Ein Dilemma ohne Ausweg Wie Verstappen und Red Bull der Formel 1 schaden
02.08.2023, 20:50 Uhr
Absurd dominant: Max Verstappen.
(Foto: IMAGO/Independent Photo Agency)
Die Dominanz von Red Bull und Max Verstappen wird für die Formel 1 zu einem Problem. Die Motorsport-Königsklasse ist ein Wettbewerb, der keiner mehr ist. Die neuen Regeln erweisen sich als Eigentor. Ein Ausweg aus dem Dilemma ist nicht in Sicht.
Dominante Fahrer hat es in der Geschichte der Formel 1 schon immer gegeben. Sebastian Vettel war einer von ihnen, Lewis Hamilton ebenfalls. Auch Michael Schumacher prägte in der Königsklasse eine Ära, in welcher der Kampf um den Titel vor allem eins war: einseitig und langweilig. Die Überlegenheit von Max Verstappen in der laufenden Saison ist allerdings auf einem ganz neuen Level.
Wenn der amtierende Champion wie in Spa während des Rennens vor den Augen der Welt Scherze über einen Trainings-Boxenstopp machen kann, dann ist das nicht nur für die anderen Teams, sondern auch für die Formel 1 nichts anderes als eine Blamage. Wenn egal ist, ob Verstappen von Platz eins, sechs, zwölf oder 20 ins Rennen geht, weil er spätestens zur Halbzeit sowieso führt, wird der Wettbewerb ad absurdum geführt.
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Wie erdrückend die Dominanz des Niederländers ist, zeigt ein Blick auf die beeindruckenden Zahlen. In 567 von 724 Runden (78,3 Prozent) lag der zweimalige Weltmeister in dieser Saison an der Spitze des Feldes. Nimmt man Sergio Pérez mit in die Rechnung, lagen die Bullen sogar in 694 Runden vorn. Das entspricht einer Führungs-Quote von sagenhaften 95,8 Prozent.
Zum Vergleich: Sebastian Vettel brachte es in seiner dominantesten Saison (2013) auf eine Quote von 60 Prozent, Lewis Hamilton (2020) auf 59 Prozent und Michael Schumacher (2004) auf 61 Prozent. Verstappen schlägt diese Werte um Längen. Das ist gut für ihn und Red Bull, gleichzeitig aber katastrophal für die Konkurrenz und das Produkt Formel 1.
Strafe gegen Red Bull verpufft
Für die Königsklasse ist die Saison 2023 ein besonders schwerer Nackenschlag. Mit der Einführung der Budgetobergrenze sollte das Feld näher zusammengebracht werden. Auf dem Papier eine sinnvolle und gute Lösung. Zum Eigentor wird sie, wenn ein Team mehr richtig macht als die anderen und seinen Vorsprung kontinuierlich vergrößert. Irgendwann ist die Lücke so groß, dass sie sich kaum noch schließen lässt.
Wie die Konkurrenz den Rückstand auf Red Bull mit eingeschränkten Mitteln in absehbarer Zeit verkürzen will, ist nicht ersichtlich. Die Denkfabrik in Milton Keynes um Design-Guru Adrian Newey wird nicht stillstehen und nutzt ihre Ressourcen offenkundig effizienter als Mercedes, Ferrari und Co. Dazu hat sie auch noch die Zeit auf ihrer Seite. Ein Bonus, den es gar nicht gebraucht hätte.
Im Vorfeld der Saison gab es noch die leise Hoffnung, die Strafe wegen Verstößen gegen die Budgetgrenze könnte den Bullen die Hörner stutzen. Heute weiß man, was viele Teamchefs schon vorab vermuteten: Die Strafe ist in ihrem Resultat nicht mehr als eine symbolische.
Für die Formel 1 wird die Dominanz von Red Bull vor allem dann zu einem Problem, wenn es darum geht, neue Fans zu gewinnen und das eigene Produkt zu bewerben. Ein packender WM-Kampf bis zum letzten Rennen wäre die Ideallösung. Das genaue Gegenteil sind die Alleinfahrten von Verstappen, der sich, so zumindest der Eindruck, nicht mal Mühe geben muss, um die Konkurrenz zu deklassieren.
Formel 1 droht das "Bayern"-Problem
Zwar könnte man durchaus argumentieren, dass die Duelle hinter Red Bull dank der neuen Regularien spannender geworden sind - und da ist auch was dran. Aber wie viele Menschen interessieren sich am Ende schon für den Kampf um Platz sechs, sieben oder acht? Zumindest in Deutschland immer weniger Leute: Die seit Jahren sinkenden Zuschauerzahlen könnten ein böser Vorbote für die F1-Macher sein, die sich gerade noch für ihren weltweiten Boom abfeiern.
Max Verstappen und Red Bull trifft an dieser Entwicklung keine Schuld. Sie machen einfach nur ihren Job. Und sie machen ihn besser als die anderen. Wenn aber selbst Mercedes-Chef Toto Wolff zugeben muss, dass es im Moment so wirkt, als würden alle anderen mit einem Formel-2-Wagen ihre Runden drehen, beschädigt das den Ruf der Königsklasse.
Eine Lösung des Problems ist aktuell nicht in Sicht. Red Bull kann ebenso wenig einfach langsamer fahren, wie der FC Bayern in der Bundesliga auf einmal weniger Spiele gewinnen kann. Im internationalen Vergleich hat das deutsche Fußball-Oberhaus die Quittung für fehlende Spannung im Titelkampf längst bekommen. Die Formel 1 kann sich glücklich schätzen, keine ebenbürtige Serie als Konkurrenten zu haben, in der es spannender zugeht. Sonst wäre der Schaden, den Max Verstappen und Red Bull anrichten, ungleich größer.
Quelle: ntv.de