Sechs Dinge, gelernt zum Ligastart BVB zaubert, Costa glänzt, Ribéry leidet
17.08.2015, 13:35 Uhr
Die Tuchel-Zeitrechnung in Dortmund hat unerwartet spektakulär begonnen.
(Foto: imago/Horstmüller)
Dortmund startet so grandios in die Bundesliga-Saison, dass Gladbachs Kinderriegel schmilzt. Der FC Bayern fertigt den HSV ab und lobt seine neue brasilianische Rakete - was bitter ist für einen französischen Star. Schalke ist wieder da.
1. Tuchel bringt Schärfe ins Spiel
Was war das denn? Mit einem 4:0-Spektakel gegen Mönchengladbach ist der BVB mit seinem neuen Trainer Thomas Tuchel so furios in die Saison der Fußball-Bundesliga gestartet, dass sie in Dortmund schon am ersten Spieltag feiern, als hätten sie die Meisterschaft gewonnen. Vor 81.359 Zuschauern im noch einmal um 800 Plätze erweiterten Westfalenstadion spielten sich Szenen der Freude ab, die zeitweise an Ekstase grenzten. Zum Beispiel, als Tuchel nach 77 Minuten beim Stand von 4:0 die Torschützen Marco Reus und Pierre-Emerick Aubameyang vom Rasen nahm. Da bebte die Südtribüne wie zu besten Zeiten.

Statementsieg? Zumindest ein guter Einstand für BVB-Neucoach Thomas Tuchel.
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Und nun fragen sich alle, ob dieser Auftakt mit einer mehr als überzeugenden Leistung ein belastbarer Hinweis darauf ist, wohin der Weg der Dortmunder Borussia in dieser Spielzeit führt. Und ob die Dortmunder in der Lage sind, ganz oben mitzuspielen. Ob sie vielleicht die Wolfsburger, die eiskalt und effektiv mit 2:1 gegen Frankfurt gewannen, die Leverkusener, die nach einem Rückstand noch mit dem gleichen Resultat Hoffenheim besiegten, und eben die Gladbacher hinter sich lassen können; und ob sie gar den FC Bayern zumindest ein wenig zu ärgern in der Lage sind. Ausgeschlossen scheint das nicht. Oder wie es Verteidiger Marcel Schmelzer sagte: "Wir haben den Maßstab hochgelegt, daran müssen wir anknüpfen." Sein Trainer sieht das ähnlich, will aber nichts davon wissen, dass seine Mannschaft nun die Bayern jagt. Es sei nicht entscheidend, was andere erwarteten. "Wichtig ist, dass wir unsere Ansprüche an uns haben. Wir wissen, was wir leisten und was wir nicht leisten können", sagte Tuchel und wies darauf hin, dass der BVB in der letzten Qualifikationsrunde zur Europaliga am Donnerstag ab 20.30 Uhr bei Odds BK in Norwegen spielt. Aber klar, er ist zufrieden. Die Mannschaft habe in der Woche zuvor "noch einmal eine Schippe draufgelegt, in der Schärfe, in der sie trainiert hat, in der Aufmerksamkeit, mit der sie auf dem Platz stand, wie wir trainiert hat". Und dann lief das so: "Wir haben keinen Millimeter hergegeben bis zum Ende des Spiels. Egal ob 4:0, egal ob 88. Minute. Wir haben es durchgezogen."
2. Der FC Bayern verspricht Spektakel

Erstes Spiel, erste Gala: Neuzugang Douglas Costa führte sich überragend in der Bundesliga ein.
