Australian Open, French Open und Wimbledon gewonnen. Mit Erfolgen in Tokio sowie bei den anschließenden US Open hätte er als erster Mann das geschafft, was Steffi Graf 1988 gelungen war - der Gewinn des Golden Slam. Djokovic hat alle wichtigen Turniere gewonnen. Er hat sie sogar mehrmals gewonnen. Wie Roger Federer und Rafael Nadal bringt er es auf 20 Grand-Slam-Siege. Was ihm noch fehlt: Olympiagold. Und wegen Zverev muss er mindestens drei weitere Jahre warten.
Acht Wochen sind seit Tokio vergangen. Das mintgrüne T-Shirt von damals hatte Zverev auch anschließend in Cincinnati sowie bei den US Open in New York an. Und wenn er gedurft hätte, wäre er damit auch beim Laver Cup in Boston angetreten. Doch Team Europe trug Einheitsblau.
Für Zverev geht es nun weiter nach Miami. Dort bereitet er sich auf die kommenden Aufgaben vor, die Masters-Events in Indian Wells (7. bis 17. Oktober) und Paris (1. bis 7. November) sowie das ATP-Finale Mitte November in Turin. "Ich möchte weiterhin gut spielen, weiterhin Turniere gewinnen und einige große Turniere kommen ja noch", sagt der Weltranglisten-Vierte. Er will also dieses für ihn so historische Jahr erfolgreich beenden. So wie es sich eben für einen "Closer" gehört.
Quelle: ntv.de