Fußball-WM

Scheich-Show mit hohlen Parolen Geheucheltes Kamel-Spektakel im Wüstenklotz

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Vor dem Stadion wacht die Leibgarde des Emirs von Katar.

(Foto: IMAGO/Sven Simon)

Die Eröffnungsfeier der Fußball-WM in Katar kommt mit Kamelen, Scheichs, bewaffneten Reitern und viel Pomp daher – aber auch mit geheuchelten Parolen. Denn das Motto von Inklusion und einer vereinten Welt durch Fußball ist leider gerade in Katar nicht möglich.

Diese Weltmeisterschaft soll ein Spektakel werden, so der Plan der FIFA und des Landes Katar. Also muss auch bei der Eröffnungsfeier mächtig aufgetischt werden. Was die WM dann vor dem ersten Spiel zwischen dem Gastgeber und Ecuador auf den Platz zaubert, ist eine wilde Glitzer-Show mitten in der Wüste, die Fußball als Heilsbringer der Welt zelebrieren soll - aber vor allem wegen des übertriebenen Gehabes fremdelt und wegen der Menschenrechtsverletzungen in Katar durchaus heuchlerisch erscheint.

Das Al-Bayt-Stadion glitzert schon in weiter Ferne, während die Sonne im kitschigen Rot untergeht. Sonst ist da aber nicht viel. Besser gesagt: nichts. Die hochmoderne, für die WM hochgezogene Arena ist ein Klotz in der Wüste. Ein Megapark im weiten Nirgendwo. Drumherum bildet sich ein kilometerlanger Stau, der nur einmal konsequent unterbrochen wird: Eine Polizeikarawane stemmt alles aus dem Weg, weil Emir Tamim bin Hamad Al Thani und seine Gefolgschaft in Nobelkarossen vorbeipreschen.

Am Wüstenklotz selbst, der Wind peitscht, geht dann die übertriebene Show los. Und wie: Aufgereiht für den Emir und seine Ehrengäste, unter anderem Saudi-Arabiens mächtiger Kronprinz Mohammed bin Salman und FIFA-Boss Gianni Infantino, und natürlich schlau platziert, direkt neben dem Eingang für die Medien, wartet zunächst eine Gruppe von Kamelen samt Reitern im traditionellen arabischen Kamelreiter-Dress. Es handelt sich um die berittene Leibgarde des Emirs. Mehr Wüste geht dann wirklich nicht. Exkremente sammeln sich unter den Hufen, die Tiere sehen gelangweilt aus.

"Deutschland Olé OIé"

Doch damit nicht genug: Kurz dahinter steht eine bewaffnete Reiterstaffel Spalier. Die komplett in weiß gekleideten Männer mit Turban und Reiterstiefeln haben jeweils ein Maschinengewehr auf den Rücken geschnallt und sitzen auf fein und bunt bestickten Teppichen statt Satteln. Manch Reiter hat Probleme, sein Tier in der Spur zu halten, das an dieser Stelle eher unglücklich dreinblickt.

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Bildgewaltig.

(Foto: IMAGO/SNA)

Im Innenbereich des Stadions ragt als Nächstes eine überdimensionale Fackel mit zündelnden Flammen gen Abendhimmel. Falsche Veranstaltung, aber die zehn Meter hohe Anrichtung wirkt wie ein olympisches Feuer. Wer Fan-Gesänge erwartet, wird aber erstmal enttäuscht. Zu hören sind auch keine Wüstentiere oder ähnliches. Einzig das immense Dröhnen der Klimaanlagen, die kalte Luft ins Stadion und warme nach draußen pusten, stört die Nachtruhe.

Im Rund wütet kurz darauf aber der erste frenetische Applaus: Der Emir nimmt auf seinem mit Kissen bedeckten Sitz Platz und winkt dem Publikum gebieterisch-freundlich zu. Anschließend kommt Bin Salman mit der gleichen Prozedur aus den Katakomben. Bei den Journalisten herrscht aber keine gute Stimmung, weil das Internet zum Arbeiten nur ganz selten funktioniert. Auch im Medienzentrum war es bereits zum Zusammenbruch gekommen.

