Diplomatische Krise ausgelöst UEFA sperrt Demiral wegen Wolfsgruß - Türkei wehrt sich vehement
05.07.2024, 12:41 Uhr
Die UEFA sperrt den türkischen Nationalspieler Merih Demiral nach dessen Wolfsgruß im EM-Achtelfinale gegen Österreich für zwei Spiele. Es könnte das Aus im Turnier für Demiral bedeuten - die Türkei will das aber nicht hinnehmen. Der Verband zieht vor den Sportgerichtshof.
Für Merih Demiral hat der beim Torjubel gegen Österreich gezeigte Wolfsgruß schwerwiegende Folgen. Die UEFA sperrte den Abwehrspieler der türkischen Fußball-Nationalmannschaft für zwei Spiele. Damit wird der 26-Jährige das EM-Viertelfinale am Samstag in Berlin gegen die Niederlande (21 Uhr/RTL und Magenta TV sowie im ntv.de-Liveticker) und ein mögliches Halbfinale verpassen.
Allerdings wehrt sich der türkische Verband gegen die Sperre und zieht einem Medienbericht zufolge vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS. Ein Reporter der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgesellschaft TRT berichtete, der Verband werde beim CAS Berufung einlegen. Es gebe dort ein beschleunigtes Verfahren speziell für die Fußball-EM, mit einer Entscheidung sei wahrscheinlich schon am Freitagabend zu rechnen.
Die türkische Regierung reagierte auf die Entscheidung mit Entrüstung. "Wir verurteilen die unfaire und voreingenommene Entscheidung der UEFA, für die es keine rechtliche Grundlage gibt und die wir für rein politisch halten", schrieb Sportminister Osman Askin Bak bei X. Man werde "weiterhin mit juristischen Mitteln gegen diese Doppelmoral vorgehen, die gegen unser Land und unseren Nationalspieler Merih Demiral angewandt wird."
Die UEFA hatte ihre Entscheidung wie folgt begründet: Demiral habe "die allgemeinen Verhaltensgrundsätze nicht eingehalten, die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzt, Sportereignisse für Kundgebungen nicht-sportlicher Art genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht."
Bereits am Donnerstagabend hatte die "Bild" von der Zwei-Spiele-Sperre berichtet. Das bezeichnete der türkische Verband zunächst aber als Falschmeldung, da das Fristende für das Einreichen der Verteidigungspapiere noch nicht verstrichen sei.
Erdogan hält Sperre für nicht gerechtfertigt
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält die Sperre für nicht gerechtfertigt. Der Spieler habe lediglich seine "Begeisterung" gezeigt, sagte Erdogan laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Zur Entscheidung der UEFA, den Spieler für zwei Partien zu sperren, äußerte er sich nicht. Erdogan sagte weiter: "Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Deutschen ein Adler ist? Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Franzosen ein Hahn ist und warum sie sich wie Hähne aufspielen?"
Erdogan bestätigte auch seine Reise nach Berlin zum EM-Viertelfinale gegen die Niederlande. "Hoffentlich ist die ganze Sache am Samstag erledigt, wenn wir das Spielfeld als Sieger verlassen und in die nächste Runde aufsteigen."
Ultras fordern zum Zeigen des Wolfsgrußes auf
Der 26 Jahre alte Demiral hatte beim 2:1 im Achtelfinale gegen Österreich nach seinem zweiten Treffer in Leipzig mit beiden Händen das Handzeichen und Symbol der "Grauen Wölfe" geformt und damit für viel Empörung gesorgt. Als "Graue Wölfe" werden die Anhänger der rechtsextremistischen "Ülkücü-Bewegung" bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Erdogan.
Wegen des Eklats um die Geste hatte es in den vergangenen Tagen auch auf der politischen Ebene heftigen Wirbel gegeben. Das türkische Außenministerium bezeichnete die UEFA-Untersuchung gegen Demiral als inakzeptabel. Nicht jede Person, die das Zeichen der Grauen Wölfe zeige, könne als rechtsextremistisch bezeichnet werden. Der Wolfsgruß sei in Deutschland zudem nicht verboten und die Reaktionen der deutschen Behörden "ausländerfeindlich". Im Zuge eines erstarkenden Nationalismus haben zuletzt aber auch Vertreter der politischen Mitte den Wolfsgruß genutzt, um etwa Wähler aus nationalistischeren Milieus anzusprechen.
Türkische Fußball-Ultras haben Fans im Berliner Olympiastadion aufgefordert, beim Viertelfinale ihres Teams gegen die Niederlande den umstrittenen Wolfsgruß zu zeigen. Alle Anhänger auf der Tribüne seien eingeladen, die Geste während der Nationalhymne zu machen, hieß es in einem Aufruf auf der Plattform X.
"Mein Mann ist kein Rassist"
Kurz vor Bekanntgabe der Sperre durch die UEFA hatte Demirals Frau ihren Mann verteidigt: "Mein Mann ist kein Rassist!", sagte Heidi Demiral der Schweizer Zeitung "Blick". Ihr Mann sei "liebenswürdig, offen und tolerant", ergänzte die 34 Jahre alte Schweizerin, die laut "Blick" gebürtige Kosovarin ist. Bereits am Donnerstag hatte sich Heidi Demiral auf Instagram in der Sache zu Wort gemeldet. "Der Wolf ist das tierische Symbol der Türkei. Er hat nichts mit Rassismus oder Faschismus zu tun", schrieb sie auf ihrem Account: "Vielfalt ist die Schönheit unserer Familie und die Stärke unserer Geschichte. Toleranz, Freundlichkeit, Liebe und Großzügigkeit sind grundlegende Werte, die wir unseren Kindern beibringen."
Quelle: ntv.de, ara/dpa