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Apropos Spektakel: Das kann der FC Bayern auch, das ist bekannt. Wenn auch im offiziellen Saison-Eröffnungsspiel gegen einen ungleich schwächeren Gegner als die Konkurrenz aus Dortmund. Der HSV ist kein Maßstab. Was die Münchner aber nicht davon abhielt, in der zweiten Halbzeit ein wenig zu zaubern - und letztlich mit 5:0 zu gewinnen. Allen voran: Douglas Costa, der neue Außenstürmer, der es auch in der Mitte kann. Nein, der für 30 Millionen Euro aus Donezk gekommene Brasilianer ist jetzt nach seinem Debüt nicht der neue Superstar der Liga. Zumindest noch nicht. Aber Fußballspielen kann er, schnell ist er auch und damit spektakelfähig. Das weiß jetzt auch Dennis Diekmeier, Verteidiger des HSV: "Ich bin schon ziemlich schnell, aber der ist eine Rakete." Costa bereitete das Tor zum 3:0 mit dem Außenrist vor, erzielte das zum 5:0 selbst und lag auch in den Statistiken vorne: Er gab die meisten Torschüsse ab, nämlich vier; gab die meisten Torschussvorlagen, drei; schlug die meisten Flanken, vier; und beging auch noch die meisten Fouls, drei. Thomas Müller war angetan: "Er hat eine wahnsinnige Energie. Und er ist auch ein sehr mannschaftsdienlicher Spieler." Und Trainer Josep Guardiola lobte sich quasi selbst: "Seine Qualitäten sind unheimlich und schwierig zu finden. Vorher dachten die Leute: Wer ist Douglas Costa? Jetzt sind sie überzeugt, weil sie sehen, dass er die Qualität hat, hier zu spielen." Und was sagt der so Gelobte? "Ich bin sehr zufrieden. Es war der entscheidende Schritt für meine Karriere, hierherzukommen." Nur einer dürfte das mit gemischten Gefühlen beobachtet haben. Franck Ribéry saß, seit fünf Monaten am Sprunggelenk verletzt, in Jeans und Pullover auf der Tribüne. Er wird gesehen haben, was dieser Costa kann. Und sich denken können, dass der seinen Platz nicht freiwillig räumen wird, falls er, Ribéry, irgendwann fit ist. Nach dem Spiel ging der Franzose zum Parkplatz, jemand rief ihm zu: "Franck, alles klar?" Er antwortete: "Ja, ja." Wirklich?
3. Labbadias Hamburger haben Spaß an der Klatsche
Beim Hamburger SV musste man schon froh sein, dass er den Weg in die Allianz Arena gefunden hatte und nicht etwa am Freitagabend im Stadion an der Grünwalder Straße aufschlug. Mit Fußballspielen hatte das Team von Trainer Bruno Labbadia dann allerdings nicht viel im Sinn, ganz offensichtlich ging es darum, nur nicht zweitstellig zu verlieren. Und so war dann auch niemand ernsthaft geknickt - auch eine Qualität nach einem 0:5. Verteidiger Johan Djourou sagte: "Wir können auch Positives mitnehmen." Und Kollege Gideon Jung befand, wie die "Süddeutsche Zeitung" zu berichten wusste, nach seinem Ligadebüt: "Es hat Spaß gemacht." Freude an der Klatsche - ist das das neue Motto des HSV? Erfahrung genug haben die Hamburger ja in dieser Spezialdisziplin. Aber vielleicht wollten sie sich auch nur selbst schützen, ist ja auch kein Geschenk, gleich am ersten Spieltag nach München zu müssen. Und schließlich liegen noch 33 Spieltage vor ihnen. Und Trainer Bruno Labbadia hat den Ernst der Lage durchaus erkannt: "Seit zwei Jahren spielt der HSV Relegation. Und alle sagen: Jetzt geht das schon wieder los. Das lässt die Spieler nicht kalt. Wir müssen uns mit aller Macht dagegen stemmen. Das wird ein absoluter Kraftakt."
4. Mönchengladbach will kein Bayern-Jäger sein

Andreas Christensen und sein junger Nebenmann Marvin Schulz entpuppten sich zum Ligastart in Dortmund eher als Kinder- denn als Abwehrriegel.
(Foto: imago/Team 2)
Mönchengladbachs Max Eberl hat es gewusst: "Dortmund ist der wahre Bayernjäger", hatte er vor dem Spiel gesagt - was dem Manager des Champions-League-Starters prompt als Tiefstapelei ausgelegt wurde. Und wenn es sein Ziel war, damit etwas den Druck von seiner Mannschaft zu nehmen, dann hat das nicht geklappt. Aber immerhin hat er Recht behalten, was ihn allerdings wenig tröstete. Denn mit einem 0:4 beim BVB hatte er dann doch nicht gerechnet. Schließlich hatte die Elf vom Niederrhein in der gesamten Rückrunde der vergangenen Saison nur zehn Tore kassiert. Sein Fazit: "Wir haben zurecht und in der Höhe verdient in Dortmund verloren." Für die Mannschaft von Trainer Lucien Favre gehe es nun darum, sich wieder zu berappeln: "Wir müssen relativ schnell aus den Dingen lernen, die wir verkehrt gemacht haben - und das ist eine Menge." Wenig überraschend wollte er einzelne Spieler nicht kritisieren, auch nicht die beiden überforderten Innenverteidiger Marvin Schulz und Andreas Christensen, 20 und 19 Jahre alt. "Es lag nicht an den beiden jungen Spielern. Wir haben es als Kollektiv nicht gut gemacht. Wir müssen nicht einzelne rauspicken, weil man dann bei keinem Spieler mehr Positives als Negatives findet. Wir müssen einfach als Mannschaft besser agieren - offensiv, wie defensiv."