Für die eigentliche Eröffnungsfeier wird es dann dunkel. Und natürlich pompös. Zunächst wird runtergezählt, Jubel brandet durch das Stadion. Dann wird das Deckendach im Teppich-Design ohne Pause von einer Lasershow bearbeitet, ohrenbetäubende Musik (hauptsächlich westliche, natürlich darf Shakira mit "Waka Waka" nicht fehlen) setzt ein. Tanzeinlagen und Gesänge in verschiedenen Sprachen setzen das Motto der Show: Fußball vereint. Soweit so gut. "Allez Les Bleus" ist da zu hören und: "Super Deutschland Olé Olé". Ein riesiges WM-Maskottchen schwebt an Stäben über Rasen. Nun ja. Aber so ist das eben bei Eröffnungsfeiern.

Angeblich geht es um Respekt und Inklusion

Dann kommt der Moment, auf den wahrscheinlich mehr als halb Asien gewartet hat. Pop-Sänger Jung Kook von der südkoreanischen Sensationsband BTS performt im schwarz-glitzernden Michael-Jackson-Outfit. Als sich dann auch noch der katarische Sänger Fahad Al-Kubaisi dazugesellt, freut sich auch das Stadion endlich wieder einmal.

Als Nächstes hat Morgan Freeman seinen Auftritt. Der Schauspieler spricht vom "wunderschönen Spiel" des Fußballs, das sich über den Planeten erstrecke. "Wir alle versammeln uns hier in einem großen Stamm", sagt er in seiner weltweit beliebten Erzählerstimme. Szenen von kickenden Kindern in der Wüste werden eingespielt. Der Emir lacht und klatscht, Gianni Infantino strahlt.

Die Ansprache des Emir auf Arabisch wird nicht übersetzt, aber mit seinen abschließenden Worten heißt er die Welt auf Englisch bekommen. Tosender Applaus. Überdimensionierte Trikots laufen auf, wieder unter dem Motto: Fußball vereint. Dass das in Katar leider nicht für alle möglich ist, muss hier nicht noch mal groß erklärt werden. Respekt und Inklusion, darum soll es bei dieser Show gehen.

Infantino eröffnet die Show

Dafür steht der Wüstenstaat aber leider nicht ein. Auch wenn es auf dem Papier in Sachen Menschenrechte und Arbeitsbedingungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter aus Indien, Nepal, oder Pakistan Verbesserungen gab in den vergangenen Jahren, sieht das in der Realität häufig anders aus. Das können Sie, liebe Leserin und lieber Leser, auf unserer Seite in vielen Artikeln nachlesen. Aufgrund dieser Probleme wirkt die Inklusionsparty wie billige Heuchelei - selbst wenn sie gut gemeint sein sollte.

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Eine kurze Show-Pause nutzen die in großer Anzahl angereisten Ecuador-Fans, um in ihren restlos gefüllten Blöcken hinter dem Tor mächtig Lärm zu machen. Ansonsten sieht man auf den Rängen viel weiß (traditionelle Gewänder der Männer), aber auch einige schwarze Flecke (Burkas der Frauen). Einige Reihen sind aber auch komplett leer geblieben.

Ein riesiger Weltpokal wird in die Mitte des Spielfelds gezogen, es folgt die obligatorische Feuershow. Ganz am Schluss darf natürlich auch noch Infantino das Wort ergreifen - auf Arabisch, Spanisch und Englisch. "Let the show begin", sagt er. Die geht also auch nach der Eröffnungsshow mit kitschigen und leider bisher auch hohlen Aussagen weiter, das passt zum Turnier. Dann ist Anpfiff. Endlich.

Quelle: ntv.de

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