Wolfsgruß-Eklat um Merih Demiral Türkische Klage gegen UEFA-Sperre ist nicht möglich
05.07.2024, 17:49 Uhr
Merih Demiral könnte frühestens im Finale wieder für die türkische Auswahl auflaufen.
(Foto: IMAGO/Jan Huebner)
Berichten zufolge plant die Türkei einen Einspruch gegen die Zwei-Spiele-Sperre gegen Merih Demiral - die Regeln des Europäischen Fußball-Verbandes schließen diesen jedoch offenkundig aus. Damit scheint klar: Der Abwehrspieler fehlt im EM-Achtelfinale in Berlin gegen die Niederlande.
Die Türkische Fußballföderation (TFF) hat keine Möglichkeit, gegen die Zwei-Spiele-Sperre von Abwehrspieler Merih Demiral nach dessen Wolfsgruß-Jubel Einspruch einzulegen. In Artikel 63 der Statuten der Europäischen Fußball-Union UEFA heißt es, dass der Internationale Sportgerichtshof CAS nicht zuständig ist für Fälle, in denen ein Spieler für bis zu zwei Spiele oder bis zu einem Monat gesperrt wird.
"Da bei Strafen unter drei Spielen der Einspruchs- und Antragsweg zum CAS versperrt ist, wurde uns durch die verhängte Sperre für zwei Spiele auch das Einspruchsrecht genommen. Diese parteiische und ungerechte Entscheidung hat unsere gesamte Nation zutiefst enttäuscht", sagte TFF-Präsident Mehmet Büyükeksi in einer Verbandsmitteilung. Somit wird der Innenverteidiger gegen die Niederlande (Samstag, 21 Uhr/RTL, MagentaTV und im Liveticker bei ntv.de) und auch in einem möglichen Halbfinale fehlen.
Ein Reporter der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgesellschaft TRT hatte zuvor berichtet, der türkische Verband werde beim CAS Berufung einlegen. Es gebe dort ein beschleunigtes Verfahren speziell für die Fußball-EM, mit einer Entscheidung sei wahrscheinlich schon am Freitagabend zu rechnen. Dieser Schritt entfällt nun. Die UEFA hatte die Sperre gegen 26-Jährigen damit begründet, dass der Abwehrspieler "die allgemeinen Verhaltensgrundsätze nicht eingehalten, die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzt, Sportereignisse für Kundgebungen nicht sportlicher Art genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht" habe.
Demiral hatte beim 2:1 im Achtelfinale gegen Österreich nach seinem zweiten Treffer in Leipzig mit beiden Händen das Handzeichen und Symbol der "Grauen Wölfe" geformt und damit für viel Empörung gesorgt. Als "Graue Wölfe" werden die Anhänger der rechtsextremistischen "Ülkücü-Bewegung" bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan.
Fan-Aufruf macht Polizei hellhörig
Wegen des Eklats um die Geste hatte es in den vergangenen Tagen auch auf der politischen Ebene heftigen Wirbel gegeben. Das türkische Außenministerium bezeichnete die UEFA-Untersuchung gegen Demiral als inakzeptabel. Nicht jede Person, die das Zeichen der Grauen Wölfe zeige, könne als rechtsextremistisch bezeichnet werden. Der Wolfsgruß sei in Deutschland zudem nicht verboten und die Reaktionen der deutschen Behörden "ausländerfeindlich". Im Zuge eines erstarkenden Nationalismus haben zuletzt aber auch Vertreter der politischen Mitte den Wolfsgruß genutzt, um etwa Wähler aus nationalistischen Milieus anzusprechen.
Als "Skandal" bezeichnete der türkische Sender TRT die Entscheidung der Europäischen Fußball-Union, Demiral für zwei Spiele zu sperren. Ein Kommentator des Senders Habertürk sprach gar von einer "rassistisch" motivierten Entscheidung. Der Hashtag #BeFairUEFA erobert auf der Plattform X kurz nach Bekanntwerden der Nachricht in Deutschland und weltweit den Spitzenplatz. Für das Spiel gegen Oranje wird auch als Folge der Streitigkeiten der spontane Besuch des Präsidenten Erdoğan im Olympiastadion erwartet.
Zudem heizt ein brisanter Aufruf der türkischen Ultras das laut Polizei "Nonplusultra-Hochrisikospiel" im EM-Viertelfinale zwischen der Türkei und den Niederlanden zusätzlich an. Auf der Plattform X forderten sie die Fans im Berliner Olympiastadion zum Zeigen des Wolfsgrußes während der Nationalhymne auf. Das Sportliche ist fast komplett in den Hintergrund gedrängt. Auch die Vorfreude unter den rund 200.000 in Berlin lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln wurde etwas geschmälert. Das sei "wirklich sehr bedauerlich", sagte Vorstandssprecher Safter Çinar vom Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg (TBB). Er kritisierte deswegen auch Demiral. "Was der Junge gemacht hat", sagte er, sei "natürlich Unsinn".
Quelle: ntv.de, tsi/dpa/sid