5. Ingolstadt und Darmstadt führen sich gut ein
Das ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann: Der FC Ingolstadt, Meister der zweiten Liga in der vergangenen Spielzeit, landet bei seinem allerersten Erstligaspiel einen Auswärtssieg, mit 1:0 beim FSV Mainz. Und der SV Darmstadt 98, Durchmarschierer aus Liga drei, erkämpft sich am ebenso alten wie ehrwürdigen Böllenfalltor ein 2:2 gegen Hannover 96. Für die Ingolstädter war das ein echter Coup, auch und gerade nach dem Pokalaus in der ersten Runde beim Regionalligisten in Unterhaching. Entsprechend euphorisch trumpfte Trainer Ralph Hasenhüttl auf: "Wir haben alles, was wir uns vorgenommen haben, millimetergenau umgesetzt. Die Mannschaft hat die Automatismen verinnerlicht. Das freut mich riesig", sagte er - und wagte den Griff in die Pathoskiste: "Wir haben Geschichte geschrieben."
Auch in Südhessen waren sie zufrieden, sie boten den Zuschauern nach 33 Jahren Erstliga-Abstinenz ein Spektakel. Sie haben, wie Kapitän Aytac Sulu sagte, gezeigt, "dass wir Bundesliga können." Oder wie es Trainer Dirk Schuster formulierte: "Wir waren mit Hannover auf Augenhöhe." Bei aller berechtigten Freude könnte aber genau das zum Problem werden. So kassierte seine Mannschaft zwei relativ einfache Gegentore - gegen eine Mannschaft, die sich in der ersten Runde des DFB-Pokals zu einem 2:0 in Kassel beim Viertligisten KSV Hessen gequält hatte und die durchaus zum Kandidatenkreis derer gehört, die am Ende der Saison einen der letzten drei Plätze in der Liga belegen. Von daher ist für Darmstadt eigentlich ein Unentschieden gegen einen Konkurrenten zu wenig. Andererseits sollte niemand den unbedingten Willen der Lilien unterschätzen. Und klar ist auch: Sollten sie es schaffen, in der Liga zu bleiben, wäre das eine echte Sensation.
6. Untote Schalker melden sich zurück
Wir wissen nicht, ob sich irgendjemand an das Ende der vergangenen Saison erinnert. Da taumelte eine Ansammlung von Zombies unter dem Label "FC Schalke 04" durch die Liga, selbst die eigenen Fans wandten sich mit Grausen ab. Negativer Höhepunkt war das letzte Saisonspiel in Hamburg, bei dem sich die Schalker beim nicht für seine Torgefährlichkeit bekannten HSV mit 0:2 ergaben, ohne auch nur irgendwelche Anstalten zu machen, sich zu wehren. Das Ende vom Lied: Trainer Roberto di Matteo musste gehen, André Breitenreiter vom Absteiger SC Paderborn kam. Und nun? Beginnen die Gelsenkirchener die Saison mit einem souveränen 3:0-Erfolg beim SV Werder Bremen. Einer, der wie der Trainer neu dabei und somit unbelastet ist, kommentierte das so: "Das war schon gut, aber noch nicht perfekt", sagte der ehemalige Mainzer Johannes Geis, der gleich die Position des Sechsers vor der Viererabwehrkette übernommen hatte. Und, nicht ganz unwichtig: Sie haben sich wirklich angestrengt - ganz so, wie der Trainer es gefordert hatte: "Ich wollte am Ende eine Mannschaft sehen, die kaputt ist. Von mir aus hätten die Spieler auch Krämpfe haben können. Die Spieler sollten alles geben, das habe ich ihnen gesagt." Es war auf jeden Fall ein guter Anfang, dass Ende der vergangen Saison vergessen zu machen.
Quelle: ntv.de