"Meisterwerk" im WM-Finale Der ewig kritisierte di Maria erlöst Argentinien
19.12.2022, 07:38 Uhr
Die ganzen Emotionen in einem Bild.
(Foto: AP)
Vom Bankdrücker zum Wegweiser: Der ewig unterschätzte Angel Di Maria ist im WM-Finale gegen Frankreich für Argentinien ein überraschender Hauptdarsteller. Die Aufstellung des Flügelstürmers erwischt Didier Deschamps und seine "Équipe Tricolore" auf dem völlig falschen Fuß.
Angel Di Maria formte mit seinen Händen ein Herz, breitete die Arme aus und rutschte auf die Knie. Als seine Mitspieler sich auf den überraschenden Wegweiser zum WM-Titel stürzten, schossen ihm die Tränen in den Augen. Gerade hatte der 34-Jährige mit einem Traumtor Argentinien auf den Pfad zum dritten WM-Triumph geschossen - plötzlich spielte jemand die Hauptrolle, der eigentlich schon aussortiert schien.
"Ein Meisterwerk", schwärmte die Zeitung "Clarin" vom 2:0 in der 36. Minute gegen Titelverteidiger Frankreich, das Superstar Lionel Messi mit einem Außenristpass an der Mittellinie eingeleitet hatte. Und ausgerechnet Di Maria, der nach der Vorrunde seinen Stammplatz verloren und in den K.o.-Spielen vor dem Finale (2:1) nur acht Minuten auf dem Feld gestanden hatte, schob den Ball ins Tor. Als es später dramatisch wurde, saß er erst fassungslos auf der Bank und rannte nach dem erlösenden Siegtreffer im Elfmeterschießen mit auf den Platz.
Trainer Lionel Scaloni hatte den Champions-League-Sieger von 2014 im Endspiel völlig unerwartet wieder als Linksaußen aufgeboten und damit seinen französischen Kollegen Didier Deschamps überrascht. Es hatte Berichte darüber gegeben, dass er zuvor angeschlagen gewesen sei. Bestätigt waren diese nicht. Aber nun war er wieder da und immer wieder suchten Messi und Co. Di Maria, der vor dem 1:0 dem Ex-Dortmunder Ousmane Dembélé entwischte, den er sowieso immer wieder massiv in die ungeliebte Abwehrarbeit zwang, und nur durch ein Foul zu stoppen war. Beim 2:0 schloss er die Kombination über Messi, Julian Alvarez und Alexis Mac Allister eiskalt selbst ab.
Als Di Maria nach gut einer bemerkenswerten Stunde ausgewechselt wurde, erhoben sich fast alle 88.966 Zuschauer im ausverkauften Lusail-Stadion und verabschiedeten ihn mit tosendem Beifall. Auf der Bank herzten ihn alle Teamkollegen. Dann begann das lange Leiden. Seiner Mannschaft fehlte plötzlich eine Waffe. So sehr seine Hereinnahme in die Startelf ein genialer Schachzug war, so sehr brachte seine Auswechselung das Konstrukut ins Wanken. Scaloni hatte nicht das System verändert, sondern nur die Interpretation der Rolle des Spielers. Ein Josep Guardiola kann davon nur lernen, zu oft wirft er erfolgreiche Pläne in Endspielen über den Haufen und wird dafür bitter bestraft.
Am Ende war es eine Genugtuung für Di Maria, der nach immer lauter werdender Kritik schon über seinen Rücktritt aus der Albiceleste nachgedacht hatte. Im Finale 2014 hatte er beim 0:1 gegen Deutschland wegen einer Verletzung gefehlt, obwohl er eigentlich spielen wollte, doch sein Klub Real Madrid legte damals sein Veto ein. Auch bei den Niederlagen in den Endspielen der Copa America 2015 und 2016 gegen Chile schied er verletzt aus.
Wenn er im Finale trifft, siegt Argentinien: Schon bei den Olympischen Spielen 2008 erzielte er an der Seite Messis das Siegtor zum 1:0 gegen Nigeria, auch bei der Copa America im vergangenen Jahr, als die Albiceleste 28 Jahre ohne Titel beendete, markierte Di Maria, der in seiner Karriere trotz Stationen wie Paris St. Germain, Real Madrid, Manchester United oder aber Juventus Turin immer irgendwie unterschätzt war und stets im Schatten der großen Legenden des Spiels stand, das 1:0 im Endspiel gegen Brasilien.
Quelle: ntv.de, tno/sid