Das Tagebuch zur WM in Katar Abgebautes WM-Stadion steht noch - alles nur Propaganda?

Immer noch da: Das sagenumwobene Stadium 974.

Immer noch da: Das sagenumwobene Stadium 974.

(Foto: Stephan Uersfeld)

Nicht mehr lange, dann ist die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 Geschichte. Bereits jetzt stellt sich Doha auf einen neuen Rhythmus ein. Die Metro fährt an spielfreien Tagen nur noch alle fünf Minuten, nicht mehr alle drei. Und die Stadien werden bereits abgebaut. Oder doch nicht?

Nur zwei dünne Holzlatten trennen den Mann, der in Umm Ghuwailina in der katarischen Hauptstadt Doha an einem Sonntag an einem der Skelette arbeitet, die irgendwann zu Häusern oder Hochhäusern oder vielleicht sogar Wolkenkratzern werden, vom Abgrund. Ein falscher Schritt und dann stürzt er ungesichert 15 Meter in die Tiefe. Aber er fällt nicht. Er hat diese Bewegungen schon viel zu oft ausgeführt, die Handgriffe sind ihm seltsam vertraut. In seinem Pullover und seiner Jeans macht er das sicher nicht zum ersten Mal und es geht immer höher als 15 Meter.

Von Umm Ghuwailina ist es nur ein kurzer Spaziergang zum Stadium 974, einer der acht Spielstätten der Fußball-WM. Entlang der C Ring Road am alten Doha International Airport, der für diese WM wieder erwacht ist, und dann in Richtung Süden auf den Ras Abu Aboud Expy, an dem gerade ein Sahara Schwalbenschwanz entlang eines Drillingsblumenstrauchs in Richtung "The Ritz-Carlton Sharq Village" abbiegt. Das Resort öffnet sich in Richtung Norden dem Persischen Golf. Abends wummert von dort die Musik bis hinüber zu den Kreuzfahrtschiffen im alten Hafen. Wenige Schritte weiter sitzen zwei Bauarbeiter im Schatten. Sie blicken hinüber in die Richtung des Stadions, das eigentlich schon nicht mehr stehen dürfte.

"Katar baut erste WM-Stadien schon wieder ab", titelt diese Seite dieser Tage. Der Bericht darunter ist differenzierter, aber die Überschrift bleibt in Erinnerung. Nicht nur bei ntv.de erscheinen diese Berichte. Das Spiel, ein überwältigender Achtelfinal-Erfolg der mittlerweile ausgeschiedenen Brasilianer, wurde im Stadium 974 ausgetragen, einem nach der Telefonvorwahl Katars und der Anzahl der im Stadion verbauten Container benannten Kunstwerk, das irgendwann wieder verschwinden wird. Aber jetzt noch nicht. "Alles Propaganda", sagt ein Security-Mann am Einlass des Stadions, das überhaupt nicht abgebaut erscheint.

Stadium 974 macht jetzt in Mode

Zwar liegen bereits an den Zuwegungen Bündel mit ausgemusterten WM-Bannern unter von Arbeitern von welken Blättern befreiten Palmen, aber sonst hat sich wenig verändert. Sogar ein riesiger WM-Pokal steht noch auf der trostlosen Vorfläche. Eine der zahlreichen Fotomöglichkeiten für die digitalen Tagebücher. Ein paar WM-Touristen nutzen das. Sie machen Bilder, irren ziellos umher. Auch sie wollen ins Stadion, das noch steht. Hat der Security-Mann recht? Ist das also Propaganda?

Bannerbündel unter Palmen.

Bannerbündel unter Palmen.

(Foto: Stephan Uersfeld)

Eine Nachfrage beim Supreme Committee soll Klarheit bringen. "Nach dem letzten Spiel der FIFA-WM Katar 2022, das im Stadium 974 ausgetragen wurde, haben die ersten Arbeiten begonnen, um das Stadion aus dem Turniermodus zu nehmen, bevor es an das Gastgeberland zurückgegeben wird", lautet die prompte Antwort, die mit dem Hinweis auf eine Modenschau namens "Qatar Fashion United by CR Runway" versehen wird.

Die findet am 16. Dezember statt, soll das Stadion noch einmal füllen. Wie auch der Security-Mann am Eingang des Stadions erzählt. Er ist aber wenig optimistisch. "Kommen Sie doch am 16. Dezember vorbei. Es gibt noch genug Tickets", sagt er und fuchtelt mit den Armen. Genug der Fragen. Das Stadion werde noch lange nicht abgebaut und wahrscheinlich sogar bis zu den Olympischen Spielen stehenbleiben, behauptet er noch. Dann ist das Gespräch vorbei. Das Supreme Committee teilt mit, dass "der genaue Zeitplan für den vollständigen Abbau" des Stadions und einen möglichen Wiederaufbau des Stadions in einem anderen Land "derzeit festgelegt" wird. "Zu gegebener Zeit" mehr, heißt es noch.

Eine Unterhose im Wind

Das Container-Stadion 974 soll als Beispiel für die zumindest vom Veranstalter und der FIFA ausgerufene "WM der Nachhaltigkeit" dienen, da es weniger Baumaterial benötigte und so schnell und angeblich kostensparender erbaut werden konnte. Es kann komplett zurück- und dann anderer Stelle wieder aufgebaut werden. Alle möglichen Länder sollen bereits Interesse angemeldet haben.

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Der Fall Stadium 974 ist gelöst, zurück nach Umm Ghuwailina, wieder am Doha International Airport vorbei, von dem Maschinen in die nahegelegenen Emirate abheben, vorbei an den Moscheen und kleinen Ladengeschäften, in denen sich die Bauarbeiter mit einzelnen Zigaretten und kleinen Snacks eindecken. Wasser gibt es an den Baustellen. Manchmal. Der Wind schmeißt die Tür eines Containers auf. Eine einsame Toilette ist zu sehen.

Neben einem Hotelneubau steht ein vielleicht zehn Jahre altes Hotel. Es wird zurückgebaut oder abgerissen. Es ist ein Wegwerfprodukt. Direkt daneben, hinter einem Bauzaun, hängt auf einer anderen Baustelle eine Unterhose über einer Wäscheleine.

Quelle: ntv.de

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