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Djokovic vor dem Mega-Triumph Bärenstarker Zverev staunt und verzweifelt

Verzweifelter Zverev.

Verzweifelter Zverev.

(Foto: imago images/ZUMA Wire)

Alexander Zverev spielt bei den US Open ein ganz starkes Halbfinale. Dennoch scheitert er nach spektakulären fünf Sätzen an Novak Djokovic. Denn der Weltranglisten-Erste aus Serbien ist im entscheidenden Moment mental wieder besonders stark.

Er fuhr sich beim Gang durch die Katakomben mit beiden Händen durch die Haare. Das dunkle T-Shirt durchgeschwitzt vom gerade beendeten, denkwürdigen 3:33 Stunden-Match, der Kopf gesenkt. Alexander Zverev wusste, dass dieses Halbfinale gegen Novak Djokovic nicht sein letztes Turnierspiel bei den US Open in New York hätte sein müssen. "Es war ein gutes Match. Ich denke, wir haben beide alles gegeben, keiner hat dem anderen was geschenkt. Und es hätte auch andersrum ausgehen können", meinte der 24-Jährige gegen Mitternacht im großen Interviewraum des Billie Jean King National Tennis Center.

Dass Zverev trotz einer starken und couragierten Leistung mit 6:4, 2:6, 4:6, 6:4, 2:6 als Verlierer aus dem ausverkauften Arthur Ashe Stadium ging, nun, das lag natürlich vor allem an dem Mann, der ihm da gegenüberstand: Novak Djokovic. Der serbische Branchenprimus hatte in den vorherigen fünf Runden dieses Turniers nicht so überzeugend gewirkt, wie üblich. Er hatte sogar vier Sätze abgegeben. Und er hatte auf dem Weg in dieses Halbfinale rund viereinhalb Stunden länger auf dem Platz verbringen müssen, als Zverev, der die Vorschlussrunde mit fünf souveränen Siegen erreicht hatte.

Zverev: "Djokovic ein verdienter Finalist"

Mentalitäts-Monster: Novak Djokovic.

Mentalitäts-Monster: Novak Djokovic.

(Foto: dpa)

Hinzu kam, dass der Hamburger den Belgrader ja erst vor wenigen Wochen im Halbfinale des Olympischen Turniers in drei Sätzen besiegt und anschließend Gold gewonnen hatte. Es klang daher gar nicht so vermessen, Zverev durchaus eine Chance auf einen erneuten Finaleinzug in Flushing Meadows einzuräumen. Es werde schwer, wieder ins Endspiel zu kommen, aber, er wolle da hin, hatte Zverev beim Gang hinaus in die Arena ESPN-Reporter Patrick McEnroe noch gesagt. Knapp dreieinhalb Stunden später kam der Deutsche jedoch zur Erkenntnis, dass Djokovic ein verdienter Finalist sei. "Wenn es drauf ankommt, spielt er das beste Tennis, das er spielen muss. Andere können das nicht, deshalb ist er die Nummer eins der Welt - und das hat er heute gezeigt."

Das mag ein wenig hilflos klingen, fasst den entscheidenden fünften Satz dennoch perfekt zusammen. Zverev hatte gerade den vierten Durchgang gewonnen, zum 2:2 nach Sätzen ausgeglichen. Und er wusste, wie alle anderen im Stadion, dass nun der Moment gekommen war, an dem nicht nur Aufschlag, Return, Vor- und Rückhand wichtig sind, sondern vor allem auch jenes Körperteil, das im Tennis schon so viele Matches entschieden hat - der Kopf.

Wenn der Gegner zur Wand wird

Und die mentale Stärke ist es eben, die so oft den Unterschied zwischen einem Novak Djokovic und allen anderen Tennis-Profis ausmacht. Der Moment, an dem Wille, Entschlossenheit und Bereitschaft, die Punkte unbedingt holen zu wollen, beim Serben einfach größer sind. Selbst, wenn hochklassige Gegner wie Zverev dies ebenso unbedingt erreichen möchten. "In den wichtigen Momenten wird er auf ein Mal zur Wand und da kommt man nicht durch. Ich kann noch so aggressiv spielen, am Ende des Tages weiß er immer, wo ich hinspiele", beschrieb Zverev den letzten Durchgang.

Schnell hatte er nach eigenem Aufschlagverlust 0:3 hinten gelegen und mit einem einfachen Schmetterball ins Aus Djokovic sogar ein zweites Break erlaubt. Zverev schaute nach seinem folgenschweren Fauxpas ratlos in die TV-Kameras, während sein Gegenüber seinen Mund weit aufriss und beide Fäuste ballte. "Einfach unglaublich unglücklich" sei die Szene gewesen, so Zverev. Nachdem Djokovic anschließend sein Service durchbrachte, lag der Deutsche aussichtslos 0:5 hinten. Es wirkte, als wenn ein Marathonläufer für die letzten 400 Meter des Rennens einem Sprinter gegenübertrat. Djokovic zog unaufhaltsam davon, Zverev blieb chancenlos zurück.

"Hurrikan voller Emotionen"

Auf den Grund seiner mentalen Stärke angesprochen, meinte Djokovic, dass sich in diesen Augenblicken in seinem Kopf ein "Hurrikan voller Emotionen" abspiele. Tennis, so der 34-Jährige, sei "ein wunderschöner Sport, aber auch ein sehr fordernder". Man müsse Körper und Seele im Gleichklang halten. Und er habe da seit Jahren eine Formel gefunden, die für ihn wirke, sagte Djokovic.

Auch Alexander Zverev ist mental gewachsen. Der Finaleinzug bei den US Open im Vorjahr, der Olympiasieg in Tokio, der anschließende Triumph beim Masters-Turnier in Cincinnati - all das hat ihn noch selbstbewusster gemacht. Djokovic nennt den Deutschen "einen großen Champion", den er auf dem Platz und auch außerhalb bewundere. "Zverev kann in den langen Ballwechseln mithalten", lobte John McEnroe als Experte am ESPN-Mikrofon.

Längster Ballwechsel des Turniers

Und Zverev war es auch, der beim Stand von 4:5, 15:40 im dritten Satz den Ballwechsel des Spiels für sich entschied. 53 Mal hatten beide Kontrahenten die gelbe Filzkugel übers Netz gespielt. Das Publikum war immer lauter geworden, je länger das hin und her andauerte. Zverev machte schließlich mit einem Vorhandschlag den Punkt. Die ESPN-Kommentatoren verwiesen darauf, dass es der längste Ballwechsel des Turniers gewesen sei. "Zverev hat für den meisten Teil des Matches gut gespielt, aber es war halt einfach nicht genug", resümierte John McEnroe Zverevs erste Niederlage nach zuvor 16 Siegen in Serie.

Djokovic hingegen hat seine beeindruckende Bilanz ausgebaut und auch sein 27. Grand Slam-Match in diesem Jahr gewonnen. Sollte er nach den Endspielen der Australien Open, French Open sowie in Wimbledon auch im Finale am Sonntag gegen den Russen Daniil Medwedew triumphieren, hätte er als erster Profi seit Rod Laver 1969 alle vier wichtigsten Turniere eines Jahres gewonnen. "Ich werde mein Herz, meine Seele und meinen Körper in dieses nächste Match werfen und es angehen, als wäre es das letzte meiner Karriere", kündigte er an. Bei einem Sieg wäre er mit dann 21 Grand Slam-Siegen der erfolgreichste Profi der Tennisgeschichte. Alexander Zverev drückt ihm die Daumen. "Ich bin auch Sportfan und Tennisfan. Und was wir am Sonntag hoffentlich erleben werden, ist Geschichte."

Quelle: ntv.de

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